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Deutsche Lyrik nach 1945

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Deutsche Lyrik und Prosa nach 1945. Auswahl und Nachwort von Otto F. Best. Verlag S. Fischer, Frankfurt a. M. 96 Seiten. Preis 1.80 DM.

In der kleinen, so handlich wie geschmackvollen Reihe „Schulausgaben moderner Autoren” — einer freundlichen Vorstufe der „ewigkeitsschweren” Lesebücher —. legt Otto E Best, Lektor des Verlages S. Fischer., eine .wohltemperierte Auswahl. neuer Gedichte und kurzer Prosastücke vor. Mit lyrischen Beiträgen sind vertreten: Hans Egon Holthusen, Christine Busta, Paul Celan, Walter Hollerer, Wolfgang Bächler, Heinz Piontek, Ingeborg Bachmann, Günter Graß, Klaus Demus, Johannes Poethen, Walter Helmut Fritz, Thomas Bernhard, Albert von Schirnding u. a. Von 18 Namen sind fünf Oesterreicher. Von den 16 vertretenen Prosaisten dagegen sind nur drei Oesterreicher:. Jeannie Ebner, Ilse Aichinger und Franz Tänzer; wir vermissen vor allem Herbert Eisenreich, Gerhard Fritsch und Herbert Zand.

Die einzelnen Kostproben sind gut gewählt und machen Appetit auf mehr. Im gescheiten Nachwort gibt Best eine ziemlich präzise Ortsbestimmung der neuen Lyrik, die — nach einem Wort Karl Krolows die „Neigung, die Imagination der Logik zu verbinden” auszeichnet.

Gegenwelt. Gedichte. Von Kurt Leonhard. Bechtle-Verlag, Eßlingen. 56 Seiten. Preis 4.20 DM.

Kurt Leonhard, der ausgezeichnete Essayist und Kunstschriftsteller, ist mit seinem ersten Gedichtband rasch — neben Eugen Gomringer („Konstellationen”) — zum Wortführer einer Gruppe von Autoren geworden, denen es um die Schaffung des „abstrakten” oder richtiger wohl „autonomen” Gedichtes geht. Er stellt seinen Gedichten den Satz von Konrad Fiedler voraus: „Nicht ein Ausdruck für ein Sein liegt in der Sprache vor, sondern eine Form des Seins”. So setzen diese Gedichte bewußt dort fort, wo August Stramm, Lothar Schreyer, Kurt Schwitters und die anderen Dichter des „Sturm”- Kreises in Berlin aufgehört haben. Sie lösen das einzelne Wort aus dem Zusammenhang des Satzes, aus den strengen Regeln der Syntax, um es zu entbinden und wirkkräftiger werden zu lassen. Unserer erlebten Welt wird bewußt eine durch ihre Formsetzung autonome „Gegenwelt” entgegengestellt — ein mutiger Versuch, der dem Ungenügen am geschichtlichen Ablauf unserer Welt entspringt.

Diese allgemeine Einstellung zum Gedicht, zu der kritisch sehr viel zu sagen wäre, hat. so scheint uns, nicht in allen Gedichten Leonhards ihren Niederschlag gefunden. Gerade aber die, die weniger ihrer Struktur als ihrer Substanz nach modern sind wie das an den Maler Gris erinnernde „Stilleben” und das erschütternde „Wessobrunner Gebet” — scheinen uns die vorzüglichsten des Bandes zu sein. Sie werden Bestand haben.

Topographien. Gedichte 1954/55. Von Helmut Heißenbüttel. Bechtle-Verlag, Eßlingen. 56 Seiten. Preis 4.20 DM.

Zu den Autoren, die sich um das „autonome” Gedicht bemühen, gehört auch der heute 36jährige Hamburger Helmut Heißenbüttel. Seinem ersten Gedichtband „Kombinationen” folgt nun der zweite, ebenso sachlich „Topographien” benannt. Seinen Gedichten schickt Heißenbüttel die Definition des Wortes „Topographien” aus dem „Neuen Brockhaus” voraus. Im Grunde hat der Titel aber gar nichts mit der Sache zu tun. Es handelt sich teilweise um Montagen (Sätze aus Gedichten und Zeitungen), teilweise um eine stenographische Aneinanderreihung von Worten, deren Oberflächenreize aufs erste faszinieren. Sopst .ift nicht viel zu diesen Gedicht?:?; zu ä. jagen. Loben wir ętatt dessen cĮen. Einband, (įęt,-v0JV4 Professor H. Ä. P. Grieshaber sehr ansprechend ge-, staltet wurde.

Risse des Himmels. Gedichte. Von Johannes Poethen. Bechtle-Verlag, Eßlingen. 56 Seiten. Preis 4.20 DM.

In derselben hübsch ausgestatteten Lyrikreihe des Bechtle-Verlages wie die beiden vorgenannten Bände erscheinen auch die Gedichte Johannes Poethens, doch sind sie von ganz anderer Art. Poethen selbst grenzt den Themenskreis seiner Gedichte mit den Begriffen „erinnerte Mythologie” und „herrschende Großstadt” ein. In einem von ihm früher (im Band „Mein Gedicht ist mein Messer”) erschienenen Essay „Im Labor der Träume” schreibt er über die „Herstellung lyrischer Gebilde”: „In einem Labor wird bewußte und möglichst korrekte Arbeit getan; Träume verlaufen unbewußt und nicht korrigierbar.” Poethen versucht nun, „die Träume unter Kontrolle zu bringen”. Daraus entsteht, was Artmann einmal „gelenkten Surrealismus” nannte: im Falle Poethen einzelne sehr gelungene Texte, sonst aber nichts allzu Aufregendes. Seltsame Zeit, in der die Formulierung des Entstehungsprozesses eines Gedichtes soviel leichter gelingt als das Gedicht selbst!

Achtsam sein. Gedichte. Von Walter Helmut Fritz. Verlag Jörg Steiner, Vorstadtpresse Biel. 48 Seiten mit Holzschnitten von Willi Leiser und einem Vorwort von Karl Krolow.

Behutsame, zarte, tief empfundene Gedichte ohne ausgesprochene Originalität. Sie berühren bescheiden und sympathisch; schon dadurch, daß sie picht mehr anstreben und zu sein vorgeben als sie sind. Man stimmt Krolow zu. der sie so charakterisiert: „Ihre Dezenz liebt die Wirkung nicht, den Putz, den man gern und überall anlegt… Was hier versucht wird, ist rasch zu erkennen- eine wache, empfindlich reagierende Sensibilität ist dabei, sich und die Welt zu entdecken . . .” Walter Helmut Fritz, Jahrgang 1929, studierte Philologie und ist Studienassessor in Karlsruhe. Er wird bestimmt seinen Weg machen.

Lustige Verse für kleine Leute. Von Josef Guggenmos. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg. 48 Seiten mit Zeichnungen von Hadmut Hilf.

Reizende Verslein von verhaltener Eigenart, die sich wohltuend von dem unterscheiden, was sonst Kindern an Reimereien vorgesetzt wird (und meist mehr kindisch als kindlich ist). Das Bändchen sei bestens empfohlen; leider ist die Ausstattung etwas dürftig. Die begleitenden Zeichnungen dagegen sind wirklich nett.

Gefährliche Uebung. Gedichte. Von Margot Scharpenberg. Verlag R. Piper & Co., München. 64 Seiten. Preis 6.50 DM.

Trotz aller Modernität bewahren sich diese Gedichte den Reiz fraulicher Wärme. Sie sind entzückend einfallsreich und auf ganz selbstverständliche Weise originell. Zuweilen wirken sie aber zu verspielt-vertändelt. Margot Scharpenberg, geboren 1924, lebt als Bibliothekarin in Köln. Nach Ingeborg Bachmann hat der Piper-Verlag hier wieder eine Autorin gefunden, auf deren weitere Entwicklung man gespannt sein darf.

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