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Salvador Dalis großes Divertimento

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Venedig stand im Monat August völlig im Banne der Erwartung einer in größter Aufmachung angekündigten „Weltsensation“, welche von der New-Yorker Alvox-Corporation im Teatro La Fe- n i c e als „Serata di Gala“ im Zeichen Salvador Dalis zugunsten der „Cittä dei ragazzi“ in Rom veranstaltet wurde.

Eine rührige Propaganda hatte die Untertitel der beiden laut Programm aufzuführenden Werke in Obertitel umgewandelt, so daß sowohl das „Spettacolo“

als auch das „Divertimento als Original kreationen des berühmten spanische Malers das Blickfeld beherrschten. Nich nur, daß die dazugehörigen Bühnenbilde und Kostüme von seiner Hand gestalte worden waren, sondern auch, daß sein persönliche Mitwirkung, einerseits al Autor, anderseits als Akteur, in Aussich : gestellt worden war, erregte begreiflich Spannung, die noch durch den Ausspruc des Meisters, es werde wahrscheinlich nie mand verstehen, was er da zu sehen be kommen werde, nicht einmal er selbs noch wesentlich erhöht wurde.

Was in dem, im reichsten Blumen schmuck, schöner denn je sich präsentie ‘ renden Theaterraum zur Aufführung ge 1 langte, war folgendes: Das erste Stüc war das zu einer einaktigen Opera bufl „Die spanische Dame und de römische Kavalier“ ausgestaltet ‘ Intermezzo comic o, das Giuli Confalonieri aus dem d r a m m 1 per m u s i c a „Scipione nelle Spagne von Alessandro Scarlatti herausgenomme 1 und bearbeitet hatte. Das Textbuc stammt von Nicold Serino und ist it Jahre 1714 dem Vizekönig von Neape 1 Graf Daun, Fürst von Teano und Ma: chese von Rivoli, gewidmet worden. N( 1 ben den ausgezeichneten Sängern Fiorent 1 Cossotto von der Mailänder Scala un Lorenzo Alvary, Bassist an der Metropol i tan Opera von New York, welcher a spiritus rector der Veranstaltung und a i prominentester und eifrigster manuell: t Arbeiter bei deren Durchführung für : gierte, agierte ein entzückender, schwai geschminkter kleiner Page, der wohl eir t Anspielung auf den „Mohr von Venedig r sein sollte. Das 1956 gegründete Orch: t ster Complesso Strumentale Italian . leitete mit gewohnter Routine Ant: i Dorati, der sich weder von den gänzlic h unmotivierien Spaziergängen Dalis ii r venezianischen Gondolierekostüm, noc s durch die von ihm organisierten Bühnet i effekte auch nur im geringsten störe

- ließ. Anders das Publikum, dem auc r nicht gefiel, daß eine Frauensperson i i linken Hintergrund andauernd Stoffe elel r trisch bügelte, während im rechten Vo r dergrund ein Blinder vor dem-- Fernsei

- schirm saß, ein Elefant auf Storchbein

- vorbeistapfte, in Bandagen gewickel i- Männer Statuen zersägten und schließli:

- eine Gondel mit brennender Kerze ur aufgespanntem Regenschirm über die Bühne trugen. In die Intervalle der Aktion senkte sich fünfmal eine von Dali bemalte Riesenleinwand in den Bühnenraum, deren Beziehung zu Musik und Darstellung den verblüfften Zuschauern absolut nicht klarwerden wollte; was weiter nicht verwunderlich war, denn es gab da allerhand Merkwürdiges zu sehen, zum Beispiel Uhren mit schmelzendem Zifferblatt, denen dickflüssige Blutströme entquollen, ein Rudel riesiger Giraffen und schließlich den venezianischen Löwen, den der Künstler bei offener Szene noch schnell fertigpinselte.

Genial konzipiert und ungemein eindrucksvoll gestaltet war die Choreographie Maurice B e j a r t s zum unheimlichen, mit höchster Virtuosität ausgeführten Tanz der drei Hinkenden auf Krük- ken, die sich auch in dem folgenden, von G. Confalonieri als „Huldigung für Scarlatti“ in dessen Stil komponierten Divertimento Cosmico, genannt „Gala", d. i. griechisch Milch, als hervorragende Partner Ludmilla T s c h e r i- n a s, Primaballerina der Pariser Oper, erwiesen. Das schwer zu geStr’tende Libretto stammt von Pierre Rhallys. E en Tänzern Milenko Banovitch, Germinal Cassadö und Pierre Dobrievitėh möchte man gerne bald wieder begegnen; war es doch ihr und Tseherinas faszinierender Tanz höchster Qualität, welchem der spontan ausbrechende, begeisterte Beifall des bis dahin größtenteils in unwilliger und gelangweilter Ablehnung dahindösenden Publikums galt, das sich auch von plötzlich auf- und abgeblendeten Taschenlampen, glitzernden Fontänen symbol- trächtiger Milch und 2000 Litern Guer- lain-Parfüms, das in den Zuschauerraum versprüht wurde, nicht von der ehrlichen Bewunderung echter Kunst ablenken ließ. Aus einer angekündigten Apotheose für Salvador Dali war ein Triumph für Ludmilla Tscherina geworden.

Hinsichtlich der Prophezeiung „niemand werde verstehen ..legen wir Wert darauf, festzustellen, daß wir sofort verstanden haben, was hier gespielt wurde; ferner, daß wir in Zukunft Dali als dem begegnen möchten, der er neben seinen Hanswurstiäden wirklich ist: nämlich als einem der interessantesten Maler unserer Zeit.

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