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Heilige und Unheilige auf der Bühne

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Zu Ehren des Nestors der Wiener schöngeistigen Publizistik, Hofrat Rudolf Holzer, hat das Burgtheater sein Stück aus dem Anfang unseres Jahrhunderts, „J u s t i t i a“, neu herausgebracht und mit seiner Betreuung einen unserer begabtesten Regisseure, seit Jahren in Deutschland erfolgreich tätig, Harald Benesch, beauftragt. Judtmann und Nordegg unterstützen seine radikale Straffung und Bearbeitung bei der technischen und szenischen Einrichtung. — Dieser Hans Kohlhase — der Stoff ist bekanntlich eine Variation des Kleistschen Michael Kohlhaas — agiert also nun mit sparsamen Worten in einem kahlen Raum, während die Bühnenanweisung des Autors ein bunt-reiches Szenarium vorschreibt.

Hier wird aber eben nun die ganze Problematik moderner Bearbeitung alter Stücke, die in einem anderen Geist entstanden sind, sichtbar. Was ein fülliges, wortreiches historisches Zeitgemälde war, mit Dr. Martin Luther, zwei Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches, mit Rotten und Rössern (die Pferde sind geblieben), umblitzt von Volkszorn und brennender Stadt, wird hier „aufgehoben“:. in einem modernen Personenstück, das seine Kraft beziehen muß aus der dialektischen Spannung des Wortes und der Charaktere. Daran aber fehlt es, naturgemäß. So kommen zwar einige rhetorisch wirksame Aktschlüsse zustande, nicht aber eine durchhaltende innere Spannung. Kohlhase (Ewald Balser) und Martin Luther (Heinz Moog), die beiden einzigen wirklichen Gegenspieler des Dramas, vermögen ihrem Kampf ums Recht, ums Menschenrecht und Gottesrecht, um die eine Justitia im Himmel und auf Erden wohl in Worte einzukleiden, jedoch nicht Fleisch werden zu lassen in einer Tragödie. Liselotte Schreiner als treue Gattin des Kohlhasen, Elisabeth Höbarth als ebenso treu besorgte Gattin Dr. Luthers. Hellmut Kraus als Junker Zaschwitz und das ganze Ensemble der Burg, so als Roßknecht, Kurfürst. Bürgermeister, Henker und Weib Dienst tuend, bemühen sich sehr, dem Stück einen inneren Atem zu verleihen, der ihm doch immer wieder auszugehen droht. —

Ein kauziger Ire, listig erfahren in der Kunst, ein einfältig-müdes Publikum durch drollige Streiche zu entwaffnen, ist im Akademietheater eingezogen und gewinnt sich die leichten Lacher mit einem Sack voll Teufel, Bischof, Höllenmädchen, einfältigem Pfarrer, zwei Zwergeseln, viel Vogelgezwitscher und einem alten Löwen. „D er widerspenstige Heilige“ von Paul Vincent Carroll führt uns nach Kilkevin, einem irischen „Nest“, in dem sich eben, im Pfarrhaus, Teufel und Bauerndirn, Pfarrersköchin und Bischof, St. Michael und ein Löwe gute Nacht sagen. Der Pfarrer, Daniel McCooey, ein sonderbarer Heiliger, Verehrer des heiligen Hieronymus und Franziskus, wird von seinem geheimen Hochmut (eben, ein „Heiliger“ zu sein) aufrecht phantastische Weise „bekehrt“. — Heilige und Unheilige sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten Mode geworden in einer gewissen Literatur. Was Berninos und seine Erben von den Versuchungen des „Geistlichen" zu berichten wissen, erscheint hier in der Form eines Kasperltheaters vergröbert: angepaßt einem Geschmack der Eisrevuen und Freistilringkämpfe. Zwischen Kindertheater, Faschingsulk und der Hölle der Grottenbahn des Wiener Praters pendeln diese „komischen“ Figuren lustig hin und her… Wirkliche Poesie (die ja seit mehr als tausend Jahren in Irland eine einzigartige Heimstatt hat) kommt nur im Bühnenbild Gottfried Neumann-Spallarts und in den Kostümen Maxi Tschunkos zum Ausdruck. In diesem Wurstkessel behaupten sich Hermann Thimig als einfältig-kluger Pfarrer, Hilde Wagener als mannstolle Pfarrersköchin, Martha Wallner als Mädel, das einen Mann sucht, Franz Böheim als frohsinniger Vagabund, Stefan Skodler als eleganter Kavaliersteufel. Eine besonders „dankbare“ Rolle hat Fred Hennings als polternder Bischof. — Ullrich Bettac führt mit viel Liebe Regie und läßt hier und dcyt in diesem Klamauk Töne aufklingen, die an Herz und Hintersinn leise erinnern.

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