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Schlag nach bei Voltaire!
Mit der Uraufführung von Leonard Bernsteins Musical „C a n d i d e“ im Sendesaal von Radio Wien gab der schon so oft totgesagte Rundfunk wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Der Komponist, der eben erst den „Oscar“ für seine Musik zu „Westside Story“ erhalten hat, erlebte eine seltsam zweigeleisige musikalische Karriere: Seine frühen Kompositionen, Kammermusik, Lieder und zwei Symphonien, machten ihn zum interessantesten Vertreter der jungen, in Amerika geborenen Generation ernster Komponisten. Außerdem wurde er als Nachfolger Bruno Walters an die Spitze des New Yorker Philharmonischen Orchesters berufen. Sein Ballett „Fancy Free“ dagegen gilt als Wurzel des modernen Jazzballetts, dessen Weiterentwicklung die Musik zu „Westside Story“ darstellt. Bei dem Spiel nach dem Roman Voltaires „Candide ou l'optimisme“ verzichtet Bernstein auf den Einsatz musikalischer Mittel, wie er sie sonst gerne verwendet. Deshalb kann das Werk, dessen völlig „jazzlose“ Musik in ein modernisiertes „Phantasie-Achtzehntesjahrhundert“ führt, auch nicht in unserem Sinn als „Musical“, * sondern eher als musikalische Komödie bezeichnet werden. Die zündenden Einfälle sind in Bernsteins „Candide“ nicht gerade dicht gesät, doch immerhin unterhält man sich bei der oft absichtlich parodistisch-kitschigen, spritzigen Musik recht gut. Die vorzügliche textliche Bearbeitung und Einrichtung stammt von Dr. Marcel Prawy, dem unermüdlichen Musicalpropheten. Doktor Prawy hat nicht nur das saftige Libretto Lillian Hellmanns ins Deutsche übertragen, sondern auch den großartigen Einfall gehabt, allzu sehr auf Bühnenwirksamkeit berechnete Dialogstellen einfach durch den gelesenen Originaltext der Voltaire-Novelle zu ersetzen. Blanche A u b r y, die sich sichtlich blendend amüsierte, Karl Mi11ner und Heinrich Schweiger, der sich wieder erfolgreich als Sänger betätigte, nahmen sich Voltaires an, dessen ironiesprühende, boshafte Schilderung der Abenteuer Candides, Kunigundes und des Philosophen Pangloß ihre Wirkung auf die Zuhörer nicht verfehlte. Die Sänger hatten es da ein wenig schwerer, immerhin gab es auch genug musikalische Spaße wie das gelungene Korruptionistencouplet „Steht's dafür?“. Die Partien des eher zweifelhaften Heldenpaares sangen Mimi C o e r t s e und Kurt E q u i 1 u z, außerdem sangen noch die Damen M i 1 i n k o-vic. Görner und S o b o t a, die Herren Christ, M a j k u t, H o I e c e k, P r i k o p a und N i d e t z k y. Nicht
wenig zum Gelingen der Aufführung trug auch noch der mit sieht- und hörbarem Vergnügen singende, von Gottfried P r e i n f a 1 k sorgfältig einstudierte Rundfunkchor bei. Dirigent der Aufführung, der ersten außerhalb des englischen Sprachraumes, war Samuel Krachmalnick, einst selbst Mitarbeiter des Komponisten, heute am Stadttheater Zürich tätig. Anfangs etwas unsicher, führte er schließlich Solisten, Chor und das in bester Broadwaymanier spielende Große Wiener Rundfunkorchester einem sicheren Erfolg entgegen.
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