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Tendenzen hör’ ich wohl...

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Theater am Börseplatz: Mit Brechts Exilstück „Die Gewehre der Frau Carrar“ aus dem Jahre 1?37 bescheren die Komödianten ihrem verwöhnten Publikum einen jener Abende, die man in gleicher Weise ablehnt und begrüßt. Dieses, weil es sich um eine österreichische Erstaufführung des bedeutenden Autors handelt, jenes, weil die hier demonstrierte politische Tendenz und künstlerische Methode als antiquiert angesehen werden muß. Die „Moral“ der Geschieht (von der Mutter Carrar, die ihre Söhne nach Verlust des Mannes aus dem Spanischen Bürgerkrieg heraushalten will, weil sie sich dadurch nach einem Sieg der Faschisten Schonung verspricht, aber später einsieht, daß die „drüben“ keine Menschen sind, und schließlich mit Sack und Pack in den Befreiungskrieg zieht) ist nach Maß für den kleinen Mann — simpel und phraseologisch, das Stück selbst ein wenig sentimental, ein wenig pathetisch, kurz: ein wenig schwach. Brecht wußte das, wenn er auch die Schwäche in der Technik suchte und im Prügelknaben „aristotelische (Einfühlungs-) Dramatik“ fand. Daher die spätere Empfehlung, das kleine Stück gemeinsam mit einem Film oder „irgendeiner propagandistischen Veranstaltung“ aufzuführen. Eben. Ist die Kunst nicht Holzhammer genug, die Partei weiß einen größeren. Und dem Revolutionär ist ja bekanntlich jedes Mittel erlaubt ... Dieser primitive Fanatismus ist natürlich Balsam auf unsere Atomwunden. Die Aufführung unterstreicht noch den Agitationscharakter des Ganzen auf eine eindringlich penetrante Weise. Man muß ihr Anerkennung zollen, zu überzeugen vermag sie nicht. Man kann dieses Stück nicht ungestraft verfremden, kann das Publikum nicht zum Idioten stempeln, dem mühsam das Einmaleins der logischen Konsequenz eingehämmert werden soll, kann es vor allem nicht an einem Stück, das es nicht verträgt. Demonstriert man Stimmung, provoziert man Langeweile. Daher arbeitete Conny Hannes Meyer bravourös mit falschen, wenn auch agitationskonzessionierten Mitteln und drillte seine Schauspieler, die zum Teil eine recht unzulängliche Sprechtechnik haben (Ausnahmen: Ilse Scheer und Otto Zoncsits), im Sinne des Meisters. Das beachtliche Bühnenbild von Erwin Piplits wäre noch beachtlicher, stammte auch die Idee von ihm; an der sorgfältigen Programmheftgestaltung sollten sich andere Bühnen ein Beispiel nehmen. — Selten ist noch mit so viel Sicherheit und hohem Einsatz auf ein falsches Pferd gesetzt worden.

Experiment am Lichtenwerd: Unter den absurden Dramatikern

Deutschlands 1st Wolfgang Hildesheimer (Jahrgang 1916) einer der bekanntesten. Als österreichische Erstaufführungen brachte das Experiment „Unter der Erde“, ein Hörspiel, und „Nachtstück“, den längeren Einakter über einen Mann, der sein Schlafbedürfnis zum Ritual avancieren läßt, heraus. Das quasi dramatisierte Hörspiel erwies sich als brauchbare Parabel. Der Abgesang des Schlaflosen jedoch, obwohl er vielversprechend beginnt, ist von einer geradezu unwahrscheinlichen Geschwätzigkeit: Die Rhetorik ersetzt Poetik, Sinn und Dramatik zugleich, das Ressentiment den Gedanken. — Unter der bemühten, aber anscheinend etwas ratlosen Regie von Walter Boris Fischer bot vor allem Peter Geiger eine solide Leistung. Ausgezeichnetes Bühnenbild von E. Plaene.

Die Arche: Einen mehr gedanklich als dramatisch anspruchsvollen Abend kann sich jede Bühne, speziell wenn sie klein ist, einmal leisten. In der Ebendorferstraße brachte man daher nach dem erfolgreichen Queneau das Dialogstück „Ödipus“ von Andrė Gide. Es geht dabei um das Bemühen jedes Men-

sehen, einen gangbaren existenziellen Weg zu finden, den er vor anderen rechtfertigen kann. Für Ödipus, den humanistischen Atheisten Gidescher Prägung, ist das Glück auf Kosten anderer, eines, das auf „Trug und Unwissenheit ruht“, nicht akzeptabel und wird zur Schuld. Ödipus bezahlt seine Schuld... — Es ist dankenswert, daß dieses interessante Stück zur Diskussion gestellt wurde, auch wenn man seine Weltanschauung nicht teilen mag. Die Aufführung unter der Regie von Peter Huemer erreicht zwar keine besonderen Höhepunkte, bringt die Sache aber auch ohne Zwischenfälle über die Runden. Und das ist schon etwas wert.

Theater im Palais Erzherzog Karl: Zwar ist es richtig, daß Arkadij Awertschenko, von dem in österreichischer Erstaufführung einige Skizzen unter dem Titel „Nur keine Hemmungen“ gezeigt werden, ein echter Humorist war, unrichtig hingegen ist die Annahme im Programmheft, Humoristen wollten durch Aufzeigen von Lächerlichkeiten „unfehlbar tödlich“ wirken. Das wollen sie nämlich keineswegs. So handelt es sich bei den gezeigten Stücken meist auch weder um Grotesken noch Satiren, sondern einfach um Humoresken. — Diese begrifflichen Verwechslungen charakterisierten den Abend sehr treffend: man redete von Groteske, Witz und Satire und servierte dann Kleinkaliberhumor, der nur zur Hälfte

(„Auch Gauner haben Sorgen“, „Der Intrigant“, „Nur keine Hemmungen“, „Ein glückliches Familienleben“) akzeptables Format erreichte. Die Regie von Mario Kranz war nicht gerade originell. Schauspielerisch wären nur Adolf Lukan, Herta Dinhobl und Harry Hornisch zu nennen. Harmlos und unbedeutend das Ganze.

Theater am Belvedere: Der Wiener Robert Roche, Jahrgang 1920, versucht sich in seinen beiden kurzen Stücken „Gott ist kein Friseur“ und „Abra Kadabra“ (Uraufführungen) als positiver Avantgardist, um sich über deren nihilistische Tendenzen lustig zu machen. An sich also sympathische Versuche, die nur leider ein wenig schwächlich von der Gestaltung her sind (besonders das zweite Stück, in dem nur die Pointe zu interessieren vermag). Dann gibt es noch William Saroyans Stück „Kreuzweg der Träume — Subway Circus“ als österreichische Erstaufführung: Marginalien zum amerikanischen Alltag, Gedanken und Wünsche nehmen Gestalt an, werden zum US-Traumspiel, zu impressionistischen Paraphrasen unbewältigter Wirklichkeit, die Sehnsucht und Hoffnung offenlassen. Der erste Teil des Abends ist interessant, der zweite auch gut; beide inszenierte Helmut Wagner mit Geschick. Das Bühnenbild von Robert Sylvester ist wieder hervorragend.

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