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Vor dem Bildschirm

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ZWEI EREIGNISSE drückten dem Fernsehprogramm in den vergangenen Wochen ihren Stempel auf: die Olympiade in Tokio und die Landtags- oder Gemeinderatswahlen in verschiedenen österreichischen Bundesländern. Demonstrierte die bildliche Wider gäbe der faszinierenden sportlichen Wettkämpfe im Fernen Osten überzeugend wieder einmal den Wert und die Großartigkeit der Erfindung des Fernsehens, das einem, über Zehntausende von Kilometern hinweg, eine beinahe hautnahe Teilnahme an packenden sportlichen Ereignissen ermöglicht, so erwies es sich im zweiten Fall als ein überbeanspruchter, um nicht zu sagen, mißbrauchter Tummelplatz lokaler Eitelkeit, durch welche die Geduld der Zuschauer auf eine harte Probe gestellt wurde. Denn es wimmelte während dieser „Wahlzeit“ in den aktuellen Sendungen — die „Streiflichter aus Österreich“ haben sich die Parteisekretariate anscheinend als besonders beliebtes Objekt und spesensparenden Werbeträger auserkoren — nur so von Mandataren, die keine Gelegenheit versäumten, um sich mit kernigen Worten und entsprechendem G’schau bei der Eröffnung von Brücken, Kinderheimen oder Zuchtviehausstellungen in mehr oder minder gelungenen Großaufnahmen vor der Kamera zu produzieren. Der Fernsehnormalverbraucher weiß wohl, daß ihm solche „Belangsendungen“ in Zeiten des Ringens um die Wählerstimmen nicht erspart bleiben, aber er wäre doch für eine möglichst konzentrierte und auch etwas einfallsreichere Gestaltung dankbar. Vielleicht könnten diese Einschaltungen dann doch noch etwas von jener werbenden politischen Orientierung gewinnen, die jetzt nur im Gefühl ermüdeter Gleichgültigkeit einmündet.

DAS NEUE STUDIENJAHR im Französischkurs „Les Français chez vous“ des elegant-charmanten Professors Georges Creux wurde durch die Begegnung mit seiner telegenen neuen Assistentin Ulli Petek bereichert. Die zweiund- zwanzigjährige Studentin gehörte schon auf den Schulbänken des Lycée français in Wien zu den eifrigen Schülerinnen des allgemein beliebten Professors.

DIE BUNDESLÄNDLICHE AUFLOCKERUNG scheint der Heinz-Conrads-Sendung „Was gibt es Neues?“ und ihrem Gestalter ganz gut zu bekommen, wie man nach den ersten Kostproben aus Graz und Klagenfurt feststellen konnte. Jedenfalls lieferten vor allem die Kärntner mit ihrem Arnoldsteiner Chor und anderen Attraktionen den Beweis, daß sich in der „Provinz“ noch immer erfreuliche Entdeckungen machen lassen.

ES WIRD NIEMANDEM EINFALLEN, darüber zu murren, daß die täglichen Übertragungen aus Tokio nicht immer zu den im Programm angegebenen Zeiten begannen oder endeten. Auf dem Weg über Fernsehsatelliten im Weltall und Transporte mit Düsenmaschinen können sich schon Zeitverschiebungen einschleichen, die auch die geschickteste und ausgeklügeltste Organisation nicht vorausberechnen oder gar verhindern kann. Ärgerlich wird die Sache erst, wenn man mit der Pünktlichkeit dort Schindluder treibt, wo es wahrlich nicht notwendig ist. So begann am Dienstag, dem 20. Oktober, das Abendprogramm mit 16 Minuten Verspätung, nur weil einem da gute zwei Dutzend Werbespots und zwei Wahlfilme entgegengeschleudert wurden. An einem Sonntagabend wiederum, an dem der überlange Spielfilm „Jules und Jim“ gezeigt wurde, dessen Problematik ohnehin nur eine intellektuell interessierte Zuschauerschicht ansprach, entfiel anschließend der als aufmunterndes Intermezzo angekündigte Kurzfilm überhaupt. Es wird einem doch keiner weismachen wollen, daß die für die Zeiteinteilung des Programms Verantwortlichen nicht schon lange vorher gewußt haben, wie lang der Spielfilm ist. Oder sollten sie diese Zeitfeststellung erst wirklich während des Programmablaufes getroffen haben? Dann üben sie die ihnen übertragene Tätigkeit nicht mit der nötigen Gewissenhaftigkeit aus. Oder aber das Ganze ist das deutliche Symptom organisatorischer Mängel, die ebenfalls ausgemerzt gehören. In einer Zeit, in der beinahe 90 Prozent der Sendungen aus Filmen oder Aufzeichnungen bestehen, deren Dauer mit der Stoppuhr schon voraus bestimmbar ist, sind diese ständigen Terminverschiebungen unentschuldbar.

RECHT GUT BESTÜCKT UND INTERESSANT war in der letzten Zeit das literarische Theaterprogramm. Die vom Salzburger Europa-Studio übernommene Aufführung der Komödie „Das Pferd" des ungarischen Autors Julius Hay, in dem er Cäsarenwahn und Personenkult des römischen Imperators Caligula bis in die Gegenwart weiterspann, gewann in der gekonnten Bildregie Erich Neubergs und mit Hannelore Schroth sowie Klausjürgen Wussow in den Hauptrollen auch für den anspruchsvollsten Fernseher Format. Altbewährte Güte strahlte die Burgtheateraufzeichnung der Nestroy-Posse „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ aus, die uns zugleich erneut den schmerzlichen Verlust Franz Böheims empfinden ließ. Erfreulich war auch die Erstbegegnung auf dem Fernsehschirm mit Paula Wessely in der englischen Gesellschaftskomödie „Eine Frau ohne Bedeutung“ von Oscar Wilde. Die aus Deutschland übernommene amerikanische Version der „Orestie“ in der gelungenen Inszenierung von Ludwig Cremer zeigte eindrucksvoll das große Talent der jungen Wiener Schauspielerin Ulli Philipp in der Rolle der Elektra. Ihre steigende Erfolgskurve auf deutschen und seit neuestem auch auf französischen Fernsehschirmen wird in ihrer österreichischen Heimat jedoch nur wenig beachtet. Ebenfalls für literarische Feinschmecker war auch der Abend mit den drei Einaktern von Luigi Pirandello.

IDEALISTISCHE LIEBE ZUM METIER und tiefe, genaue Kenntnis der kindlichen Psyche verraten die für die kleinsten Fernseher gedachten Darbietungen, bei denen Anni Bondi und ihre ambitionierten Handpuppenspieler die wohlvertrauten Gestalten von Kasperl, Kellermännchen und Großmutter an wißbegierig-kritischen Kinderaugen vorüberziehen lassen.

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