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Dornröschen und Zirkusprinzessin

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Seit dem Tod des großen Mäzens und Ballettomanen, des Marquis de C u e v a s, wird seine berühmte Truppe — gegenwärtig wohl das luxuriöseste Ensemble der Welt — von der M a r q u i s e de Cuevas betreut und finanziert. Das ist nicht ni erfreulich, sondern ein hohes Verdienst. Denn welche andere Compagnie wäre wohl imstande, ein so großes, technisch anspruchsvolles und teures Standardwerk der klassisch-romantischen Blütezeit des Balletts, wie es „Dornröschen“ von P e t i p a und Tschaikowsky ist, in

einer Modellaufführung zu zeigen? Der künstlerische Leiter der Truppe ist L a r-r a i n (ein Pseudonym?), der Ballettmeister Nicholas Beriozoff. Von Larrain stammen auch die Bühnenbilder und Kostüme. Beginnen wir damit.

In einen dezenten, transparenten Rahmen in Schwarzweiß sind die aparten, geschmackvollen Kostüme in zarten Pastellfarben hineinkomponiert, die erst gegen Schluß lebhafter werden. Ein schleieriges Grau und Blau dominieren, trotzdem hat man nie den Eindruck des Eintönigen; und wer erfahren hat, was man mit Schleiern für einen Unfug an Kitsch und Sentimentalität anrichten kann, wird den unfehlbaren Geschmack des Ausstattungschefs um so höher schätzen.

Das dreiaktige Ballett mit seinen fünf Bildern ist abendfüllend und hat mit den Pausen eine Gesamtdauer von mehr als drei Stunden. Aber nicht fünf Minuten lang ist es langweilig. Dafür mag seinerzeit schon Marius P e t i p a gesorgt haben, der ein großer Meister seines Faches war* Nun haben Robert Helpmann und L a r r a i a die Choreographie erneuert und auf Hochglanz gebracht, so daß in dieser Hinsicht kaum ein Wunsch offenbleibt. Auch nicht was die Ausführung betrifft. Jedes Mitglied dieses Ensembles hat einen Wuchs und eine Technik, daß es in jeder Truppe als Etoile auftreten könnte. Nen-

nen wir nur die Hauptrollenträger: Liane Dayde als Princesse Aurore (Dornröschen). Serge Golovine als Prinzen Florimonde, das Königspaar Don S n y-d e r und Katia D u b o i s, die bildschöne Lilienfee Marilyn Jones und Olga Adabache als böse Fee Carabosse.

Zu der relativ strengen Choreographie kontrastierte sehr reizvoll die fast ausgelassene Phantastik der Kostüme, die besonders in Kopfputz und Riesenschleppen triumphierte. Bewundernswert die Einheit des Stils bei so verschiedenartigen Schauplätzen, wie etwa dem einem Eispalast gleichenden Eingangsbild und der bräunlichen Geborgenheit des Waldbildes, wo •Dornröschen wie 'im.:Innern einer Nuß fen.^ndejtjähwgen Schlaf.tut. (Wie sie darein versenkt und mitsamt ihrem Hofstaat wiedererweckt wird, war auch choreographisch meisterhaft gelöst.)

Die Musik Ts c h a ik o w s k y s, genau nach den Wünschen des großen Ballettmeisters und Choreographen Petipa geschrieben, ist nicht ganz so inspiriert wie die zum (gleichfalls abendfüllenden) „Nußknacker“, der gegenwärtig (und schon seit zwei Jahren etwa) als Glanzstück im Repertoire der Basler Bühnen steht. Aber es ist eine melodiöse, rhythmisch animierende Ballettmusik, wie sie nach ihm nur noch Strawinsky zu schreiben verstand. Jean D o u s s a r d hat sie mit einem aus Substituten bestehenden Orchester gut realisiert. Im ganzen: ein glänzender Abend im großen Haus am Ring, an den man noch lange denken wird.

In der V o 1 k s o p e r spielt man, von Alexander Pi ch 1 er neuinszeniert, Kaimans „Zirkusprinzessin“ von 1926. Da zeigt es sich zunächst, daß die vielberedete Krise der Operette eine Krise des Textbuches ist, und zwar nicht nur heute. Komponisten, die eine flotte, operettenmäßige Musik zu schreiben verstehen, gibt es genug, wovon man sich täglich am Lautsprecher überzeugen kann. Aber Librettisten gibt es keine. Daran krankt vor allem auch „Die Zirkusprinzessin“ von Brammer und Grünwald. Leider ist auch Kaimans Musik, trotz einiger flotter Nummern, im ganzen schwächer als die zur „Csärdäsfürstin“ und zur „Gräfin Mariza“. So war diese Neuinszenierung ein Versuch am untauglichen Objekt und hatte von vornherein nicht viel Chancen. Die wenigen wurden von Wolf gang Voll-hard als Bühnenbildner, A. M. Schlesinger als Kostümzeichnerin, Dia L u c a, Choreographie, und Anton P a u 1 i k (musikalische Leitung) bestens genützt. In den Hauptrollen befriedigten Esther Rethy, Per Gründen und Erich K u c h a r mehr in Spiel und Erscheinung als im Gesang, dem_ jener süße Wohllaut fehlte, den man aus Richard Taubers und seiner großen Komparsen Zeit noch im Ohr hat. Sehr nett: Guggi Löwinger, obwohl schon ein bissei zu routiniert und recht unvorteilhaft gewandet. Rührend und begeisternd: Hans Moser im letzten Akt als Oberkellner Pelikan und Annie R o s a r als Prinzipalin: zwei richtige „Herausreißer“. In einer Nebenrolle fiel Helga Papouschek als Pikkolo auf: ein springlebendiges Theatertalent.

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