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DIE VERANTWORTUNG DER ELTERN

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Ij* s gibt wohl kaum eine technische Erfindung, die inner--< halb so kurzer Zeit einen so tiefgreifenden Einfluß auf die damit in Berührung kommenden Menschen mit sich gebracht hat wie das Fernsehen. Nur selten wird sich der einzelne darüber Rechenschaft geben; so schnell auch diese Veränderungen in seinem Leben vor sich gegangen sind, so stellen sie doch eine Entwicklung dar, die kaum bewußt wird.

Drei wesentliche spezifische Eigenheiten des Fernsehens fallen als Ursache für diese Erscheinung ganz besonders ins Gewicht. Zum einen ist es die eindringliche Wirkung und die damit verbundene prägende Kraft, die das tönende bewegte Bild ausübt, oft unterstützt von dem Bewußtsein des Miterlebens.

Eng damit zusammenhängend, doch grundsätzlich davon zu unterscheiden, ist die Faszinationskraft, die von dem kleinen Bildschirm ausgeht, die den Menschen oft gegen sein besseres Wissen in den Bann zieht und die merkwürdigerweise Kinder auch dann erfaßt, wenn sie dem Inhalt der Sendung in keiner Weise zu folgen vermögen.

Schließlich ist es nicht nur ein Charakteristikum des Fernsehens, sondern auch ein wesentlicher Wirkungsfaktor, daß es in die Intimsphäre des Menschen eindringt, daß es in dessen eigenen vier Wänden, in der gewohnten Umgebung, inmitten der Familie seine Wirksamkeit entfaltet.

Alle diese Erscheinungen haben nun dazu geführt, daß immer wieder die Forderung nach einem Schutz der Kinder vor den durch das Fernsehen verursachten Gefahren erhoben wird. Das Fernsehen, so argumentiert man gerne, müsse aus seinem Programm alles fernhalten, was den Kindern in irgendeiner Weise schädlich sein könnte.

Nun ist aber schon die Definition dessen, was für die Kinder schädlich ist, außerordentlich schwierig, wenn nicht problematisch, da ja für diese Frage schon die Umwelt der Kinder mitbestimmend ist. Beispielweise können Dinge, die für ein Landkind als gefährdend erachtet werden müssen, bei einem Großstadtkind bereits einen Bestandteil seiner natürlichen Erfahrung darstellen. Letztlich könnte man fast überall, auch in jedem Bericht über ein. Verbrechen oder eine Katastrophe, eine Gefahr für das kindliche Gemüt erblicken. So betrachtet, müßte sich das Fernsehen, wenn man es selbst für einen Schutz der Kinder verantwortlich machte, auf ein Kinder- und Märchenprogramm beschränken, es müßte sich aber auch mit einer nur kurzen täglichen Sendezeit begnügen, da ja nicht allein der Inhalt der Sendungen einen schädlichen Einfluß auf die Kinder befürchten läßt, sondern auch die Fülle des Gebotenen, die Reizüberflutung.

Es ist nun einmal so, daß es sehr vieles gibt, was dem Erwachsenen dient, sei es zur Bildung, zur Information, zur Erhebung oder zur Unterhaltung, und was für Augen und Ohren der Kinder nicht, das heißt nämlich noch nicht, geeignet ist. Es mag in diesem Zusammenhang erwähnenswert sein, daß bei den vor einigen Jahren in Wien abgehaltenen Filmstudientagen des Internationalen Katholischen Filmbüros ganz deutlich ausgesprochen wurde, daß es sehr wohl zahlreiche Filme gibt, die zwar für Kinder und Jugendliche nicht geeignet sind, aber für Erwachsene unzweifelhaft einen ethischen und künstlerischen Wert im besten Sinne des Wortes darstellen.

Das Problem liegt auf einer anderen Ebene. Was die Kinder sehen und hören dürfen, fällt allein und ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Eltern. Sie haben darüber y.u entscheiden, an welchen Sendungen ihre Kinder teilnehmen können, und es gehört zu ihrer Erzieheraufgabe, diese Entscheidung auch durchzusetzen. Daß sich mit diesem Entscheidungszwang der Verantwortungsbereich der Eltern erweitert, ist selbstverständlich. Das gilt aber für alles, was neu in die Sphäre des Kindes hineingebracht wird.

Diesen Überlegungen wird sehr oft entgegengehalten, daß Eltern zwar solche Entscheidungen treffen, daß ihnen aber aus vielerlei Gründen und mit Hinblick auf die Faszinationskraft des Fernsehens oft nicht möglich sei, zu erreichen, daß sich die Kinder auch an diese Entscheidung halten. Dieser Vorwurf kann aber nur die Eltern selbst treffen und nicht das Medium Fernsehen. Wenn in einem Haushalt Zündhölzer verwendet werden, so ist es allein Sache der Eltern, einen Mißbrauch durch die Kinder zu verhindern. Niemandem würde es einfallen, im Falle eines Brandes die Zündholzhersteller dafür verantwortlich zu machen.

Aber es scheint, daß heute die Erwachsenen oft zu sehr beansprucht sind, durch das Auto, durch die Party, auf der man zeigt, wer man ist und was man hat, durch die Urlaubsreise nach Caorle oder auf die Kanarischen Inseln oder eben durch das Fernsehen, als daß sie genügend Zeit hätten, sich der Erziehung ihrer Kinder in dem Maße zu widmen, das eben nötig ist, und das gerade heute durchaus größer sein mag als in früheren Zeiten.

Daß sich das Fernsehen selbst bei der Auswahl seiner Sendungen an allgemeine moralische und ethische Normen zu halten hat und auch hält, bedarf wohl keiner Erwähnung. Daß das allein für den Jugendschutz nicht genügen kann, ist ebenso selbstverständlich. Damit aber, daß das Fernsehen bei der Programmgestaltung etwa einen strengeren Maßstab anlegt, als es bei der Auswahl der Filme für die Kinos geschieht, daß es eigene Kinder- und Jugendprogramme bringt, daß es für die Jugend nicht geeignete Sendungen in die späteren Abendstunden verlegt und daß es in der Programmankündigung und in der Ansage die Eltern ausdrücklich darauf aufmerksam macht, wenn es sich um eine für Kinder oder Jugendliche nicht geeignete Sendung handelt — und das sogar bei der Übertragung öffentlicher Theateraufführungen! —, damit hat das Fernsehen in dieser Hinsicht wohl seine Pflicht getan. Was von den dargebotenen Sendungen die Kinder zu sehen bekommen, liegt einzig und allein in der Verantwortung der Eltern.

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