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Vor dem Bildschirm

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HUNDERTE MILLIONEN MENSCHEN rund um den Erdball verfolgten mit Hilfe des Nachrichtensatelliten „Early Bird“ voller Spannung den Start der beiden amerikanischen Astronauten ins Weltall und wurden so Zeugen eines Fernseherlebnisses, wie es echter und ursprünglicher nicht gedacht werden kann. Zugegeben, daß die anderthatbstündig Verspätung der „Sekunde X“ Reporter und Kommentatoren vor schwierige Probleme stellte. Daß man jedoch im österreichischen Fernsehen lediglich einen von jeglicher Sachkenntnis ungetrübten Dolmetscher, der noch nicht einmal die für eine solche Aufgabe notwendige Sprechtechnik besaß, vor den Apparat setzte, statt ihm einen Fachmann für allfällige Detailschilderungen und technische Reportagen während der immer wieder aufleuchtenden Inserts an die Seit zu geben, ist unentschuldbar.

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DANKBAR EMPFAND MAN die liebenswürdige Bereitwilligkeit des Wiener Oberhirten, Kardinal Dr. König, der Kamera und damit der Öffentlichkeit einen Blick in den Ablau/ seiner Tagesarbeit zu gewähren. In der Absicht, die Persönlichkeit des Kirchenfürsten so weit wie möglich zu vermenschlichen, ist der von Dr. Zilk bemüht gestaltete Film leider nicht ganz der Gefahr entronnen, zuweilen etwas simplifizierend zu wirken.

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DEN MUSIKFREUNDEN vor dem Bildschirm wurde ein angenehme Bereicherung ihrer ohnedies nicht besonders üppigen TV-Kost beschert. Dr. Marcel Prawy, seit Jahren beliebter und funkversierter Musikkommentator, gewann mit seiner Sendung über „Hoffmanns Erzählungen“ und Offenbach im Rahmen der neuen Serie für den Opernfreund mit einem Schlage auch hier alle Sympathien für sich. Er versteht es ausgezeichnet, Komponisten und ihre Schöpfungen aus der Zeit und deren Strömungen heraus auch dem Nicht-kenner der Materie plastisch näherzubringen, ohne daß sein Bemühungen dem Fachmann nur ein gönnerhaftes Lächeln abnötigen. Im Gegenteil, auch ihm werden dabei manche neue • Aspekte eröffnet.

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NUR EIN PAAR GEDANKEN zu der in der Öffentlichkeit schon vieldiskutierten Sendung „Radetzkymarsch“ nach dem gleichnamigen Roman von Josef Roth. Michael Kehlmanns Dramatisierung und Inszenierung der vom Dichter geformten Untergangsstimmung der k. und k. Monarchie, manifestiert am Schicksal der Familie des Barons Trotta, atmete in wielem jenen Hauch von Melancholie und Resignation, wie sie auch den Werken eines Schnitzler entströmen. In ein so ernsthaftes, zeitkritisches Gesellschaftsbild einer verdämmernden Epoche aber brachte die karikierende Verzeichnung der Gestalt Franz Josephs den unpassenden Zug einer Farce hinein, die man selbst bei einem Kabarettsketch als geschmacklos empfinden würde. Diese meine Auffassung entspringt durchaus nicht dem Streben nach falscher Glorifizierung, 'sondern dem Sinn nach kritischer, aber gerechter Wertung. Es ist wesentlich leichter, etwas herunterzuziehen, als aufzubauen. Eine verführerische Neigung, der in diesem Fall Kehlmann, sicher nicht im Sinn Josef Roths, unterlegen sein dürfte.

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DIE VERSCHIEDENEN JUBILÄUMSFEIERN, angefangen vom 20. Jahrestag der Zweiten Republik bis zu den zehnjährigen Erinnerungstreffen zum Abschluß des österreichischen Staatsvertrages, fanden auf dem Bildschirm nicht nur einen würdigen, sondern auch interessierenden Niederschlag. Das gilt vor allem für die von Hellmut Andics knapp und prägnant zusammengestellte zeitgeschichtliche Dokumentation „Die Republik der Überzeugten“, aus der sich für die Bewältigung der gegenwärtigen innenpolitischen Situation vielleicht manches lernen ließe.

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EINEN AUFSCHLUSSREICHEN BEITRAG über die religiösen Strömungen und Spannungen in unserem Land lieferte die von Dr. Helmut Zilk taktvoll geleitete Diskussion zu dem Thema „Ist Österreich noch katholisch?“, bei der Persönlichkeiten wie Prälat Dr. Leopold Ungar, Professor Dr. Anton Burghardt, Dr. Hans Kriegel, Dr. Günther Nenning und Dr. Masicek ihre Standpunkte aus der Sicht des Geistig-Menschlichen, des Geistlichen und des Politischen erläuterten.

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ZU EINEM GLANZSTÜCK echter und aktueller Reportage voll packender Aussage gestaltete sich wieder die jüngste Sendung der „Horizonte“ von Heinz Brantl. Bunt und abwechslungsreich allein schon die Themen: Studenten als Untermieter, Fremdarbeiter in Österreich, die unorthodoxen Ansichten des britischen Professors Parkinson über Bürokratie, Staatshaushalt und Berufschancen, die Schwierigkeiten der Weltraumfahrer. Alles mit Schwung vorgetragen und auch photographisch mit ansprechender Lebensnähe serviert.

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GENUSS UND UNGETRÜBTE FREUDE bereitete einem das TV-Comeback des Lustspiels „Leinen aus Irland“ von Stefan Kamare. Ein unbestrittener Höhepunkt der so spärlich gewordenen Eigenproduktion unseres Fernsehens. Mit lockerer Hand skizzierte Regisseur Walter Davy treffsicher Zeitkolorit und Handlung dieses humorig-nachdenklichen Spaziergangs durch das Winkelwerk österreichischen Beamtentums zu Zeiten der Monarchie. Schauspielerischer Impetus von Komikerpersönlichkeiten wie Fritz Eckhardt, Paul Hörbiger, Fritz Muliar — großartig als Schlesinger-Effendi —, Oskar Sima, Karl Farkas, Karl Hruschka und Oskar Willner brannten dabei ein mitreißendes Feuerwerk der guten Laune ab.

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ALTMEISTER LEOPOLD HAINISCH, der sein gediegenes filmisches Können und seine künstlerische Phantasie seit Jahren in der „Fenstergucker“-Serie und anderen Filmen immer wieder aufs neue beweist, formte Mozarts Reise nach Prag zu einer der vollkommensten Sendungen, die wir in der letzten Zeit sahen. Musikalität und optische Einfälle verschmelzen bei ihm zu einer seltenen, beglückenden Einheit. Er wird sie sicher auch in seinem nächsten „Fenstergucker“ über Franz Schubert sichtbar werden lassen.

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