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Marionettentheater

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Ein thematisch und darstellerisch hochlnteresisanter Streifen, der sein zeitnahes Sind brennendes Thema realistisch und konsequent filmisch abhandelt, ist die amerikanische Produktion „Die Stunde der Komödianten“. — Graham Greene, der das Drehbuch zu diesem Film nach seinem Roman „The Comedians“ selbst verfaßt hat, legt im Vorwort zu seinem Buch großen Wert auf die Feststellung, daß der hier gezeichnete Mr. Brown, obwohl er die Geschichte in Ichform erzählt, nicht mit ihm, Greene, identisch sei. Der berühmte Autor hat hier wieder einmal einen Roman geschrieben, hinter dessen brillanter Diktion und faszinierender Erzählungskunst echtes Leben pulsiert. Der englische Regisseur Peter Glenville (,Hecket“) inszenierte diese Erzählung zu einem mitreißenden Film, und hervorragende Schauspieler lassen die Figuren Greenes Wirklichkeit werden. — Wie Greene weiter betont, sind die Charaktere des Buches, und damit des Films, sämtliche erfunden — nicht erfunden ist der zeitgeschichtliche Hintergrund, und seit Greene dieses Buch schrieb, haben sich die Dinge im Prinzip nur am Schauplatz des Geschehens in Santo Domingo verändert — zum Schlechteren...

Der Autor stellt in diesem Werk die These zur Diskussion, daß jedermann in seinem Leben, welche Funktion auch immer er ausübte, einfach nur Theater spiele — oder zu spielen versuche —, somit eine Marionette sei und als solche ersetzbar, austauschbar. Nicht umsonst gibt Greene seinen Protagonisten die Dutzendnamen Smith, Brown und Jones und versucht vor allem an Hand der Charaktere von „Major“ Jones und Mr. Brown, von denen der eine zu guter Letzt quasi in die Haut des anderen schlüpft, seine These zu beweisen. — Greene, Glenville und damit der Film zeichnen das Leben als „Großes Welttheater“, in dem jeder die ihm zrugewiesene Rolle mehr oder weniger freiwillig zu spielen hat.

Seinen besonderen Reiz gewinnt der Streifen durch die hervorragende Besetzung: Richard Burton kann als Hotelier Brown einmal mehr seine schauspielerische Vielfältigkeit unter Beweis stellen, Alec Guinness ist endlich wieder einmal so gut, wie man ihn in Erinnerung hat und Elisabeth Taylor sieht blendender aus denn je, spielt auch gut, ist allerdings, obwohl ihr das Drehbuch vorschreibt, eine Deutsche zu spielen, absolut undeutsch. Ernst Nießner

Daß es recht aufschlußreich sein kann, sich immer wieder über die Lebensgewohnheiten und Spezialitäten des Daseins anderer Völker zu informieren, bewies wieder einmal in der Serie „Sonntag in Europa“ der von Eric Suchen gestaltete und von Alfred M. Niki photographierte Beitrag über Brüssel, der uns die Belgier erfreulich menschlich nahebrachte, ohne besonderen emotionellen Aufwand zu betreiben. Man ließ Tatsachen sprechen. Ein System, das Teddy Podgorsky dann in seinem Sportpanorama bei dem Bericht über den Boxkampf zwischen Orsolics und Arcari zu erregender Faszination steigerte. Hier fielen alle Hüllen von dem Antlitz eines Menschen, dessen intimste Regungen hart und unbarmherzig den Kameraobjektiven preisgegeben waren. In dem Mienenspiel und den Ausrufen des Orsolics-Betreuers Marchart spiegelte sich das Geschehen im Ring packender wider als bei den Bildern der beiden Kämpfenden. Die Decouvrierung einer Persönlichkeit wurde hier zum konsequent verfolgten Selbstzweck, der einen in seiner rein menschlichen Indiskretion beinahe etwas angst und bange werden ließ.

Um ähnliche Durchleuchtungen von Situationen und Menschen, wenn auch nicht mit der gleichen Intensität, waren die „Horizonte“- Beiträge bemüht, die sich diesmal ausschließlich mit österreichischen Themen beschäftigten. Wobei die Reportage von Norbert Hochmayer über den erstaunlichen Lebensweg des ehemaligen Linzer Kellners Friedrich Jahn, mit Hilfe systematisch vertriebener Backhendln vielfacher Millionär zu werden, besonders interessant und symptomatisch für die Möglichkeiten unserer zeitgenössischen Gesellschaft und ihrem Streben zum Massenkonsum war. Auch der zweite Beitrag des gleichen Autors über die Verkaufserfolge einfacher Salben behandelte eine gleichartige Entwicklung,

Zum ergreifenden theatralischen Höhepunkt wurde die Direktübernahme von Arthur Millers Schauspiel „Der Tod des Handlungsreisenden“ aus dem Zweiten Deutschen Fernsehen. Es war zugleich Heinz Rühmanns Bildschirmdebüt in einer ernsten tragischen Rolle. Da flimmerte kein schrullig-humoriger Kauz an uns vorüber. Da formte auch nicht die Virtuosität eines großen Schauspielers einmal eine ernste Figur, sondern er ließ einen das zwischen selbst vorgetäuschten Hoffnungen und unerbittlicher Realität schwankende Dasein des alt und erfolglos gewordenen Vertreters Willy Loman mit bedrückender Wirklichkeit und voller Bitterkeit erleben. Wohl selten ist der seelisch-geistige Verfall eines Menschen, der schon die Grenzen der Geisteskrankheit streift, überzeugender wiedergegeben worden als in dieser großartigen Inszenierung von Gerhard Klingenberg. Nach dieser Aufführung fragte man sich unwillkürlich, wie man eigentlich dieser Femsehbear- beitung mit den ausgezeichneten Überblendungen der Visionen Lo- mans auf dem Theater mit seinen optisch beschränkten Mitteln noch etwas Gleichwertiges entgegensetzen könne. Käthe Gold als Lomans verhärmte Frau Linda ergänzte mit inniger Nuancierung diesen Abend einer inneren Erschütterung über ein Problem von lebensnaher Wahrhaftigkeit.

Nur mit einem Tag Zwischenraum kamen dann die laut Infratest populärsten Quizspielereien mit Vico Tor- rianis „Goldenem Schuß“ und dem unbestrittenen Quizmaster Hans Joachim Kulenkampfl und seiner Sendung „Einer wird gewinnen“ zu voller Breitenwirkung.

Unter das Motto „Die Revolte“ stellt Direktor Freihart den Spielplan 1968/69 für das Theater in Vorarlberg: Nach der Eröffnung am 21. September mit „Hamlet“ folgen Brėals „Die Husaren kommen“, Anouilhs „Lerche“, Millers „Hexenjagd“, Moliėres „Menschenfeind“.

1 Arminio Rothstein präsentiert in seinem Theater „Arlėąuin“ zu den Festwochen die „Dreigroschenoper“ von Brecht/Weill als Puppenspiel. Die Ausstattung entwarf der Maler Kurt Loew. Prominente Stimmen, wie Fritz Muliar, Nikolaus Paryla und Kurt Sowinetz, sprechen die Dialoge.

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