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Vor dem Bildschirm

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DIE PANTOMIME ist eine Kunstform, die sich dem Menschen ausschließlich durch das Schauen, also über das Auge, erschließt. Obzwar für die Wirkung auf den Zuschauer ohne Zweifel auch die Persönlichkeit des Künstlers maßgeblich ist, die über die Rampe auf ihn ausstrahlt (daß auf dem Gebiet der Pantomime nur starke Persönlichkeiten zu finden sind, mag dies bestätigen), so erscheint es doch naheliegend, von der Pantomime eine fühlbare Wirkung auch über den Bildschirm zu erwarten. Wenn man sich dabei nicht damit begnügt, pantomimische Darbietungen einfach von der Bühne weg zu übertragen, sondern wenn man versucht, eine geeignete Synthese zwischen den Stilmitteln der Pantomime und den Ausdrucksmitteln des Fernsehens zu schaffen, so ist ein Erfolg wohl mit Sicherheit zu erwarten. Das österreichische Fernsehen hat den Beweis dafür erbracht: In einer Gemeinschaftsproduktion mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen hat es in einer „Mimo Vision“ betitelten Sendung den bekannten und faszinierenden Samy Molcho auf den Bildschirm gebracht. Gemeinsam mit dem Regisseur Dr. Kurt Stanzl hat Molcho hier tatsächlich eine eigene Form der Fernsehpantomime geschaffen, für die jede Vergleichsmöglichkeit fehlt. Die Tatsache allein aber, daß da über den Bildschirm Wirkungen und Eindrücke erzielt wurden, die auf der Bühne nicht möglich sind, zeigt, daß jedenfalls der richtige Weg eingeschlagen wurde. Samy Molcho gab in den drei Episoden ein überzeugendes Beispiel seiner großartigen Kunst, besonders in „Adam und Eva“ überbot er sich selbst in einer Dreifach- oder, wenn man die Schlange im Paradies dazurechnet, sogar in einer Vierfach-Rolle. Die Darstellungen der Eva und des Adam waren so überzeugend, daß sich der Zuschauer bei der Frage ertappen konnte, wer wohl von beiden nun gerade mit dem Arm die Schlange darstellt. Darüber hinaus war die Transponierung des Adam-und-Eva-Themas in die heutige Zeit vorzüglich gelungen. Insgesamt jedenfalls war diese Sendung ein äußerst lobenswerter Versuch, und ein überaus erfolgreicher noch dazu.

DRÄNGENDE PROBLEME unserer Zeit, die in ihrer zukunftweisenden Bedeutung vielfach kaum beachtet werden, weil sie der einzelne im allgemeinen gar nicht überschaut, führt der bekannte Publizist Robert Jungk in seiner Sendereihe „Europa — Richtung 2000“ den Zuschauern eindringlich und drastisch vor Augen. Man ahnt die Mühe, mit der diese Aufnahmen aus allen Teilen der Welt zusammengetragen sind, und man spürt die Besessenheit, mit der Jungk diesen Problemen nachgeht, und mit der er deren Lösung herbeizwingen möchte. Diese Sendereihe ist ein Beispiel dafür, welche Funktionen dem Fernsehen in unserer Zeit zukommen, und welche vielfach noch ungelösten Aufgaben seiner harren. Hier wird der Zuschauer, ohne daß er sich dessen im Augenblick recht bewußt wird, durch eine interessante und spannende Sendung dazu gebracht, sich über jene Dinge Gedanken zu machen, mit denen sich heute jeder halbwegs intelligente Mensch beschäftigen sollte, weil nur dann Aussicht besteht, daß die damit zusammenhängenden Probleme — und es sind sehr grundlegende und wesentliche Probleme — überhaupt einer auch nur halbwegs akzeptablen Lösung zugeführt werden können.

FRAGEN, die für uns und für die kommenden Generationen von grundlegender Bedeutung sind, werden auch in der Sendereihe „Städte von gestern — Städte von morgen“ behandelt. Womit hier der Zuschauer durch Bild und Wort konfrontiert wird, könnte ihm auf keine andere Weise mit gleicher Eindringlichkeit und mit gleicher Herausforderung zur Bildung einer eigenen Meinung nahegebracht werden. Aber es erscheint wohl müßig, den Wunsch auszusprechen, derartige Sendereihen mögen Schule machen.

DURCH SCHAUSPIELERISCHE GLANZLEISTUNGEN aller Mitwirkenden war das vom österreichischen Fernsehen als Eigenproduktion inszenierte Fernsehspiel von Ted Willis „Die Verantwortlichen“ ausgezeichnet. Der Autor, der bereits sein Einfühlungsvermögen in die geistig-seelische Situation der Jugend auf dem Bildschirm bewiesen hat, zeigt hier mit schonungsloser Offenheit, wie die sogenannten Erwachsenen, nur sich selbst sehend, die Jugend um einen harmlosen Glückstraum bringen und durch ihr Eingreifen gerade das herbeiführen, was sie glauben verhindern zu müssen. Liselotte Plauensteiner und Rainer von Artenfels, Marianne Gerzner und Herbert Probst, Helly Servi und Robert Dietl vor allem verliehen, unterstützt durch die vorzügliche deutsche Übersetzung von Lida Winiewicz und unter der einfühlsamen Regie von Walter Davy, den Figuren allesamt eine beklemmende Echtheit. Die Kameraführung wurde der anspruchsvollen Bezeichnung „Fernsehspiel“ durchaus gerecht.

MEHR ALS BESCHEIDEN war das Filmchen „Der gestohlene Kaktu s“. Was sich als Novelle von Carel Capek doch unterhaltsam lesen mag, war für den Fernsehschirm --jedenfalls in der verwendeten Bearbeitung und

trotz einzelner netter Bildideen — unzureichend. Da nützten auch Namen wie Hans Thimig, Bruno Hübner, Hugo Gottschlich, Armand Ozory, Wolfgang Hebenstreith und Wolf gang Glück (Regie) nichts. Ob man überdies eine Sendung — mag sie für die Erwachsenen unterhaltend sein oder nicht — ows der man mühelos die Moral „Stehlen lohnt sich“ herauslesen kann, unbedingt am frühen Sonntagabend bringen muß, sei dahingestellt.

OHNE RÜCKSICHT auf die Fernsehzuschauer werden nach wie vor die angekündigten Programmzeiten nicht eingehalten. Wie will man das Publikum zu dem vom Fernsehen selbst — mit Recht — immer wieder geforderten „selektiven Sehen“ erziehen, wenn man sich auf die Beginnzeiten nicht verlassen kann? Dr. DANKWARD BURKERT

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