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Ziircher und Pariser Gastspiele

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Im Rahmen dei Wiener Festwochen kamen Schweizer und Franzosen zu einem kurzweiligen Gastspiel nach Wien. Im Volkstheater kehrte das Z u- richer Schauspielhaus mit Joseph Viktor Widmanns „M aikafer- K o m 6 d i e“ ein. Oskar W a 11 e r 1 i n, unvergessen auch in Wien, hat 1942 dieses 1895 geschriebene Stuck des Altoster- reichers Widmann erstmalig auf lie Biihne gebracht, mit noch sichtbaren Reflexen auf das eben auffliegende Schwarmervolk vor den Toren der freien Schweiz. Der aus Mahren stammende Widmann hat Roman- tik und Biedermeier, Verslein der Pliisch- zeit sinnend und traurig, schwermutig ver- woben mit Blitzlichtern aus der Gewitter- nacht eines untergehenden Europas, die im Basel Nietzsches und Overbecks, nicht zuletzt um seinen Freund Spitteler in der Luft hingen. Denn man tausche sich nicht: Hinter der Mar und dem Marlein von den Maikafern, die zu kurzer Liebe und raschem Tod ins „Jenseits“, in den ,,Himmel", auf Erden auffliegen, steht ein duster-tragisches Weltbild, das keinen guten Gott und keinen guten Sinn der in Wahn und Tod verglimmenden Mensch- heitsgeschiohte kennt. Das liebliche Trei- ben der Maikaferdamen (mit Ellen Widmann und Rosemarie Gerstenberg an der Spitze) und Maikaferherren (mit dem edlen idealistischen Konig Wolfgang Sten- dar und seinem Gegenspieler, dem „roten Sepp" Hans Helmut Dickows), zwischen ihnen als ..Dummerchen" die Exwienerin Grete Heger, wird durch Theo Ottos Buhnenbilder, Bardets Kostiime und Lang-

neses Musik in ein marchenhaft-ironisches Gewand gehullt, das zu dieser heimlichen und unheimlichen Komodie pafit.

Rasant, laut, mit gallischem Humor alles iiberspielend, sturmte die T r u p p e Roger Planchons auf die Biihne der J o s e f s t a d t : die „D r e i Muske- t i e r e“ des Alexander Dumas des Alteren, werden von diesem Schopfer des ..Theatre de la Cite de Villeurbanne" zu einem Schauspiel verwandelt, in dem sich so ziemlich alles austoben kann, was Volkswitz, entfesselter Intellekt, Schau- freude. Lust am Spiel und an seiner Ent- hullung seit der Ironie der Romantik bis zum Surrealismus an Material gesammelt haben. Man weill in diesem Feuerfunken- werk oft nicht, worauf man zuerst sehen und hinhoren soli: auf den Wortwitz, auf die Sprache der Beihe und Hande, auf die durch wenige Requisiten angesagten Spiele der Waffen, des Meeres, der Pferde, der Intrigen. Dies soli auch so sein: wie das Ei, das hochstpersonlich Kardinal Richelieu (Henri Gallardin) auf der Biihne zur Omelette backt, wie das Trommelsolo des Tambourmajors (Daniel Laloux), wie das Spiel der Hande der Kdnigin Anne d’Autriche (Isabelle Sadoyan), dient hier jedes Wort und jede Bewegung als Mittel dem einen Zweck: glanzend -u unter- haiten. Pierre Meyrand als d’Artagnan. Jean Bouise, der Komiker der Truppe, und alle, die auf dem Zettel genannt sind, waren -u nejqnen. Reflex des Publikums: auf baldiges Wiedersehen in Wien.

Friedrich Heer gehoben seien, der mit dem 100-Mann- Orchester nicht nur ungewohnliche, faszi- nierende Klangwirkungen erzie-lt, sondern sich auch als ein Komponist mit Phantasie und Begabung fur grofiere instrumentale Formen ausweist. (Die sechs Teile, aus denen „Quaderni“ besteht, konnen in be- liebiger Reihenfolge gespielt werden, was fiir den kaleidoskopischen Charakter dieser Musik bezeichnend ist). Die [Composition „Szene I und 11" von Bo Nilsson (geboren 1937) empfangt ihren Reiz vor allem vom Klanglichen (zahlreiche Glockenspiele, Xylophone, vielerlei Schlag- werk usw.), ist aber in der Erfindung und Wirkung schwacher, obwohl der Komponist gewisse Brutaleffekte nicht ver- schmaht. Nicolas Nabokows „Vier Gesange nach Gedichten von Boris Pasternak" sind konservative Stimmungs- musik und liegen auBerhalb der hier be- sprochenen Entwicklung. Schonbergs „Orchestervariationen“ op. 31, 1928 voll- endet und seinerzeit von Wilhelm Furt- wangler uraufgefuhrt, kuhnste VorstoBe in musikalisches Neuland, tun heute niemand

Matthias Brauns exzessiver Umdichtung verzerrt, und die bezwingende Gestal- tungskunst Ewald Balsers, Hilde Wageners, Vilma Degischers und nicht zuletzt Heinrich Schweigers konnte doch nichts an der ideologischen und dramatischen Schwache von Gerhart Hauptmanns „M i- chael Kramer" letztlich andern.

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