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„Martha“-Premiere und Enescu-Konzert
Anscheinend eignen sich Rosen nicht zum Komponieren. Tut man's trotzdem, so erhält man Rosenwasser, das bekanntlich nicht jedermanns Geschmack ist (siehe den Rosenkavalier-Walzer, Les roses d' Ispahan, Rosen in Tirol u. a.). In F1 o t o w s Oper „Martha“ ist die „Letzte Rose“ — obwohl nach einem irischen Volkslied — das Schlimmste: ein echter Schlager, süßlich, penetrant und unverwüst
lich. Das übrige in dieser Musik ist aus zweiter (französischer) Hand. 1837, zehn Jahre vor „Martha“, wurde in Paris ein Vaudeville aufgeführt mit einer musique nouvelle de Monsieur de Flotteaux, der mit dem Mecklenburger Friedrich Ferdinand Adolf Freiherrn von Flotow identisch ist. „Martha“ ist seinerzeit größtenteils in Wien und auf Bestellung der Direktion des Kärntnertortheaters geschrieben worden. An dieses folgenreiche musikhistorische Ereignis (die Opsfciskwdb Wither ir Wien aHeitt- rund 180mal?:ge- spiete); erinnert! sehrri efajolhlxlie Neuinszenierung” Adolf Rotts in der Volksoper: durch einen Zwischenvorhang, durch distanzierende Rahmen, Schattenrisse und leicht parodistische Stellen. Robert Kautšky hat das mit viel Geschmack gemacht (die Kostüme sind nicht ganz so gut geraten), und Franz Bauer-Theussl, der für den erkrankten Franz Salmhofer einsprang, hat die Musik präzise und mit Elan dirigiert. Die Besetzung kann als erstklassig bezeichnet werden. Mimi C o e r t s e, deren Timbre ein wenig an das der jungen Ljuba Welitsch erinnert, sang ihre Arien und Koloraturen rein und hell, Ira M a 1 a n i u k, uns bisher nur in „schweren" Rollen bekannt, machte es offensichtlich Spaß, ihre schöne Stimme in einer leichten Rolle glänzen zu lassen und zu zeigen, daß sie keine Trauerweide ist,
Waldemar K m e n 11 war in allerbester Verfassung, Oskar Czerwenka fand eine Paraderolle und Laszlo S z e m e r e trug zur guten Laune, welche diesen Abend regierte, sein gut Teil bei. Nebenrollen und Chöre waren bestens studiert. Im ganzen: eine geschlossene und saubere Ensembleleistung, einer besseren, zumindest originelleren Sache würdig.
Anläßlich einer Gedenktafelenthüllung fand im Brahmssaal des Musikvereines ein Kamme r- k o n z e r t mit Werken von George E n e s c u statt. Dieser erste bedeutende und weltgültige Musiker Rumäniens — Geiger, Dirigent und Komponist — kam als siebenjähriges Wunderkind nach Wien und empfing hier von 1890 bis 1894 im Hause Georg Hellmesbergers und in Brahms' Nähe starke und bleibende musikalische Eindrücke. Die erste und ursprüngliche Komponente seines Schaffens war die Volksmusik seiner Heimat. Diese hat er durch seine Rhapsodien, Suiten und Kammermusikwerke salon- und konzertfähig gemacht. Dagegen ist der lebenslange Einfluß der französischen Schule kaum nach-: zuweisen (Enescu lebte bis 1947 abwechselnd in Paris und in Rumänien, wohin er in seinen letzten Lebensjahren — er starb am 4. Mai 1955 — nicht mehr zurückkehrte). Aus der deutschen Schule stammt sein Kontrapunkt und die Neigung zur großen Form. — Wir hörten, von rumänischen Künstlern vorgetragen, sieben frühe Lieder (1907) auf Gedichte von Clement Marot, die in einem etwas unpersönlichen klassizistischen Stil komponiert sind, die 3. Sonate für Geige und Klavier „im rumänischen'Stil" aus dem Jahre 1934 mit drei ausgedehnten rhapsodischen Sätzen, schließlich sein letztes vollendetes Werk, eine Kammersymphonie für zwölf Soloinstrumente aus dem Jahr 1954. Diese schwermütig-grüblerische Komposition mit ihrer komplizierten Harmonik und dichten Kontrapunktik ist Schönbergs 1. Kammersymphonie nichtrunähnlich und erinnert stellenweise auch an die Musik Rudi Stephans. Of fensichtlich, war Enescu in seinen letzten Lebensjahren auf neuen Wegen, deren Beginn wir nicht zurückverfolgen können, da uns nur dieser Schwanengesang bekannt wurde, dessen edle Schönheit ergreifend ist. — Gewissermaßen als Einlage in das Enescu-Programm hörten wir noch fünf Lieder von Mihail J o r a, einem Vertreter der mittleren Generation, die in Ihrer Mischung von Fokloristischem, Kirchentonalem und Regerischer Harmonik recht reizvoll sind. — lolanda Marculescu, von Radu Dragan begleitet, war die podiumsichere Interpretin; Stefan und Valentin Ghorghiu spielten mit etwas zurückhaltendem Ausdruck die virtuose Enescu-Sonate. Karl Etti dirigierte die Kammervereinigung des Wiener Funkorchesters.
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