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Winterbilanz

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Dem Kalender nach haben wir bereits Frühling. Somit geht die im Fernsehprogramm wichtigste Saison zu Ende. Welche Sendungen dieses Winters werden uns in Erinnerung bleiben? Dazu gehört sicherlich die Mondfahrt der amerikanischen Astronauten zu Weihnachten. Das war jedoch ein zu exzeptionelles einzelnes Ereignis und ist nicht als reguläre Kategorie der Fernseharbeit wertbar. (Weniger als die Leistung der dabei mittuenden Kommentatoren verdient die der Übersetzer besonderes Lob.) Weit mehr als jede andere Art von Sendungen haben mich Nichtsportier jedoch die Übertragungen der verschiedenen internationalen Wintersportkämpfe an den Empfangsapparat gebannt. Die Eishockeyweltmeisterschaften mit einem Kampf von geradezu antiker Dramatik und dem Heroismus des tschecholsowaki-schen Teams in seinem Kampf gegen das der Sowjetunion. Die enormen Proben individuellen Mutes und Könnens, welche jeder Teilnehmer am Skisprirtgen zu Ptontca ablegte. Die präzise Grazie, mit der uns die jungen Menschen bei den Eiskunstlaufmeisterschaften in Garmisch und Colorado Springs bezauberten. Was das all hier Gezeigte so eminent interessant, ja wichtig machte, war die Echtheit und Höhe der dabei vollbrachten Leistungen einer Elite, deren Können das Resultat von Begabung und konzentriertem vieljährigem Training ist. Hinter diesem Können — das durchaus nicht nur vom physischen, sondern auch vom moralischen Standpunkt gesehen, wichtig ist

— treten die durchs Fernsehen vermittelten auf anderen Gebieten zurück. Dies auch, wenn es solche von hoher künstlerischer Bedeutung waren, wie etwa das vergangenen Sonntag übertragene Backhaus-Konzert. Denn auch dieses kann nur als besondere Ausnahme gewertet werden.

Weit allgemeiner ist das Bild des Unterhaltungsbetriebes im Fernsehen. Es ist ein nahezu ungebrochenes Bild von Seichtheit, Mittelmäßigkeit,

Scheinkönnen und Dilettantismus. Die Torrianis und Kulenkampffs beherrschen es mit ihrer leeren Geschäftigkeit. Und was uns an heimischer Provenienz von Conrads, Farkas und auch Bronner geboten wird, unterliegt auf die eine oder andere Weise den obigen Qualifikationen. Des Letztgenannten Tage in der Liliengasse sind lange vorbei, und auch die Periode in der Walfischgasse — aus der er jetzt gerne Anleihen für die Fernsehproduktionen aufnimmt

— waren bereits ein Niedergang. Typisch für den in der Unterhaltungsabteilung herrschenden Geist war die jüngste Produktion „Wien nach Noten“ — ein mit Jazz aufgemascherlter Wiener Ansichtskartenkitsch. Möglicherweise bringt so etwas einige's Geld aus Übersee ein, sicherlich aber keine Ehren. Zu den von dem Theoretiker Jan Bussen in seinem Werk „The Art of Television“ gestellten Forderungen gehört, „daß das Fernsehen das Beste an Talent jeglicher Art im Volke seines Landes hervorbringt und repräsentiert“. Dazu gehört — wie die Dinge nun einmal derzeit in Österreich liegen — besonders auf dem Gebiet der leichten Kunst weitaus mehr als die Auswertung dessen, was sich auf dem Markte an „Namen“ anbietet. (Wiewohl mit anderen als den derzeit an sie gestellten Ansprüchen eine Reihe der jetzt beschäftigten jungen Leute aus dem Zustand dilettantischer Outriertheiten gehoben werden könnten.) Vor allem jedoch besitzen wir mehrere Dutzend Künstler mit mehr als genügendem professionellen Können und ein gutes halbes Dutzend Autoren, mit denen man ein Fernsehkabarett mit über Bernhardstal und Schärding hinausreichender Bedeutung schaffen könnte. Das Gebiet des Fernsehspiels wird bei uns fast zur Gänze von westdeutschen. Produktionen beherrscht, die sich durch um so mehr Pointenlosig-keit auszeichnen, je prätentiöser sie sind. Die einheimischen Inszenierungen sind meistens Übernahmen laufender Bühnenstücke.Wenn ich so eines sehen will (und soll), gehe ich ins Theater. Des lokalen Milieus wegen wäre ich bereit, die Betulichkeit des „Alten Richters“ hinzunehmen, wenn dieser Serie eine weniger harmlose gegenüberstünde. Das jetzige Regime im Fernsehen dankt seine Berufung dem Bedürfnis nach einem „das sich was traut“. Davon ist nun eigentlich wenig zu bemerken. Nicht, daß es ihm nicht an Eigenwilligkeit mangelte, nur geht die jedoch eher andere Wege als die der Sozialkritik. Mit einiger Melancholie liest man jetzt die Veröffentlichungen Kenneth Adams, des ehemaligen Direktors des britischen Fernsehens über die gloriose nonkonformistische Ära der BBC unter Sir Hugh Greene 1961 bis 1968. Manches, was dort geleistet wurde, hat auf die Ansprüche ausgestrahlt, die hierzulande an den Rundfunk gestellt wurden und zum Ende des dort herrschenden Parteienproporzes führten. Eine unter und durch Greene geschaffene satyrische Sendung wie „That was the week that was“ — alltwöchentlich hart umkämpft und verteidigt — hat wesentlich dazu beigetragen, das Gesicht und den Ausblick Englands von überkommenen Relikten zu befreien und zu verändern. Bei uns nimmt man sich derlei von Zeit zu Zeit zwar vor, aber es sdieint immer etwas dazwischenzukommen.

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