6702382-1963_36_15.jpg
Digital In Arbeit

Niederländische Festspiele

Werbung
Werbung
Werbung

1948 wurde in Amsterdam und Scheveningen das Holland-Festival gegründet. Scheveningen war einmal ein unbedeutendes Fischerdorf; heute gehört es zu den beliebtesten Bade- und Kurorten Europas. In seinem palmengeschmückten Kursaal gastieren seit einigen Jahren die besten Solistėm l Dirigenten, Kammermusik- eiAemwÖV; Chöre und Orchester der Welt.

Zwei Dutzend Städte beteiligten sich heuer mit insgesamt 109 Aufführungen am 16. H o 11 a n d - F e s t i v a 1, das einen Monat lang gefeiert wurde. Da sind die großen Städte und Kunstzentren Amsterdam, Amheim, Delft, Den Haag, Haarlem, Otterlo, Rotterdam und Utrecht, da ist die Universitätsstadt Leiden, der Kurort Scheveningen, die Rundfunkstadt Hilversum, da sind aber auch die Provinzstädte Alkmaar, Beverwijk, Bloemendaal, Deventer, Enschede, Gouda, Groningen, Heerlen, Hengerlo, Middelburg, Naarden, Nymwegen und Tilburg.

Heuer lag das Schwergewicht bei den konzertanten Veranstaltungen. Herbert von Karajan dirigierte im Saal mit der angeblich besten Akustik der Welt, im Concertgebouw in Amsterdam, zwei verschiedene Programme von Bach bis Stra- winsky (Sinfonie in C); er brachte dazu das Berliner Philharmonische Orchester mit. Yehudi Menuhin leitete in Scheveningen das Bath Festival Orchestra: Er dirigierte Honeggers Zweite Sinfonie und Haydns Sinfonie Nr. 49 und spielte außerdem den Solopart in Mozarts A-Dur-Violinkonzert KV 219 und gemeinsam mit Robert Masters das Konzert für zwei Violinen und Streichorchester von Malcolm Arnold. Noah Greenberg bot mit seinem Ensemble „New York Pro Music a” eine erlesene Auswahl von vokaler und instrumentaler Renaissance- und früher Barockmusik: eines dieser Konzerte fand im Kröller-Müller-Museum bei Otterlo statt, das durch seine große Van-Gogh-Kollektion, die Freilicht-Skulpturenausstel- 1 u n g und die herrliche Lage im Nationalpark „De Hoge Veluwe” weltberühmt geworden ist. Das „Collegium M u s i- cum Amstelodamense” brachte in der evangelischen Kirche im Amsterdamer Beginenhof unter der Leitung von Toon Franken die Erstaufführung von drei Motetten Herman Strategien und daneben selten gesungene Werke von A. Gabrieli, Josquin des Prės, G. P. da Palestrina, von den Sweelincks, O. di Lasso, Clemens non Papa, E. Grieg und B. Britten („Te Deum” in C-Dur) zu Gehör.

Auch auf dem Gebiet der Oper gab es mehrere Höhepunkte und Raritäten. „Rusa 1 k a” von A. Dvorak, 1901 als neunte von zehn Opern uraufgeführt, feierte in fünf Städten romantische Auferstehung; unter der Regie von Vačlav Kašlik und der musikalischen Leitung von Jaroslav Krombholč verkörperten Jadwiga Wyso- szanska die Nachfahrin Undines und Ivo Zidek den Prinzen. Die gelungene Wiederaufführung von Haydns Oper „L’I n f e- deltä delusa”, die am 26. Juli 1773 im Schloßtheater von Esterhäza Premiere hatte, leitete Alberto Erede. Gleichfalls von der Niederländischen Oper herausgebracht wurde, allerdings in enger Zusammenarbeit mit dem Genfer „Grand Theatre”, Frank Martins Moliėre-Oper „Monsieur de Pourceaugnac”; an Stelle des erkrankten Paul Sacher dirigierte dep Komponist. Das Wagner-Jahr vėfanlaStb’ dff Holländer iju iihbi’ Neuinszenierung von „D e r ““;FTr e’g en d e Holländer” (Dirigent: Bernard Haitink, Senta: Grė Brouwenstijn). Ein doppeltes Jubiläum beging die Holland-Festi- val-Opera mit dem vor 70 Jahren uraufge- führten „Falstaff” im Verdi-Jahr (Dirigent: Carlo Maria Giulini, Titelpartie: Fernando Corena).

Tanz wird in Holland neuerdings sorgfältig gepflegt. Das fast ausschließlich aus Einheimischen rekrutierte Niederländische Nationalballett, das von Sonia G a s k el 1 geleitet wird und bei den Salzburger Festspielen drei verschiedene Programme zur Diskussion stellte, bot außer der brillanten „Sinfonie in C” von Bizet-Balanchine und der umstrittenen „Persephone” von Kupferman-Lang — beide Werke wurden auch in Salzburg gezeigt — „Dodekaphonische Variationen” von Baaren-Osins und „Arcade”, Taras’ Versuch, Strawinskys „Konzert für Klavier und Blasinstrumente” tänzerisch zu gestalten. Daneben hielt sich das „Nederlands Dans Theater” mit der „Sonate ä trois” von Bartök-Bejart, mit Hartman-Tetleys „Birds of sorrow” und der „Sinfonie in drei Sätzen” von Strawinsky und Manen recht wacker.

Zum 100. Male wurde in Delft, der Porzellanstadt und ehemaligen Residenz des Prinzen von Oranien, „E 1 c k e r 1 y e” auf geführt; das von dem Mönch Petrus van Diest um 1485 verfaßte Spiel vom Sterben des reichen Mannes war bekanntlich unter anderem Vorbild für den englischen „Everyman” und Hofmannsthals Werk. Das Wiener Burgtheater, seit acht Jahren ständiger Gast beim Holland-Festival, brachte N e s t r o y s „Talisman” an Stelle von Goethes „Stella” (infolge der Erkrankung Paula Wesselys). Außerdem gastierten das Genueser „Teatro Stabile” mit Goldonis „Venezianischen Zwillingen”, die „Compagnie de Roger Planchon” mit Moliėres „Georges Dandin” und Ladislav F i a 1 k a mit seinem Panto- mimen-Theater „N a z a b r a d 1 i”. „Ui t- komst” von Herman Heijermans (1864—1924) wurde in zehn Städten, A i s c h y 1 o s’ Drama „Die Perser” in Amsterdam neu einstudiert. Zum viel- diskutierten Schauspiel „Ein großes totes Tier” von Bert Schierbeek, Jahrgang 1918, schuf sein Landsmann, der biennale-bekannte Maler Karel Appel, die Bühnenbilder.

Zwei Tatsacher verdienen besonders hervorgehoben zu werden: Die Eintrittspreise sind erstaunlich gering; der Durchschnitt beträgt etwa zehn Gulden für gute Plätze, und das Publikum besteht vorwiegend aus Einheimischen. Das fällt im Zeitalter des Kultur- und Sozialtourismus angenehm auf.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung