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Musikfest in Kopenhagen

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Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik, deren Gründung das wichtigste Ergebnis des Salzburger modernen Musikfestes 1922 war — somit von Österreich ausgehend und heute bereits weltumspannend —, hielt ihr diesjähriges Musikfest, das 21. in dieser Reihe bedeutender Veranstaltungen, auf Einladung der dänischen Sektion in den ersten Junitagen in Kopenhagen ab. Es war das erste Musikfest der Gesellschaft auf skandinavischem Boden — und die IGNM hatte die Annahme dieser dänischen Einladung nicht zu bereuen: abgesehen von allen Annehmlichkeiten des Lebens in Kopenhagen, war das Fest so liebevoll vorbereitet, ausgezeichnet organisiert und auch in der musikalischen Durch-lührung selbst auf so hohem Niveau, daß die dänischen Veranstalter und Förderer dieser Musikwoche des aufrichtigen Dankes der aufgeführten Komponisten und aller auswärtigen Festgäste sicher sein dürfen. Delegierte aus 16 Ländern nahmen an dem Fest und den gleichzeitigen Beratungen teil, und es hat sich auch diesmal wieder gezeigt, wie unschätzbar solche Zusammenkünfte für die internationale kulturelle Zusammenarbeit sind. „We need that spirit of international friendlincss now more than ever before“ sagt der bisherige Präsident der IGNM., der berühmte englische Musikwissenschaftler Edward J. Dcnt, in der Vorrede zu dem schön gedruckten, 62 Seiten starken mehrsprachigen Programmheft des Kopenhagener Festes.

Oft genug haben Werke von besonderer, vielleicht bleibender Bedeutung von den alljährlichen Musikfesten aus ihren Weg durch die Konzertsäle der Welt angetreten. Von dem Kopenhagener Fest ist zu sagen, daß wohl keine eigentliche „Neuentdeckung“ von überragender Bedeutung gemacht, daß aber das allgemein hohe durchschnittliche Niveau des neuen Musikschaffens auch kleinerer Musikländer evident wurde. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, daß kaum ein einziges Werk dazu angetan war, irgendwelchen „Anstoß zu erregen“ oder besonders extravagant zu wirken: von besonderen, zukunftsträchtigen Experimenten oder richtungweisenden neuen Kräften war nicht viel zu bemerken — als wäre alles ..Avantgardistische“ aus der Mode gekommen. Oder ist „zeitgenössische“ Musik derzeit nicht mehr so recht „n e u e“ Musik? Auffallend übrigens, daß diesmal die Zwölftonmusik gar nicht vertreten war.

Insgesamt fanden zwei Orchesterkonzerte, drei Kammermusikkonzerte und ein Konzert mit Kammeroreliestcrwcrken statt: die Orchesterkonzerte in dem großartigen, erst nach Abzug der Deutschen fertiggestellten Haus des dänischen Rundfunks („Stats-radiofonien“), die Kammerkonzerte in dem schönen, noblen Old Fellow-Palaet, eines davon jedoch auf schwedischem Boden, in der Aula der Universität L u n d, nachdem am gleichen Tag bereits der Stadtrat von M ä 1 m ö die Festteilnehmer begrüßt hatte. Im ganzen enthielt das eigentliche Festprogramm 30 Werke aus 16 Ländern, davon waren die fünf Länder Belgien, die Tschechoslowakei, Dänemark, Italien und Schweden mit je drei Werken vertreten, Österreich, Amerika, England, Frankreich, Holland, Norwegen, Polen, die Sowjetunion, die Schweiz, Spanien und Ungarn mit je ein bis zwei Werken. Österreich hat bei den Konzerten sehr gut abgeschnitten: die schon oftmals in Wien und auswärts so erfolgreich aufgeführte „Toccata für zwei Klaviere“ des jungen Wiener Komponisten Anton He iiier war auch in Kopenhagen ein voller Erfolg, und es hat nicht viel gefehlt, daß es zu einem da capo gekommen wäre. Die skandinavischen Länder, darunter die Dänen selbst, boten durchwegs Werke von ausgezeichnetem Niveau. Aus Amerika und Rußland kamen nur anerkannte Namen. Erfolgreich und auf sehr gutem Niveau die Engländer, Frankreich machte (trotz ungenügender Interpretation) mit einer Klaviersonate von Andr£ J o 1 i v e t aufhorchen. Lauten Erfolg hatte des Holländers Rudolf E s c h e r effektvolle Klaviersuite „Arcana Musae Dona“, das farbenreiche Schlußwort des Festes hatte der Spanier Roberto Gerhard mit seiner Ballettsuite „Don Quixote“. Starken Eindruck konnte die Schweiz erzielen: Willy Burkhards zweites Streichquartett ist ebenso kultiviert, wie Frank Martins so vielbeachtete „Petite Symphonie concertante“ auch in Kopenhagen ausdrucksstark und überzeugend wirkte. Von den Italienern wirkte am stärksten des alten Ildebrando P i z z e 11 i „Tre com-posizioni corali“ mit ihrem wunderbaren Satz und teilweise gregorianischen Tonfall; Adone Z e c c h i s ,.Duae Fugae“ für Kammerorchester und Gino N e g r i s höchst experimentelles, aber unergiebiges Oratorium „Spoon River Anthology“ konnten nicht so ganz überzeugen.

Die Ausführung aller dieser Werke stand auf fast durchwegs gutem Niveau, wobei das Ordiester und der Chor der Statsradio-fonien unter der ausgezeichneten Leitung der Dänen T u x e n, F r i i s h o 1 m, Frandsen und W ö d i k e, des intensiven Belgiers Andre S o u r i s und anderer Dirigirenten an erster Stelle zu nennen sind. Künstler aus verschiedenen Ländern Europas (meist dem Land des betreffenden Komponisten zugehörig), waren mit besonderer Hingabe um einwandfreie Wiedergabe der ihnen anvertrauten Werke bemüht.

Das eigentliche Festprogramm wurde durch eine ganze Reihe von Sonderveranstaltungen für die Delegierten ergänzt, so durch einen interessanten Abend dänischer Ballette und Opernfragmente in der königlichen Oper, ein etwas populäres Konzert dänischer Orchestermusik in der gläsernen „Tivoli“-Konzerthalle, ferner durch eine Autotour zu „den Schlössern von Helsingör und Frederiksborg, mit einem schönen Konzert der Kopenhagener Sängerknaben in der Schloßkirche, durch diplomatisdic Empfänge usw.

An das nächstjährige Musikfest, das auf Einladung der holländischen Sektion in Amsterdam und Scheveningen stattfinden wird, knüpfen sich nun große Erwartungen, da auch ein von der Jury auszuwählendes Opernwerk zur Diskussion gestellt werden soll und überdies das Fest mit dem 60jährigen Jubiläum des Concertgebouw-Orchesters in Verbindung stehen wird.

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