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Webern-Premiere

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Die europäische Erstaufführung der „Drei Stücke für Orchester“ (op. posth.) von Anton von Webern im 2. „Philharmonischen“ unter Eugene Ormandy hat unser Webern-Bild zwar nicht um neue, dafür aber um überaus kostbare Akzente bereichert. Die drei Miniaturen, entstanden im Herbst 1913, weisen die gleiche aphoristisch-lockere Faktur und Strukturbildung, die extreme Verdichtung des Gehalts und der Aussage bei zunehmender Reduktion des Substanziellen auf wie Weberns Opus 10. Sie überraschen durch die gleichen pointillistischen Prinzipien der Farbenkombination. — Die Aufführung durch die Wiener Philharmoniker im Großen Musikvereinssaal überzeugte durch optimale Durchgestaltung und klare Linien, wurde jedoch in ihrer Wirkung durch die darauffolgende knallige Wiedergabe von Straussens „Till Eulenspiegel“ wesentlich beeinträchtigt. Bartöks fünfteiliges „Concerto“ geriet in ausgewogenen Stimmungsbildern: das Orchester brillierte besonders im rasanten Fugato-Finale. Haydns D-Dur-Symphonie Nr. 101, „Die Uhr“, wurde frisch, mit kräftigen Konturen musiziert.

Daß der junge Wiener Pianist Hans Petermandl sich allmählich zum Schubert-Interpreten von Format entwickelt, wird nach seinem letzten Abend im Mozart-Saal kaum noch jemand bezweifeln. Die 1825 entstandene C-Dur-Sonate (D 840), übrigens ein Fragment, das auch „Reliquie“ heißt, die vier Impromptus (D 935) und die große C-Dur-Fantasie (D 760) waren ihm Anlaß, seine Schubert-Auffassung mitzuteilen: sie stellt sich dem Hörer als glückliche Verbindung aus analytisch-synthetischem Denken, sensitivem Empfinden und einer Portion Naivität dar, die den Wiedergaben den Hauch melancholischer Romantik, das Fluidum leiht. Beachtlich war, wie Petermandl diese extrem monologisch konzipierten Stücke aufzubauen, mit wieviel Kultur er sie zu pointieren wußte. Das bißchen Einförmigkeit, das noch über mancher ausladenden Passage lastet, wird er wohl bald auszumerzen wissen.

Allerheiligen und Allerseelen fanden diesmal im Fernsehprogramm in angemessener und ansprechender Form Würdigung. Schon am Sonntag vor Allerheiligen führte das Fernsehspiel „Die Überfahrt“ von Sutton Vane in das Transitorium vom Diesseits ins Jenseits. Sieben Menschen aut einem Totenschiff; sie wissen noch nicht, ob sie tot sind oder noch leben, kommen langsam zum Bewußtsein ihrer Selbst, ihrer Möglichkeiten und ihrer Versäumnisse. Ein hervorragendes Ensemble, darunter vor allem Paula Wessely, bemühte sich um dieses interessante Fernsehstück. Am Vorabend von Allerheiligen zeigte man uns in einer deutschen Produktion das geistliche Spiel von Christopher Fry „Ein Schlaf Gefangene r“. Vier englische Soldaten, gefangen und in einer Kirche eingesperrt, identifizieren sich in ihren Träumen mit Personen des Alten Testamentes. Im Traum und im Wachen aber verknüpfen und verweben sich ihre persönlichen Schicksale. Christopher Frys poetische, aber nicht immer leicht verständliche Sprache fand durch die Schauspieler eine hervorragende Wiedergabe. Auch die Übergänge von Traum und Wachen wurden in dieser Fernsehinszenierung ausge-

zeichnet gelöst.

Am Allerheiligentag selbst zeigte uns das österreichische Fernsehen mit dem „Zwischenfall in Antiochia“ von Rudolf Henz eine österreichische Eigenproduktion. In dem Ereignis in Antiochia — eine Zeile aus einem Apostelbrief berichtet uns davon — geht es um die Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus in der Frage, ob die Heidenchristen auch das jüdische Gesetz mit übernehmen müssen. Paulus, so heißt es, widerstand dem Apostel Petrus im Angesicht, er setzte seine Meinung, die Freiheit vom Gesetz, durch. Das ist aber nur die eine Seite. Wir sehen ein Studententheater, das dieses Stück probt. Zwischen den Proben aber werden heftige Diskussionen zwischen den Schauspielern, dem Dichter und dem Regisseur geführt. Auch hier geht es um die Frage Freiheit und Gesetz. Schließlich taucht sogar ein Priester auf, ein P. Diego Götz, dargestellt von P. Diego Götz. Es ist ein Beweis für die dichterische Kraft des Autors, daß Auseinandersetzungen um theologische Fragen in ihrer brennenden Aktualität erlebt werden können, daß nicht nur die Studenten bei der Probe, sondern auch die Zuschauer das Gefühl haben, es geht nicht nur um ein Ereignis vor 1900 Jahren, es geht auch um unsere Gegenwart.

Am Allerseelentag sprach P. Bernhard Liss in der Sendung „Christ in der Zeit“ in seiner sanften, aber sehr eindringlichen Art über Werden und Vergehen, Leben und Tod. Am Abend konnten wir in der Reihe „Das größte Theater der Welt“ unter dem Titel „Pitchi P o i“ die zwanzigjährige Odysse eines jüdischen Mädchens erleben, das seine Mutter sucht.

4 50 Jahre Protestantismus auch in Österreich war der Tenor der diesjährigen Reformationsfeiern, von denen das Fernsehen die Feierstunde aus dem Saal der steirischen Arbeiterkammer übertrug. Mit dem „Bürgerkrieg in Rußland“ befaßte sich eine Dokumentation von Helmut Andics, deren ersten Teil, die „Oktoberrevolution 1967“, wir am Freitag sahen. Als Dokumentation sah man einige alte Filmausschnitte, das meiste war frei gestaltetes Spiel. Die Übergänge von originalen Wochenschaubildern zu den Bildern der Spielhandlung waren zwar meist sehr gelungen, trotzdem wurde man aber in der Spielhandlung selbst den Verdacht nicht los, daß manchmal allzuviel Papier raschelte.

Eine Dokumentation anderer Art, einer sehr traurigen und sehr beschämenden Art, konnten wir am Sonntag im Fernsehen miterleben, die wüsten Rauf- und Krawallszenen im Wiener Stadion beim Fußballspiel Österreich gegen Griechenland, (s. Querschnitt „Fußballkrieg“)

Am Sonntag im Vorabendprogramm sahen wir den ersten Teil einer Serie, die sich mit den österreichischen Landschaften befassen soll. Wenn eine Serie anläuft, soll man mit dem Urteil vorsichtig sein. Bei diesem Streifen, er sollte uns das Marchfeld zeigen, stimmt es weitgehend hinten und vorne noch nicht. —j>

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