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Nach der Bregenzer Festwoche

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B r e g e n z,' Mitte August

Der Versuch, inmitten aller drängenden Sorgen der Gegenwart in Bregenz mit einer künstlerischen Festwoche zu beginnen, die nicht wie Salzburg auf eine tragfähige Tradition hinweisen kann, ist geglückt. Die Veranstalter waren vor einem doppelten Problem gestanden: ohne Vorbild aus früheren Jahren ein Programm aufzubauen, das vor dem strengsten Urteil bestehen kann, und Gäste ins Land zu rufen, ohne ihnen irgendwelche Bequemlichkeiten zu bieten, ja unter Verzicht auf Unterkunft und Verpflegung in der Festspielstadt. Beide Aufgaben wurden in befriedigender Weise erfüllt.

Der Besuch war über alle Erwartungen groß. Die Festspiele erfuhren von Seiten der französischen Besatzungsmacht jede erdenkliche Förderung. Die Rede von Professor Susini zeugte von vorzüglicher Kenntnis der österreichischen Geschichte und von größtem Verständnis für sie. Ein Satz verdient hier fetsgehalten zu werden: „Frankreich schätzt das geistige Österreich hoch ein; es betrachtet die Bundesländer, deren Verwaltung es augenblicklich übernommen hat, es betrachtet die Hauptstadt Österreichs als Gebiete von hoher Gesittung, als Bollwerkedes-sen, was wir abendländischchristliche Kultur nennen, mit der wir ewig verbunden sind.“

Großartig war die Teilnahme der Schweiz. Sonderzüge aus St. Margrethen gingen in langen Garnituren, die Autokolonnen rissen manchmal nicht ab. Die Höchstzahl der Grenzübertritte an einem Tage betrug 5000, der Gesamtbesuch aus dem Nachbarlande erreichte 30.000 Gäste. Eine Festwoche, die zum künstlerischen Programm Unterkunft und Verpflegung, dazu Ausflüge in den Bregenzer Wald, ins Montafon und auf den Arlberg bieten könnte, wäre ein starker Magnet des Fremdenverkehrs für ganz Westeuropa. Diese Tatsache hat sich jetzt bereits klar herausgestellt.

Das Programm brachte eine wohlabgestimmte Wahl österreichischer Kunst. Die musikalischen Feierstunden standen im Zeichen der Dreiheit Mozart-Haydn-Beethoven. Die Interpretation von Ton, Gesang und Tanz lag in guten Händen. Aus der Fülle des Gebotenen seien die kirchenmusikalische Aufführung der Krönungsmesse mit dem Ave verum und die zweimalige nächtliche Freilichtaufführung der „Kleinen Nachtmusik“ erwähnt, für die der Gondelhafen einen stimmungsvollen Rahmen bot.

Die Landesbühne wagte sich an „Sieben gegen Theben“ von Max Meli, jenen Versuch, den antiken Stoff in ein Gewand zu kleiden, das uns Heutigen den Geist der Schicksalstragödie nahebringt. Vielleicht hatten die jungen Spieler, die durch das Erleben des großen Krieges gegangen sind, die richtige Sprache für den dämonischen Stoff der Antike. Die Wirkung des Stückes war vielleicht nicht geringer als die der Tragödien von Äschylos.

Die bildende Kunst kam in der Ausstellung der „V o r a r 1 b e r g e r Bauhütte“ zur Geltung. Maler, Bildhauer und Architekten des Landes gaben ein Bild eines Kunstschaffens auf eigenartiger, aus dem Geiste des Stammes und der Landschaft schöpfender Grundlage. Das Bild war ausdrucksvoll und gewinnend. Von starker Wirkung war der Tag der Dichtung und Musik. Der Klassiker Vorarlbergs ist Franz Michel W i 11 a m, der Pfarrer von Andelsbuch im Bregenzer Walde. Um den Meister rankt sich heute der Kreis der Jünger, der Walser Adalbert Welte, der Lyriker Eugen A n-dergas'sen, um nur einige Namen zu nennen. Aus ihren Dichtungen sowie aus Werken der einheimischen Tonschöpfer Ferdinand Andergassen und Ernst K r e a 1 wurde ein Abend bestritten, der einem großen Hörerkreis Kenntnis vom Schaffen der Kräfte des Landes vermittelte. Besonderen Erfolg errang die Vorarlberger Mundartdichtung, vertreten durch Armin D i e m und Hannes G r a b h e r.

Die Sängerknaben vom Wienerwalde unter der Leitung von Professor Maruschyk (St. Gabriel) vertieften die Zuneigung, die sie sich durch ihren Abend im Radio Vorarlberg gewannen, durch die innige Wiedergabe gemütvoller österreichischer Lieder. Das Gastspiel der Wiener Symphoniker war ein Ereignis für sich.

Die Initiatoren der Bregenzer Festwoche hatten eine schwere Verantwortung .übernommen. Bundesrat L e i s s i n g als künstlerischer und Stadtrat S a 1 z m a n n als organisatorischer Leiter der Festwoche dürfen mit dem Ergebnis zufrieden sein.

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