6678831-1961_34_14.jpg
Digital In Arbeit

Vor dem Bildschirm

Werbung
Werbung
Werbung

ÜBERRASCHEND SPÄRLICH GESÄT waren in den vergangenen, an Festspielen so reichen Wochen die Festspielübertragungen. Von den Melker Sommerspielen sah man nur eine Aufzeichnung des Lustspiels „W a s Ihr wollt” von Shakespeare. Die intime Atmosphäre der Aufführung vor deut Gartenpavillon kam der Übertragung auf dem Bildschirm sehr entgegen, und so konnte die Bildregie (Wolf Dietrich) einen sehr lebendigen Eindruck der Inszenierung — mitsamt dem Spiel des Sonnenlichtes und dem Gezwitscher der Vögel — vermitteln.

ALIS BREGENZ wurde in einer Eurovisionssendung die komische Oper „F r a D i a v o 1 o” von Auber übertragen. Auch hier konnte das Fernsehen (Bildregie: Hermann Lanske) dem Zuschauer ein überzeugendes Bild des turbulenten Geschehens auf der Bühne geben.

DIE GRENZEN DES FERNSEHENS hingegen zeigten sich wieder einmal bei der Eurovisionsübertragung des Prokofieff- Balletts „Romeo und Julia” von der Seebühne in Bregenz. Hier erhebt sich ernstlich die Frage, ob die Vermittlerrolle des Fernsehens überhaupt noch erfüllt wird, wenn es die Weite der Seebühne und die Großzügigkeit der choreographischen Bewegung so gar nicht mehr bewältigen kann und wenn von dem Zauber der nächtlichen Aufführung vor der Kulisse des Bodensees nichts anderes bleibt als einige solistische Szenen, die zwar sehr eindrucksvoll sind, aber doch merkbar unter der (für das Fernsehen) ungünstigen Beleuchtung leiden.

IM KINDER- UND JUGENDPROGRAMM gab es wieder einmal ein richtiges Fernsehspiel: „Der kleine Kadi”. Unter der Regie von Peter Dörre bemühten sich namhafte Darsteller (unter ihnen Paul Richter als Harun al Raschid) mit sichtlichem Vergnügen um die stilvolle Gestaltung dieses Märchens aus „Tausendundeiner Nacht”. Ulli Philipp gab mit bezwingender Natürlichkeit den Titelhelden. Dafl die übrigen Kinderdarsteller nicht ganz die wünschenswerte Unbefangenheit besaßen, wird die Kleinen unter den Zuschauern sicher nicht gestört haben.

DER JUGEND GEWIDMET war auch eine Sendung zum Fest Mariä Himmelfahrt: die dritte Folge der Reihe „Besinnliches Kalendari u m”. In recht ansprechender Weise wurde über das Leben Mariens, über Marienfeste und über damit zusammenhängende Bräuche. berichtet. Aber die unvollständige Beantwortung angeschnittener Fragen (wie die nach der Marien- verehrung der Protestanten), sachliche Ungenauigkeiten (wie die Angabe, daß zwischen der Flucht nach Ägypten und der Kreuzigung die Mutter Gottes in der Heiligen Schrift nicht erwähnt werde) und gleich mehrere sehr störende Versprecher, die unkorrigiert geblieben sind, sollten gerade in einer Jugendsendung nicht vorkommen. Auch die Ähnlichkeit des Titels mit dem Untertitel der Sendereihe „Hauskalender für Stadt und Land” müßte vermeidbar sein.

ZU EINEM VERGLEICH forderte die unmittelbare Aufeinanderfolge zweier Filme über zwei verschiedene Varianten des gleichen Grundthemas heraus: über den Weg ehemaliger Kolonialvölker in die Selbständigkeit. Der Dokumentarbericht „J a- m a i c a” trug deutlich den Stempel der Persönlichkeit des Autors Peter von Zahn. Da steht der Berichter spürbar — und sichtbar — inmitten der geschilderten Situationen, nimmt ganz persönlich Stellung dazu und zwingt so gerade den Zuschauer am Bildschirm zu einer inneren Anteilnahme, über der man da und dort auftretende — und zum Teil durch die so ansprechende Art der Berichterstattung bedingte — Mängel gerne vergißt. Dagegen mußte der glatte, unpersönliche, ja geradezu steril wirkende „ifag” -Bericht „C o nakr y” natürlich abfallen, der nach dem üblichen „Kulturfilm”-Schema vorwiegend äußere Erscheinungen und Tatsachen kühl und sachlich festhielt, dabei nur selten weiter unter die Oberfläche der Dinge drang und so den Beschauer zwar interessieren, aber kaum berühren konnte.

ÜBERDURCHSCHNITTLICH GUT GESTALTET sind die Filme der Reihe „Mit der Kamera in Afrika” von Armand und Michaela Denis. Wie hier aus ganz ausgezeichneten Aufnahmen aus freier Wildbahn gute und eindrucksvolle Filmberichte gestaltet wurden, das könnte manchem, unter weniger schwierigen Bedingungen zustande gekommenen „Fernsehfilm” als Vorbild dienen.

ERSCHÜTTERND war der Hiroshima-Bericht „Strahlen aus d e r A s c h e”, von Dagobert Lindlau nach einem Buch von Robert Jungk gestaltet. In eindrucksvoller Weise waren hier die sehr dezent (um nicht zu sagen: zu dezent) gezeigten Folgen und Spätfolgen der Atombombe dem Leben und Treiben im Hiroshima unserer Tage gegenübergestellt. Deutlicher als etwa durch die Großaufnahmen der Gesichter von Besuchern des Atommuseums kann nicht geschildert werden, mit welchem Mangel an innerer Anteilnahme heute jene Menschen diesem furchtbaren Geschehen gegenüberstehen, die es nicht selbst miterlebt haben.

GEHALTEN HAT die zweite Sendefolge der vom Deutschen Fernsehen übernommenen Reihe „Das Fernsehgericht tagt”, was die erste versprochen hatte. Wieder gab es eine — auch durch die zugrunde liegende Problematik — interessante Verhandlung, wieder boten die aus dem Stegreif agierenden Darsteller überwältigende Leistungen: Man scheut sich geradezu, das Wort Darsteller zu verwenden, so verwachsen schienen sie mit den Menschenschicksalen, die sie zu gestalten hatten. Wenn man sich in Zukunft schon bei der Aufnahme darüber im klaren wäre, daß die drei Teile der Verhandlung an verschiedenen Tagen gesendet werden, daß man also die Verhandlung jeweils „vertagen” und nicht nur „unterbrechen” müßte, wäre ein die Erlebnisintensität des Zuschauers beeinträchtigender Schönheitsfehler beseitigt.

UNBEDINGT ABZULEHNEN ist es, wenn in unvorhergesehenen Pausen irgendwelche Kurzfilme gezeigt, dann aber vorzeitig abgebrochen werden, wie es offensichtlich immer wieder geschieht: denn es kann nicht angenommen werden, daß so viele dieser Filme ein so abruptes und unmotiviertes Ende haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung