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Zuviel Pappendeckel…

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Manchen Fernsehsendungen geht es so wie gewissen Erzeugnissen der Kosmetik: die Verpackung ist größer als der Inhalt. Was nicht bedeutet, daß der letztere wertlos sein muß. Es ist eben nur zuviel Schachtel und zuwenig Rasiercremetube da. So wird beispielsweise Waldbrunns charmante Karl-May-Serie von nicht weniger als sieben verschiedenen Vorspannbildern eingeleitet und von dreien ausbegleitet. Der musikalische und photographische Vorspann zu den Nachrichten, die (ebenfalls unnötig) „Zeit im Bild” heißen, geht mir durch Länge und Umständlichkeit so auf die Nerven, daß ich den Ton ausschalte, bis der Sprecher endlich zum Verlesen der Meldungen auftaucht. Die Signature tune „Oh Halleluja” habe ich wirklich einmal gern gehabt. Seitdem sie mir aber vor jeder Nachrichtensendung aufgezwungen wird, habe ich sie hassen gelernt. Das gleiche gilt übrigens für den Trommelwirbel und das übrige Brimborium vor und nach den Hörfunknachrichten. Es ist reinster Terror an den Hörern, und der Mann, der sich das ausgedacht hat, kann nichts anders als ein Sadist sein. Die bombastische Ankündigung jener täglichen Sendung, die wieder nur Ankündigungen der eigentlichen Sendungen enthält, ist ein gutes Stück der im Rundfunk grassierenden Großmannssucht und Publicity am falschen Platz. Noch andere, anscheinend unlösbare Maschen werden da „gestrickt”. So, wenn die Berichte der Ausländskorrespondenten im Hörfunk unbedingt telephonisch (und daher oft schlecht verständlich) an die Hörer weitergegeben werden müssen. Seht her, wie sehr wir „auf Draht” sind/ Zur Masche geworden ist der ursprünglich nette Einfall, Ausländskorrespondenten des Fernsehens ihren Bericht auf einer Straße der fremden Stadt sprechen lassen. Jetzt wächst es uns bereits zum Hals heraus. Ich schlage dem Hör- und Sehfunk einen Kommissar mit der Aufgabe vor, solche Maschen aufzulösen und sich etwas Neues einfallen zu lassen, wenn die Regisseure und Redakteure nicht dazu imstande sind.

Daß bei uns und in Deutschland noch nach dem Krieg viel Mist in der Belletristik geschrieben wurde — und noch immer wird —, ist nicht verwunderlich angesichts dessen, was vorher aufgekommen war. Derlei wirkt lange nach. Wie aber ist das bei einem Land wie der Schweiz, die doch von allem verschont geblieben war? Anscheinend nützt politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit nichts, um vor Seismen in einem kulturell verwandten Raum zu schützen. Ich rede von einer so zweifelhaften geistigen Erscheinung wie Max Frisch, von dem wir das 1951 als Bühnenstück verfaßte „Graf öderland” nun als (vom Autor mitverfaßtes) Fernsehspiel erhielten. Was dabei am meisten erschreckt, ist nicht der billige Radikalismus, sondern dessen adoleszente Unreife und Pro- vinzialität. Es ist, als ob dem Autor die gesamte dramatische Literatur von Ibsen bis Camus im Magen liegen geblieben wäre. Und er hat seither nichts dazugelernt, als mit der APO in Sachen Notstandsgesetz gleichzuziehen. Demgegenüber ist ein anderes Stück der vergangenen Woche, „Lachotzky”, nahezu als erwachsen zu werten. Nahezu, weil es nicht einer gewissen Larmoyanz ermangelt, der anscheinend alle, die sich dramatisch mit dem KZ- Komplex beschäftigen, (etwa wie im amerikanischen „Pfandleiher”), unterworfen sind. Auch wenn sie, wie in diesem Fall die Verfasser Schönherr und Volz, gar nichts damit zu tun gehabt haben. Auch schien mir der Symbolismus des Stücks (Vergeblichkeit) ein bißchen vernebelt: wenn damals zwei KZ-Häftlinge einander versprachen, nach dem Krieg wieder zusammenzukommen, so hielten sie es ein — sofern sie es überlebt hatten. Und sie ließen sich von keiner physischen Blindheit — ja sogar nicht von politischer — davon abhalten.

Schnitzlers „Traumnovelle” — für Dramatisierung im Fernsehen hervorragend geeignet — konnte trotz einiger österreichischer Fin-de-siecle-Atmosphäre nicht befriedigen. Eine viel zu lange und verredete Exposition. Das eigentliche Traumspiel aber viel zu realistisch. Kurt Sowinetz möge das Jüdeln lassen. Selbst wenn er’s könnte, wäre es nicht mehr angebracht.

Wenn Deutsche Engländer spielen, ist es fast ebenso arg, als wenn Engländer Deutsche spielen. So in P. C. Snows „Affäre”, deren schon im Original snobistischer Hautgout in eine Karikatur aller Anglophilie umschlug.

Ein recht guter „Fenstergucker” über die österreichische Moderne der Jahrhundertwende. Nur der Behauptung, daß zwischen ihr als einer „Hochkultur” und dem Wien des Elends und der Mietskasernen kein Zusammenhang bestand, ist zu widersprechen. Zwischen jenen Architekten, Malern, Musikern und Literaten und den Sozialreformern jener Zeit gab es bedeutende Zusammenhänge in Haltung und Geistigkeit. Die Hoff mann, Wagner, Loos, die sich zuvor an den Villen der fortschrittlichen Bürger ausgetobt hatten, wurden nach 1918 zu Inspiratoren und Erbauern von Gemeindebauten. In Peter Altenbergs linker Zeitschrift „Ver” arbeiteten Anarchisten wie Pierre Ramus, Sozialisten wie Friedrich Adler und Danneberg und spätere Kommunisten wie Ruth Fischer (damals Elfriede Eisler) mu. Anton Webern leitete die ersi i Arbeitersymphoniekonzerte und Ruth Fischers Bruder, Hanns Eisler, lernte bei seinem Lehrer Arnold Schönberg manches, das ihm später für seine Brechtschen Songs sehr zugute kam. Sie alle schufen mit jener „Hochkultur” sehr bewußt die Grundlagen für die Kultur einer sozial saubereren und gerechteren Zeit. Und das ist ihnen denn auch wohl gelungen. Umgekehrt war mir die Sendung über „Breughel” zu simplifizie- rend-historizierend. Seine „Dulle Griet” ist weit mehr als ein Spiegelbild der spanischen Okkupation in den Niederlanden, ln diesem und in anderen Bildern Breughels erfahren wir enorm viel über die noch stark vorhandene seelische Verbundenheit und Exzesse der Menschen mit einer vorrationalen Zeit.

Übertragungen von Autorennen im Fernsehen (Monza) lassen uns kalt. Ein Rennwagen ist zu sehr ein technisches Ding, einer sieht wie der andere aus, und es erschüttert uns gar nicht, wenn sie ihre Runden ziehen und einander überholen. Die rudernden Mädchen bei den Meisterschaften am Wörthersee bewegten uns weit mehr. Warum? Weil dabei sichtbar menschliche Anstrengungen im Vordergrund standen.

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