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GOTTESDIENST IM WOHNZIMMER

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Unter den modernen Massenmedien kommt, was die Wirkung auf den einzelnen Menschen betrifft, dem Fernsehen insofern eine ganz besondere Bedeutung zu, als es einerseits den einzelnen in der Intimsphäe seines Heimes, also ganz persönlich, anspricht und es anderseits durch die emotional betonte Wirkung des bewegten und tönenden Bildes und durch das faszinierende Erlebnis des zeitgleichen „Dabeiseins“ eine starke Suggestivkraft auszuüben vermag.

Die katholische Kirche wie auch die evangelische haben die dem Fernsehen innewohnenden Möglichkeiten längst erkannt und frühzeitig versucht, das Fernsehen ihrer seelsorgerischen Tätigkeit dienstbar zu machen. Ob die dabei immer noch mehr oder minder geübte Zurückhaltung angesichts des Umfanges, in dem sich andere Mächte der Massenmedien bedienen, noch gerechtfertigt ist, sei dahingestellt.

tt on den religiösen Sendungen hat die Übertragung von V Gottesdiensten die meisten Diskussionen hervorgerufen, vor allem auch innerhalb der kirchlichen Organisationen und unter den Gläubigen selbst. In der Tat werden damit grundsätzliche theologische Probleme aufgeworfen, die hier aber nur angedeutet werden können. Hingegen soll versucht werden, die sind primär aus den Möglichkeiten des Fersehens ergebenden Aspekte einer kurzen Betrachtung zu unterziehen.

Ein Vorwurf, der gegen die Gottesdienstübertragung im Fernsehen gelegentlich erhoben wird, ist der einer angeblichen Profanierung der heiligen Handlung. Sie ergibt sich aus dem, was gerade den wesentlichen Gewinn einer Übertragung ausmacht: die weite Verbreitung des Fernsehens, die Möglichkeit für sehr viele Menschen, den Gottesdienst miterleben zu können. Denn es ist dabei nicht zu verhindern, daß die Wiedergabe des Gottesdienstes im Einzelfall unter unpassenden, der heiligen Handlung nicht angemessenen Umständen erfolgt. Das Fernsehen verlockt jedenfalls dazu, dem Gläubigen wenigstens besonders bedeutungsvolle oder besonders feierliche Handlungen vor Augen zu führen, ihm dabei das Geschehen gegebenenfalls noch zu erläutern und ihn so zu einer geistigen Teilnahme anzuregen. Das beinhaltet eine Gefahr und eine weitere positive Möglichkeit: Die Gefahr, daß der Gottesdienst zu einem Schauspiel entwürdigt wird, die Möglichkeit, da und dort neues Verständnis für die heilige Handlung zu wecken.

Anderseits gäbe uns gerade das Fernsehen ein Mittel an die Hand. Menschen eine religiöse Handlung erleben zu lassen, die — etwa durch Krankheit oder durch das völlige Fehlen einer Gelegenheit — ansonsten nicht gesehen werden kann. Entscheidungen in diesen Fragen können von größter Tragweite sein.

Auf jeden Fall aber wird der Gläubige die Fernsehübertragung eines Gottesdienstes stets zum Anlaß einer ernsten Betrach tung nehmen. Was kann nun dazu getan werden, die Übertragung an sich entsprechend würdig zu gestalten?

eht man — wie man es wol.l verlangen muß — von dem Gedanken aus, daß die Fernsehübertragung eines Gottesdienstes die Gelegenheit zur Andacht geben soll, dann erscheint manche Gestaltungsfrage in einem neuen Licht. Das Prinzip, einen optisch wenig „ergiebigen“ Gottesdienst dadurch „fernsehgemäßer“ zu machen, daß man Architekturdetails, Plastiken und Gemälde des Andachtsraumes zeigt, bedürfte wohl einer ganz besonders vorsichtigen und überlegten Anwendung. Vielfach wird es die Andacht des Zuschauers eher stören als fördern und stellt so fast stets eine Konzession an den „Nur-Zuschauer“ dar. In diesem Sinne ist es darüber hinaus auch gar nicht mehr so wesentlich, daß die Bildfolge durch oftmaligen Wechsel der Blickrichtung und des Standpunktes, durch Fahrten und Schwenks belebt oder interessant gemacht wird. Natürlich darf das nicht Anlaß sein, bestimmte allgemeine Grundgesetze der Fernsehgestaltung zu vernachlässigen. Aber hier kann sich die Gottesdienstübertragung von jeder anderen Sendung wohl grundsätzlich unterscheiden.

Als viel wesentlicher erscheint es, daß der Gottesdienst wirklich live übertragen wird, daß der teilnehmende Zuschauer unbedingt das Gefühl und die Sicherheit hat, diesen Gottesdienst mitzuerleben. Die Übertragung der Aufzeichnung eines Gottesdienstes muß unter allen Umständen abgelehnt werden. Sie würde die heilige Handlung ganz zwangsläufig auf die Ebene des Theaters verschieben.

Sowenig nun etwas dagegen einzuwenden ist, daß etwa wählend einer Sportübertragung oder in den Pausen einer Theaterübertragung Zuschauer gezeigt werden — sie können ja am Ort des Ereignisses auch gesehen werden —, so problematisch wird dieses Vorgehen bei der Gottesdienstübertragung. Ganz abgesehen davon, daß nach dem weiter oben Gesagten die Notwendigkeit zu solchen „Zwischenschnitten“ gar nicht gegeben erscheint, muß man wohl annehmen, daß der einzelne im Gotteshaus Anwesende so in seine Andacht vertieft ist, daß er die Mitgläubigen nicht wesentlich beachtet. Dann darf man aber dem Andächtigen vor dem Fernsehschirm, der nolens-volens der Faszinationskraft des Bildes ausgesetzt ist, solche Bilder nicht aufzwingen. Dieserart läßt sich das Gestaltungsprinzip — wenigstens theoretisch — auf eine einfache Formel bringen: Man muß nur das zeigen, was der andächtige Zuschauer zu sehen erwartet.

Schwerer zu beantworten ist wohl die Frage, wie weit man in der Darstellung liturgischer Details gehen soll. Sicher hat der Standpunkt etwas für sich, daß man alles das zeigen darf, was der im Gotteshaus Anwesende auch sieht oder doch sehen kann. Doch sollte oberstes Gebot für die Kameraleute Takt und Diskretion sein! Für den andächtigen Fernsehzuschauer werden solche Nah- und Großaufnahmen die gleiche Wirkung haben, wie sie diese Art der Aufnahmen im allgemeinen eben hat: den Zuschauer stärker in die im Bilde gezeigte Handlung einzu-beziehen. Für den Gläubigen kann das ein Gewinn sein, den Ungläubigen aber wird die Gottesdienstübertragung so oder so wahrscheinlich gleichgültig sein.

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