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Cannes 1967

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Aus der Breite und Tiefe der 47 Lang- und Kurzfilme des 20. Festivals von Cannes 1967 und den zehn Filmen der Woche der Französischen Kritik sowie einer vielfältigen Ausbeute an Filmen des Marktes, sieht den Freund des Films und der Menschen auch einiges an, das sich nicht dem soziotrivialen Zwangskomplex einfügt, wenn es nicht den üblichen Interpretationsschüben zum Opfer fällt.

Die Meister vom Film, ja die steigen und fallen, Jahr um Jahr. Die alten und jungen gekrönten Könner enttäuschen, und neue Talente steigen empor, aus den Reihen der Dokumentaristen oder Kurzfilmmacher. Und das ist nicht nur der Tribut an das harte Gesetz des Werden und Vergehens, dem besonders die Filmgestalter anheimgegeben sind, das ist nicht nur ein irritierendes Schimmern von Mode- oder Zeitgeisteinflüssen, das ist auch ein Trost. Noch ist erst in Anfängen die transzendentale Möglichkeit der filmischen Gestaltungsweise entdeckt und erprobt in wenigen Beispielen. Immer wieder überrascht daher im Fluß des Gleichen, des Festivaltrubels von schimpfenden Kritikern, der kleinen Gernegroß-Vedetten bei den begehrten Empfängen, der galakleidertragenden Donnen und ihrer Begleiter bei den Nachtvorstellungen im gleißenden Palais ein filmischer Geniebldtz im Kurzfilm oder eine ungewohnte (und oftmals ungewollte) Tiefe im Spielfilmgehalt.

Man hofft, daß sich die James Joycesche Epiphanie im Film, dessen Ausdrucksmittel darnach verlangen, ausbreite, jene „Uberblendung eines belanglosen realen Geschehens mit dem Licht einer höheren Einsicht, wodurch eine mystische Union zwischen dem Alltäglichen und dem Grandiosen geschaffen wird“, wie es Erklärer des „Ulysses“ von J. Joyce, C. Giedion-Welcker, ausdrück. Zum inneren Brennpunkt einer Situation vorzustoßen, ist eine der Aufgaben des Filmregisseurs — und gerade bei der Verfilmung von J. Joyces Ulysses mußte dieses Beginnen scheitern. Ein Zweistundenfilm sollte die unheimliche Summe philosophischer, literarischer, sprachlicher und Allerweltskenntnisse dieses irischen Autors ausdrücken? Quod non! Man läßt weg, konzentriert und verwandelt dabei Form und Gehalt in eine erfaßbare optische Aussage, die von einem Festivalpublikum in allen gröbsten Anzüglichkeiten mit quietschendem Vergnügen quittiert wird, aber sich an den parallelen Worten teilweise schockiert fühlt.

Das Auffallendste an der fliehenden Sicht vieler Erscheinungen filmischer Prägung war heuer in Cannes die Abkehr vom bisher so beliebten Kriegsthema und das Zurückfinden zur Liebe; allerdings in sehr verschiedenen Formen. Romeo und Julia in einer isländischen Nordlandsaga im schlichtesten Dekor, die bittersüße Romanze von Elvira Madigan, einer schwedischen Verfilmung der verzweifelten Liebe bis zum Tode (wie von Schnitzler), das erhaben einfache Drama der Mutterliebe im algerischen Ausdruck, die Kindesliebe im italienischen Film „Der Unverstandene“, die notwendende vermißte Elternliebe in einem tschechischen Film „Der 7. Kontinent“ und manche andere Eindrücke vereinen sich zu einem Lichtpunkt, der Hoffnung gibt — trotz aller Enthüllungen und Mißtöne.

Der Sieger von Cannes heißt diesmal England, da nicht nur Antonio-nis Streifen „Blow up“ die „Goldene Palme“ erhielt, sondern auch der Sonderpreis für den originellsten Film dem Streifen Loseys „Aceident“ (gemeinsam mit dem jugoslawischen Film „Ich habe auch glückliche Zigeuner getroffen“) und mit „Dutchrnan“ auch der „Preis der Kunst“ an England fiel. Die 17jäh-rige Schwedin Pia Degermark erhielt den weiblichen Darstellerpreis, als bester männlicher Schauspieler wurde Oddet Kotler aus Israel gewählt. Kurzfilmpreise gingen an Holland (Grand Prix), Frankreich und (ex aequo) Jugoslawien.

Das Pfingstprogramm des Fernsehens stand irq Zeichen zweier außerordentlicher Ereignisse, von denen das eine, die Übertragung des Pfingstgottesdienstes aus Mariazell, vom österreichischen Fernsehen schon seit Monaten vorbereitet war, während das andere, der Besuch des Papstes im Marienheiligtum . von Fatima, sehr kurzfristig eingebaut werden mußte. Es ist dem österreichischen Fernsehen zu danken, daß es im Anschluß an das Zweite Deutsche Fernsehen am Pfingst-samstag einen sehr ausführlichen Bericht über die Papstreise nach Fatima brachte.

Millionen Menschen in Mittel-und Westeuropa, aber auch in Nordamerika, dort über den Fernsehsatelliten Early Bird, waren Zeugen des großen Pfingstgottesdienstes in Mariazell, der zu einer Manifestation gemeinsamen Gebetes für Frieden und Verständigung unter den Völkern Mitteleuropas hätte werden sollen. Er ist es nur zum Teil geworden, da außer dem kroatischen Kardinal Seper den eingeladenen Bischöfen die Ausreise verweigert worden war. Was darüber zu sagen ist, steht an anderer Stelle dieses Blattes. Der technische Einsatz des österreichischen Fernsehens aber hat sich voll gelohnt. Die Bildregie der Messeübertragung, immer ein besonders schwieriges Kapitel, war im großen und ganzen einwandfrei. Vielleicht hatte man am Anfang die Kamera zu sehr auf Orchester. Chor und Solisten eingestellt, so daß man manchmal, allerdings wirklich nur manchmal, den Eindruck haben konnte, man wäre eher im Konzertsaal als in einer Kirche.

Ansonsten aber hat sich das österreichische Fernsehen mit dem Pfingstprogramm keine allzu große Mühe gemacht. Man hatte eher den Eindruck, es sei eine Zusammenstellung aus Archivbeständen. Am Samstag sahen wir den uralten Schwank von der „Pension Schöller“, über dessen Situationsklamauk wahrscheinlich unsere Großväter herzlich gelacht haben. Am Sonntag brachte uns das Deutsche Fernsehen die Bad Hersfelder Inszenierung des „Zerbrochenen Kruges“ ins Haus. Wer dem klassischen deutschen Lustspiel nicht viel Freude abgewinnen konnte, mußte sich allerdings mit einem schon sehr betagten österreichischen Lustspielfilm „Dort in der Wachau“, begnügen. Am Montag schließlich sahen wir, auch nicht zum erstenmal, eine Aufzeichnung aus dem Akademietheater mit dem „Konzert“ von Hermann Bahr. Und im Zweiten Programm den auch schon sehr alten Film von den „Frauen um Richard Wagner“. Also von besonderer .Ambition kann man da gewiß nicht sprechen.

Am Samstag gedachte das österreichische Fernsehen auch des 250. Geburtstages der großen Kaiserin Maria Theresia. Wenn man weiß, wie nachdrücklich der Deutsche Rundfunk dieser großen österreichischen Herrscherin gedacht hat, muß man den österreichischen Beitrag doch etwas dürftig finden. Es war im wesentlichen die Lebensae-schichte Maria Theresias, mit Bildern unterlegt. Ansätze, diese Biographie szenisch aufzulockern, blieben in Kostümattrappen stecken... Nach den mit schönem Pathos vorgetragenen und sehr eindringlichen, auch auf die Gegenwart bezug nehmenden, Einleitunasworten von Otto Schulmeister hätte man eigentlich etwas mehr erwartet. Man hätte vielleicht auch erwarten können, daß der 250. Geburtstag jener Herrscherin, die nicht nur in ihrem Wesen bestes österreichertum repräsentierte, sondern die auch In ihrem Wirken die Grundlagen eines modernen österreichischen Staates schuf, für den österreichischen Rundfunk nicht mit einer einmaligen Senduna abgetan wäre. Aber ein solches Gedenken wäre ia nicht an den Tag gebunden, und irtir können vielleicht gerade vom österreichischen Fernsehen in absehbarer Zeit noch einiaes erwarten.

Auf eine kleine Unsitte soll noch am Rande hingewiesen werden. Während man früher Wiederholungen immer als solche kennzeichnete, fehlt in letzter Zeit des öfteren dieser Zusatz. Daß die Sendung aus der Reihe „Stahlnetz“ am Freitag abend eine Wiederholung war. hätte man ruhig sagen können, man hätte dadurch manchen eine Verärgerung erspart. —b

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