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Synthese, Benn-Kantate und Chansons

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Vier Konzerte mit insgesamt 14 neuen Werken: das ist die heurige Bilanz des „Kleinen Musikfestes“, das der Österreichische Rundfunk alljährlich im Rahmen der Reihe „Musica nova“ veranstaltet. In diesem Jahr verzichtete man auf die Begründer und Großmeister der Neuen Wiener Schule, aber sie marschierten, gewissermaßen, im Geist in der neuen Reihe mit. Denn um Reihen-kempositionen und Werke in Zwölftontechnik handelte es sich zum großen Teil bei den ur- und erstaufgeführten Werken.

Am radikalsten und systematischesten geht Karl S c h i s k e vor, der Lehrer einer ganzen Gruppe von Allerjüngsten: Sein Stück „Synthese“ für vier mal vier Instrumente besteht eigentlich nur aus einem „Modell“ von 25 Takten. Dieses kann von den einzelnen Gruppen (Holzbläser, Blechbläser, Streicher, Schlagwerk mit Klavier und Xylophon) entweder nacheinander oder gleichzeitig, in beliebiger Kombination, gespielt werden. Die Länge der Darbietung ist dem Dirigenten überlassen. Was man hörte, klang sinnvoll, aber ein wenig didaktisch.

Eines der schönsten Gedichte von Gottfried Benn („Quartär“, mit dem fatalen grammatikalischen Schnitzer am Ende „Fini du tout“) hat der 1935 in Deutschland geborene Peter R o n n e f e 1 d, gegenwärtig Korrepetitor an der Wiener Staatsoper, für Sopran, Sprecher, Chor und großes Orchester vertont. Er bemüht sich „um eine möglichst erfüllte Ausdeutung des Textes, in seiner Synthese von Lyrisch-Sinnlichem und Intellektuellem“. Das ist immer noch besser als das musikantische Nebenhermusizieren, wie wir's aus Hindemiths Benn-Oratorium „Das Unaufhörliche“ kennen. Aber Ronnefeld dramatisiert Benn, was man nicht tun soll, er gliedert zuviel, verliert sich an Details — und opfert so den einheitlichen Stil, den dieses große Gedicht aufweist und den natürlich auch dte Musik dazu haben müßte. — Schon nach drei oder fünf Jahren wird Ronnefeld, wenn er uns nicht enttäuscht, die Schwächen dieser Komposition erkennen.

Auf Anregung von Dimitri Mitropoulos schrieb der junge Salzburger Komponist und Leiter des Elektronischen Studios am Mozarteum, Irmfried R a d a u e r, ein Orchesterstück mit dem etwas umständlichen Titel „C u r r i c u 1 u m, Tonrelationen in zwei Teilen für großes Orchester“. Der Komponist versucht in diesem Werk eine Synthese von „Rationalem und Irrationalem“, das bedeutet in der Sprache unserer jungen Musiker: von serieller Konstruktion und intuitiven, von der'Phantasie bestimmten Elementen. Das angestrebte Ziel hat der Komponist vor allem auf dem Gebiet des Klänglichen erreicht, aber auch der Ablauf des Stückes fesselt, wenn auch seine Logik aufs erste nicht immer genau erkennbar ist und die Walzer-Episode als nicht zum Gesamtstil der Musiksprache dieses Stückes passend empfunden wird.

Die genannten Stücke erklangen als Uraufführungen. — Die französischen Volkslieder für Sopran und sieben Instrumente mit dem Titel „L e p e t i t s a v o y a r d“ des jungen Bayern und Orff-Schülers Wilhelm K i 11 m a y e r sind in Deutschland schon mehrfach aufgeführt worden. Kein Wunder: diese sieben Liedchen sind reizvoll, interessant und klingen vortrefflich. Zwar ist die Besetzung des Instrumentariums mit Vibraphon, Jazzbecken, Bongos und Congas nicht eben in jenen Breiten zuhause, der die anmutig-frechen Texte entstammen. Aber das Ganze ist so spritzig gemacht, so unterhaltsam und elegant, daß ein zeitgenössischer Franzose es kreiert haben könnte. Etwa Darius Milhaud, dessen poly-tonale Tricks Killmayer mit geschickter Hand nachahmt.

Beide Vokalwerke hatten vorzügliche Solistinnen: Gundula J a n o w i t z sang den recht schwierigen Sopranpart und die Vokalisen in der Benn-Kantate; Laurence D u t o i t trug mit Anmut und Virtuosität die Lieder des kleinen Savoyarden vor. Die genannten Werke waren gut einstudiert und wurden von den Dirigenten Kurt Richter, Michael G i e 1 e n und Miltiades C a r i d i s geleitet. (Über die anderen Konzerte und Stücke dieser Reihe berichten wir in der nächsten Folge der „Furche“.)

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