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Frankreichs Presse 1946

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In allen Ländern, die die großen Umwälzungen der letzten Jahre erlebten, macht sich heute ein bedeutender Papiermangel bemerkbar, so auch in Frankreich. Dies ist der Grund, warum die französischen Zeitungen nur eingn sehr geringen Umfang haben. Umso größer ist dafür die Anzahl der Blätter. So gibt es heute in Paris 34 Tageszeitungen und über 40 Wochenblätter. Das ist bei weitem mehr als vor dem Kriege. Außerhalb Paris erschienen nach einer im Herbst 1945 veröffentlichten Statistik 35 Tageszeitungen, darunter rechtsgerichtete Blätter mit einer Auflage von 800.000 und katholische Zefraingen mit 250.000 Auflage. Außerhalb des Mutterlandes bestanden damals 40 katholische und 39 rechtsgerichtete Blätter.

Zeitungseldorado Paris

Die Pariser Tageszeitungen erscheinen auch heute im bekannten Großformat, meist acht-spaltig, aber nur mit zwei Seiten. Wenige Blätter weichen von dieser Aufmachung ab, so zum Beispiel die katholische „La C r o i x“, die im Kleinformat und daher mit vier Seiten erscheint. Die Preise der Zeitungen sind ziemlich hoch, denn heute kostet ein Exemplar, das man 1938 für 25 Centimes kaufen konnte, immerhin zwei Francs, wobei man noch zu berücksichtigen hat, daß der Umfang ja bedeutend kleiner geworden ist.

An der Spitze der bedeutendsten Blätter der Hauptstadt marschieren die Zentralorgane der drei großen Parteien. Wohl das in Paris meistgelesenste ist die „L'H u m a n i t e“, heute im 43. Jahrgang stehend. Das ist für eine kommunistische Zeitung ein schönes Alter, aber man darf nicht vergessen, daß dieses Organ, das von Jean Jaures begründet wurde, eine große Tradition in Frankreich hat. Direktor der „Humanite“ ist der Veteran der Kommunistischen Partei, Marcel C a c h i n, Chefredakteur Georges Cogniot. Die Auflage dieser — auch während der Okkupation„ unterirdisch erschienenen — Zeitung erreicht die Million. Die „P o p u 1 a i r e“, das Zentralorgan der SFIO, steht seit einem Vierteljahrhundert im Dienste der Sozialistischen Partei und wird von Leon Blum als politischem Direktor geleitet. Auch dieses Blatt erschien während der deutschen Besetzung in den Katakomben. Infolge der Schlüsselstellung der Sozialisten im Staate und

durch den Ruf ihres Parteivorsitzenden als eines scharfen Beobachters ist „Populaire“ gegenwärtig wohl das bedeutendste Blatt der Vierten Republik.

„L'A u b e“ ist das Sprachrohr der MRP, der katholischen Mittelpartei, und wird unter Leitung des stellvertretenden - Ministerpräsidenten Francisque Gay herausgegeben.' Auch dieses Blatt existierte schon vor dem Kriege als Organ der katholischen Volksdemokraten — damals freilich nur von zweitrangiger Bedeutung. Heute beträgt seine Auflage über 600.000 Stück.

Eines der ältesten Blätter ist wohl der rechtsgerichtete „F i g a r o“ unter der Leitung von Pierre B r i s s o n. Der „Figaro“ erschien auch während der Okkupation, aber seine Herausgeber verstanden die Kunst desZwischen-den- Zeilen-Schreibens so hervorragend, daß es in Wirklichkeit ein halbillegales Blatt war. „L'A urore“ (Direktor Paul Bastid) hat als Organ der Radikalen Partei heute weniger Bedeutung. Die bekannte Journalistin Madame Tabonis schreibt hier täglich ihre Betrachtungen zur politischen Lage. — Eine Zeitung, die gleichfalls den Radikalen nahesteht, ist „L'O r d r e“, die eine Sport- und Wirtschaftsausgabe hat. Ihr Leiter ist der bekannte Journalist Emile Bure.

Die Widerstandszeitungen -

Eine besondere Gruppe bilden die Blätter der' Widerstandsbewegung. Die linksgerichtete „L i b e r a t i o n“, die auch ein Abendblatt herausgibt, gilt als gut unterrichtet und bestand schon zur Zeit der Besetzung, erschien damals aber unterirdisch und im Kleinformat“. Zwei gleich alte Blätter sind die „Resistance“ (Direktor Jacques Destree) und der unabhängige „Combi t“, der früher in der zunächst nicht besetzten Zone erschien und der sich heute dafür einsetzt, die Kommunisten an die Macht zu lassen, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Der linksgerichtete „F r a n c t i r e u r“ entstand gleichfalls schon in Vichy-Frankreich und war damals ein weitverbreitetes, mit Vervielfältigungsapparaten abgezogenes Rebellenblatt.

Gleichfalls im. linken Fahrwasser schwimmen das „Front Nationa 1“, die linkssozialistische „V o i x de Paris“ (im 2. Jahrgang) und „France Libr e“, die mit einer allgemeinen und Sportausgabe erscheint.

Kiwffincnswe.il jfn3 noch ifie Tageszeitungen Paris Matin“, die beiden rechtsgerichteten

„L'Epoque“ und „Meridian“ sowie die bürgerliche „La Nation“.' Als Informatibnsorgan erscheint „Le Parisien Libere“ (der frühere „Petit Parisien“) und das seriöse „Lt Monde“, das oft die Ansichten des Quai d'Orsay widerspiegelt und das Erbe des „T e m p s“ angetreten hat.

Was liest man abends?

Von, den Abendblättern seien folgende erwähnt! „Chi Soir“ (sozialistisch), dter vielgelesene „C e S o i r“ (das Abendblatt der kommunistischen „L'Humanit£“), das linksgerichtete „National“ und das katholische „La Croi x“, das heute im 6 7. Jahrgang steht.

Auch an die Sportler denkt Paris. Dreimal in der “Woche können alle, die über die sportlichen Ereignisse Bescheid wissen, wollen, den „Sport“ oder „Elans“ kaufen. Als Wirtschaft s-b 1 a 11 von Format sei das Tagblatt „Le Journie Economique et Finan-ciere“ erwähnt.

Die Provinzpresse hat nur untergeordnete Bedeutung. In Lille erscheint „Liberation Nord“, in Metz der „Le Messien“; weitere Tageszeitungen der Provinz werden in Lyon, Marseille, Nancy, Bordeaux, Toulouse usw. herausgegeben. Von besonderem Interesse mag es erscheinen, daß es auch heute noch eine deutschsprachige Presse im Elsaß gibt. Die Titel (zum Beispiel „La Tribüne de Mulhouse“) sind französisch, vielfach auch die tägliche Stellungnahme des Blattes. Die anderen politischen Nachrichten sind deutsch geschrieben, der Lokalteil gemischt zweisprachig. Daneben existieren freilich auch noch rein französische Ausgaben dieser Blätter.

Die Wochen- und Monatsschriften

Eine Unmasse von Wochenzeiturtgen wird in Paris herausgegeben. Gerade in ihnen zeigt sich

das Streben der französischen Intelligenz, am politischen und kulturellen Leben des Landes mitzuarbeiten und seine eigene Meinung zu sagen. „Forces N o u v e 11 e s“ sind das Sprachrohr der katholischen Republikanischen Volksbewegung, „L i b e r t i s“, eine politische Wochenschrift des Sozialismus, „Jeunesse“, jene der jungen Sozialisten. „La Marseillaise“ wandte sich vor nicht langer Zeit gegen die Ideen eines Westblockes. Für die Landbevölkerung bestimmt sind „L a T e r r e“ (kommunistisch) und die sozialistische „La Moisso n“, während „Forces F r a n-c a i s e s“ sich mit militärischen Fragen besdiäftigen. Weitere Wochenblätter sind: „Bataille“, „Carefour“, „Concorde“, „Gavroche“, „Vie Catolique“ und „France au Combat“. Ausschließlich mit politischen Problemen befaßt sich „Politique“, während der “Wirtschaft die „L'Eco-nomie“ und die „Revue Economique et Sociale“ gewidmet ist.

Kulturelle Themen finden sich in der „Renais-sance“ und den neuen „L e s Beiles L e c-t u r e s“, einer „Zeitschrift für klassische und zeitgenössische Literatur“, die Auszüge aus verschiedenen “Werken bringt und über eine gefällige Aufmachung verfügt. „Reform k“ ist ein protestantisches Blatt, gut redigiert und mit einer Spalte „Liturgisches Leben“ versehen. Im Textteil sind auch Aussprüche Christi eingeflochten.

Auch an illustrierten Zeitschriften ist Frankreich heute nicht arm. „France Illustration“ ist seiner Tradition treu geblieben und erscheint mit besten Fotos auf Kreidepapier. Daneben existiert noch „Le Monde ' Illustre'. Eine Reihe von anderen Illustrierten, Romanzeitungen und vor allem Modejournalen vervollständigt das Bild.

Wolfgang Oberleitner-Schwander

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