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Neues aas der Piper-Bücherei

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Mit der Weihnachtsproduktion hat die Piper-Bücherei, die jährlich etwa 14 neue Bändchen vorlegt, den 102. Band erreicht. Dieses schöne Jubiläum sei zum Anlaß genommen, es wieder einmal zu sagen: Jedes dieser Bändchen ist eine kleine Kostbarkeit. Ob Erzählung, Gedicht, alte oder neue Kunst — immer wird in der Tradition dieses Hauses, in dem eine sorgfältig auswählende Hand am Werk ist, Wertbeständiges in allen Bereichen der Kunst gefunden und eine in sich abgerundete Publikation daraus geschöpft.

An Prosa liegen jetzt als Neuerscheinungen vor: Drei Erzählungen von William F a u 1 k n e r, „Abendsonne“, die allen denen, die noch keinen Weg zum oft atemlosen und nicht immer leicht sich aufschließenden Werk dieses amerikanischen Romanciers und Nobelpreisträgers gefunden haben, einen ersten Zugang öffnen werden. „Katzenspaziergang“ von Oda Schaefer, eine Sammlung leichter, aber gehaltvoller poetischer Feuilletons (auch das gibt es im Zeitalter des Journalismus). Irgendwie zur Prosa zählt auch das Bändchen „W a s der Welt ich abgeguckt“ von Ernst Pen-z o 1 d t, wenn freilich es neben drei kleinen Betrachtungen hauptsächlich den Zeichner Pen-zoldt vorstellt, mit 50 Zeichnungen, Illustrationen und verspielten Randglossen des Alltags.

An Gedichten finden wir eine Auswahl aus d£m Werk Johann Christian Günthers (1695 bis 1723), das heute lebendig ist wie je. Paul Hühnerfeld schrieb zu diesem Bändchen Lieder und Gesänge „Entdeckung des Herzens“ (in welcher er die eigentliche geniale Leistung dieses frühverstorbenen Dichters sieht), die Einführung. — Eine Meisterlistung schlechthin ist Auswahl und Ueber-setzung der amerikanischen Lyrik seit 1910 in dem Bändchen „Gedichte aus der neuen Welt“, die Kurt Heinrich Hansen zu danken ist. Nicht nur, daß wir hier in engstem Rahmen alle wesentlichen Namen finden (mit Ausnahme von T. S. Eliot, der aber als Engländer gelten mag), sondern fast alle sind auch durch wirklich kennzeichnende Gedichte vertreten. Das vorzügliche Nachwort eröffnete weitere Ausblicke. (Ein Druckfehler: der Beginn der neuen amerikanischen Lyrik fällt in das Jahr 1914, nicht 1904.) Man legt das Bändchen mit dem Bedauern aus der Hand, daß Hansen nicht Zeit findet, das Gesamtwerk der besten hier vertretenen Dichter — wenigstens das von Ezra Pound, W. H. Audon oder Archibald MacLeish — zu übertragen.

Drei Bändchen alter Kunst: Herbert Kühn, „E i s z e i t m a 1 e r e i“ (50.000 bis 10.000 v. Chr.), 20 Farbtafeln großartiger Kunstwerke aus prähistorischer Zeit; Wulf Schadendorf, „Die Bern-wardstür in Hildes heim“, 52 Tafeln. Schadendorf stellt die Hildesheimer Bronzetür des heiligen Bernward in eine Reihe mit Giottos Judaskuß und Dürers Apokalypse — von Kunstwerken also, an denen jede Deutung letztlich scheitern muß — mit Recht; Karl S c h e f o 1 d, „Pompeji. Zeugnisse griechischer Malerei“, 19 Farbtafeln mit guter Wiedergabe der Tonwerte.

Vier Bändchen neuer Kunst: Ernst Wilhelm N a y, „Aquarelle“. 16 Farbtafeln mit einer klugen Einführung von Fritz U s i n g e r. Nay ist heute in Deutschland sehr in Mode. Seine letzten abstrakten Aquarelle aber sind viel langweiliger als die frühen. etwas blassen, aus der Bretagne und Südfrankreich. Es ist eben viel leichter, verspielte Heiterkeit im Abstrakten Form und Gestalt werden zu lassen, als sich der Verbindlichkeit des Gegenstandes zu stellen. — Oskar Kokoschka, „4 4 Lithographien“. Mit einer Einführung und einem Gespräch mit'dem Künstler von Remigius N e t z e r. Mehr noch als an seinen letzten großen Oelbildern erkennt man an den Blättern dieses kleinen Bändchens, was für ein eminent bildnerisches Talent Kokoschka ist und wie kraftvoll er das zu sagen versteht, was er gesehen hat. — Henry Moore, „Katakomben“, 45 Zeichnungen mit einer Einführung von Hanns Theodor F I e m m i n g. Interessanter wäre es gewesen, neben die vielen Skizzen und Studien für Skulpturen die ausgeführten Plastiken zu stellen, anstatt nur Zeichnungen zu geben. Gerade Plastiken lassen sich auch im Kleinformat wiedergeben, ohne den Eindruck zu verzerren. — Und schließlich: Marc Chagall, „Arabische Nacht e“. 26 Lithographien (davon 13 farbig) zu 1001 Nacht. Mit einer Einführung von Kurt M o 1 d o v a n. Hätten wir unseren Schatz an Superlativen nicht schon verbraucht: hier wären sie alle am Platz! Die Verzauberung, die Chagall gelingt, ist eine vollkommene: die Geschichten von 1001 Nacht werden so schön, wie sie in keinem Buche stehen, sondern wie sie nur in unseren Träumen sein können: wenn wir uns an sie erinnern und sie bereichern durch alle Substanz an Kindheitserinnerungen und an den Wachträumen, die sie beim ersten Hören in uns auslösten. Oder sagen wir es mit Moldovan: „Wie winzige, sternblaue, mondblasse, purpurrote und safrangelbe Zauberteppiche tragen uns diese Blätter Chagalls in das Fabelreich Scheherezades.“

Die Preise dieser so kostbaren kleinen Bücher sind erstaunlich niedrig: die Textbändchen kosten 2 DM, die Bildbändchen 2.50 DM und die Farbbändchen 3.50 DM.

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