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Schwabing und Shakespeare

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Ein regielicher Erstlingsvolltreffer, den unter den so unterschiedlichen Produkten der „Neuen Deutschen Welle“ vor allem seine völlige Problemlosigkeit auszeichnet, ist der von der 26jährigen Deutschen May Spits inszenierte Streifen „Zur Sache Schätzchen“. Zum Erfolgsrezept der deutschen Jungfllmer gehört ja, daß sie meistens sich selbst und ihre eigenen Erfahrungen darstellen und dadurch oft gerade aui Anhieb erstaunliche Ergebnisse erzielen: der vorliegende Streifen jedenfalls gehört zum Unbeschwertesten, Nettesten und Amüsantesten, das die „Neue Deutsche Welle“ bisher an Land geschwemmt hat. Endlich einmal hat man sich nicht in einer keineswegs allgemeingültigen Extremsituation verfahren, nein, der Film interpretiert nur eine Lebensanschauung, der man nicht unbedingt zustimmen muß, die aber hier zweifellos mit Witz und liebenswürdigem Humor serviert wird. Es sind Typen, wie sie das Münchener Künstlerviertel Schwabing anlockt und hervorbringt, und May Spils greift aus diesen Typen, die sie selbst aus unmittelbarer Anschauung kennt, zwei heraus: den professionellen Nichtstuer Martin und seinen Freund Henry, der daran scheitert, daß er eben um jeden Preis etwas tun will. — Solange May Spils innerhalb der ihr wohlbekannten Kreise bleibt, wirkt sie am echtesten. Sie beginnt in dem Augenblick zu scheitern, da sie versucht Sozialkritik zu „inszenieren“. Trotzdem: die Revolte der Jungen wird diesmal nur auf eine relativ harmlose Spitze getrieben und hat vor allem etwas, was den vorangegangenen Filmen weitgehend fehlte — Humor und Charme. Nicht zuletzt ein Verdienst des großartigen Hauptdarstellers Werner Enke.

Das Thema, das sich der junge amerikanische Regisseur James Ivory für seinen ersten Spielfilm. „Shakespeare- Wallah",ausgesucht hat, ist außergewöhnlich reizvoll: die Geschichte einer englischen Schauspielerfamilie, die in Indien — allen Schwierigkeiten zum Trotz — Shakespeare-Dramen aufführt. Der Regisseur konfrontiert hier gleich dreimal — in parallel ablaufenden Episoden — europäische und orientalische Kultur und Lebensauffassung. Ivory dramatisiert dabei um des Effektes willen manchmal etwas zu sehr, aber das schadet nichts, denn die ganze Story gibt viel Gelegenheit zu reizvollen optischen und thematischen Kontrasten, von denen der Regisseur reichlich Gebrauch machte, manchmal vielleicht sogar allzu reichlich …

Obwohl man die bei uns gezeigte Originalfassung mit deutschen

Nun ist es endlich heraus: Das w-te ein Staatsgeheimnis gehütete Ergebnis des von einem österreichischen M einungsforschungsinstitut erstellten Infratests über die Beliebtheit oder Unbeliebtheit der diversen Fernseh- und Rundfunksendungen. Nach den Meinungen von rund 4000 Österreicherinnen und Österreichern wurden Noten ausgeteilt, die zwischen + 10 und — 10 schwanken, wobei sich zum Beispiel die Erkenntnis ergab, daß beim Fernsehen sich die. aktuellen Sendungen und die Quizshows sich des größten Widerhalls erfreuen.

Es zeigte sich aber auch, daß die kulturellen Sendungen durchaus nicht in dem Maße einem Minderheitenprogramm entsprechen, wie vielfach behauptet wird. So rangiert zum Beispiel die Reihe „Kultur — aktuell“ mit der Indexziffer + 5 an der gleichen Stelle wie die Kriminalserien, die zwar zumeist über eine Seherbeteiligung von mehr als 50 Prozent verfügen, jedoch nicht über die Fünfernote hinauskommen und mit dieser Ziffer die gleiche Beliebtheit erreichen wie etwa die Heinz-Conrads-Sendung, die mit 54 Prozent Beteiligung und + 5 zu Buche steht. Dagegen schaffte es die Quizshow „Der Goldene Schuß“ — von der Kritik oft und hart attak- kiert — auf eine Zuschauerschar von 83 Prozent mit dem Index 4- 7. Hier erweist sich die Relativität derartiger Statistiken, die wohl eindeutig die Höhe der Zuschauerbeteiligung, aber nicht die innere, wirkliche Qualität widerspiegeln kann. Trotzdem stellt die um fünf Millionen Schilling vorgenommene Durchleuchtung des Publikumsgeschmacks einer, wesentlichen Gradmesser für die Programmgestalter dar, den sie bei Durchführung ihrer komplizierten Aufgabe unter den angedeuteten Vorbehalten und Aspekten verwenden können. Jedenfalls verfügen sie mit diesem respektablen Zahlenmaterial über ein Rüstzeug, mit dem sie manchmal auch ungerechtfertigten Kritiken beweiskräftig untermauert entgegentreten können.

Es ist zu begrüßen, daß Dr. D olj Lindners „Kultur — aktuell“ auch die wesentlichen kulturellen Ereignisse und Persönlichkeiten aus den österreichischen Bundesländern in ihre Betrachtungen miteinbezieht. Nur sollte man sich davor hüten, durch Ausstellungsberichte und Kurzreportagen den Schöpfungen der bildenden Kunst in einer Sendung zu breiten Raum zu gewähren.

In der Jubiläumsfreude über das zehnjährige Bestehen der Sendung „Ihr Auftritt, bitte.'“ dürfte es deren Gestalter Heinz Fischer- Karwin bei seinen zahlreichen Interviews entgangen sein, daß schon vorher drei Jahre lang eine bei Kritik und Publikum recht beliebte Live- Theatersendung „Blick hinter die Kulissen“ existiert hatte. Daß aus dem Kindergesangsstar Conny Fro- boess eine beachtliche Schauspielerin geworden ist, davon konnten wir uns in der auf die Details bedachten Regie Claus Peter Witts der Dramatisierung des Romans „M athilde M öhr in g“ von Theodor Fontane überzeugen.

Fingerspitzengefühl und rasches Reaktionsvermögen angesichts der allerorts brodelnden Gärung in der Jugend bewies die Programmleitung, die an Stelle der Jugendsendungen „Kontakt“ und „Ohne Maulkorb" eine Diskussion zwischen Unterrichtsminister Dr. Piffl-Peree- v ic und den Mittelschülern unter dem Titel „Mehr Bewegung" ansetzte. Der Minister, dem von einem jugendlichen Teilnehmer der Vorwurf gemacht wurde, eine automatische Persönlichkeit zu sein, erwies sich in dieser einstündigen Diskussion als der beste Demokrat.

Untertiteln schon um eine halbe Stunde gekürzt hat, ist der Film für europäische Begriffe noch immer etwas zu lange, anderseits macht wahrscheinlich gerade diese „Länge“ für den Zuschauer, der sich auf die stimmungsvolle Beschaulichkeit und den ruhigen, gezielten Wechsel zwischen Ritardando und Accelerando einstellen kann, den Reiz des gesamten Streifens aus. Somit ein Film, der sich nur einem kleinen Publikumskreis voll erschließen dürfte.

Ernst Nießner

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