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Benrath und Baader

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Henry Benrath in memoriam. Herausgegeben von Rolf Italiaander. Deutsche Verlags- Anstalt, Stuttgart. 200 Seiten. Preis 14.80 DM.

Die Beiträge dieses gehaltvollen, von dem .bekannten Schriftsteller Rolf Italiaander herausge gebenen Gedenkbuches spiegeln die Wirkung dei Persönlichkeit und des Werkes des Dichters Henrj Benrath (1882 bis 1949) auf Menschen, von dener ihm einige freundschaftlich verbunden -waren. Ver fasser sind u. a. Max Brod, E. R. Curtius, Kasimi) Edschmid, Ernst Sander, Fritz Usinger und Kar! Wolfskehl. Die persönlichen Erinnerungen inersten Teil des Buches bezeugen, daß Benrath nichl nur ein Meister des geschriebenen, sondern auch des gesprochenen Wortes war, ein bezaubernde) Plauderer und Improvisator, der die heute so seltene Kunst des Gesprächs souverän beherrschte Seine dichterische Gestaltungskraft wurde so auch in seinem privaten Leben offenbar. Er verband weltmännische Lebensform mit der Disziplin des Schaffens. Seine überlegene Selbstsicherheit wurzelt in seiner harmonischen Natur, die stets nur ihrem klar erkannten Gesetz folgte. Meistens auf Reisen lebend, war er, immer ein echter Herr, in vielen europäischen Ländern und in den Kreisen der höheren Gesellschaft heimisch. — Sehr lebendige Schilderungen seines Wesens geben G. Hillard- Steinbömer und R. Italiaander. Von den literarischen Würdigungen im zweiten Teil ist besonders der hervorragende Aufsatz von F. Usinger, eine tiefgründige Deutung der dichterischen Welt Benraths, zu nennen. Die ausführliche sorgfältige Bibliographie von Wilhelm Hans Bräun ist eine wertvolle Grundlage der Benrath-Forschung. Das Buch, ein schönes literarisches Denkmal für einen großen Künstler, ist für alle Freunde des Dichters sehr aufschlußreich, denn es zeigt in eindringlicher Weise das Faszinierende seiner vergänglichen irdischen Erscheinung und das Unvergängliche seines Werkes.

Dr. Theo Trümmer

Gedichte. Von L W. Rochowanski. Edition Bernard Medan. 124 Seiten.

Das ist keineswegs, wie dies von anderer Seite behauptet wurde, der Zugang zur lyrischen Welt des aus Zuckmantel im österreichischen Schlesien Gebürtigen; er hat schon als Siebenundzwanzigjähriger vor dem ersten Weltkriege — und dies ist überaus kennzeichnend — mit Gedichten in schlesischer Mundart begonnen; im Volkstone also. Der Schlesier konnte es kaum anders, und was er in der Folge auch an Versbüchern, Novellen und Theaterstücken geschrieben, es führt eine Straße von jenen ersten Klängen der ernsten, besinnlichen, zwischensinnlichen Landschaft zu, die aus dem vorliegenden, eigenwillig gesetzten und gedruckten, geschmackvoll ausgestatteten Bande allerorts zu vernehmen sind. Keine gemalten Fensterscheiben im Sinne Goethes sind diese Verse; blickt man vom Markte in den Innenraum, so erkennen wir die Gegenstände klar, so scharf, wie wenn wir vom Raume, der die Welt des Dichters umschließt, nach außen sehen. So wirkt das Erbe des Volkstums, freilich in einer anderen Weise, als dies die Redensart vergangener Tage vorstellte. Neben wirklichen Liedern, die nur darauf warten, komponiert zu werden — merkwürdig, daß etliche von ihnen die Verdichtung des Erlebten ins Wesentlichste, ins Angedeutete, mit zarten Pinselstrichen bewirken, wie wir dies von der japanischen Lyrik kennen —, neben solchen Stücken stehen aber auch viele in durchaus persönlicher Sprache. Diese, an Bildern gesegnet, wogend wie die reife Saat im Spätsommerwind eines Hügellandes, bewirkt Stimmungen aus der Entwicklung von Einzelheiten, von Aehre zu Aehre, und überläßt den Empfindenden jenen unsagbaren Rest, der aus dem Blauhimmel kommt und in diesen kehrt. Hanns Salaschek

Ueber Liebe, Ehe und Kunst. Aus den Schriften, Briefen und Tagebüchern von Franz Baader. Ausgewählt, eingeleitet und mit Texthinweisen von Hans G r a s s 1. Verlag Kösel, München, 269 Seiten. Preis 15.50 DM

Mit diesem Bande beginnt eine auf vier Bände berechnete, nach modernen Gesichtpunkten angeordnete Auswahl aus Baaders gesamtem Lebenswerk einschließlich der Briefe und Tagebücher zu erscheinen, deren Anordnung so gedacht ist, daß der zweite Band die Lehre von der Gesellschaft, der dritte die Tagebücher, Briefe, Notiz- und Exzerptenhefte enthalten soll, während der vierte Teil mit der Grundlegung einer christlichen Philosophie diese Auswahl zum Abschluß bringen wird. Man kennt die Epoche des deutschen Idealismus nicht, wenn man den Gegenspieler Kants und der Idealisten, eben Baader, nicht kennt. Er ist vom Stamme Hamanns und Jacobis, der Glaubensrealisten, die, durch die riesigen Wogen des Idealismus überspült, erst im 19. Jahrhundert wieder recht sichtbar werden. Baader ist in der deutschen Geistesgeschichte keine quantitee negli- gėable, sondern gehört zum täglichen Brot dessen, der mit dem 19. Jahrhundert (und dem 20. Jahrhundert obendrein) zu tun hat. Er war führend in der Heiligen Allianz, in dem Versuch einer Wiedervereinigung der christlichen Konfessionen wie in der christlichen Gesellschaftslehre. Seinem geistigen Gut kann man auch heute auf Schritt und Tritt begegnen. Baaders „Mitte"-Begriff ist in der kunstgeschichtlichen Literatur modern, seine Gegenüberstellung von Zeitfreiheit und Zeitlosigkeit macht den tragenden Grundgedanken eines heute vielgenannten kulturphilosophischen Werkes aus, das es versäumt, den Namen Baaders auch nur zu erwähnen. Da ist es denn hoch an der Zeit,

wieder einmal das Original vor sich zu haben. Der vorliegende erste Band enthält erstmals Auszüge aus den etwa 130 Tagebüchern, Notiz- und Exzerptenheften Baaders, die in der Bayrischen Staatsbibliothek aufbewahrt werden. Im Gegensatz zu Baaders Herausgeber Hoffmann, der Baader in ein idealistisches System einpressen wollte, gliedert Grassl den systemlosen Baader hier vom Text her in Problemkreise auf. Das Philologische des Bandes beruht auf der Textinterpretation, so daß der heutige Leser auch einen Zugang zu Baaders Texten mitbekommt. Freilich werden durch diese Auswahl die bahnbrechenden Baader-Forschungen Eugene Susinis. in keiner Weise berührt, dessen Editionen ein für allemal klassischen Rang haben. Das Grundprinzip, von dem sich der Herausgeber leiten ließ, kann nur begrüßt werden. Er selbst nennt es „Freilegung des inneren Beziehungs- gefügts“.

Die 59 Seiten umfassende, allgemein orientierende biographische wie auch textliche Einleitung faßt in klarer und gediegener Sprache das heute Wissenswerte über Baader zusammen. Rund fünfzig Seiten Texthinweise und Anmerkungen unterbauen das ausgewählte textliche Material auf das beste und lassen nur den dringenden Wunsch nach dem raschen Erscheinen der weiteren drei Bände offen. Herausgeber und Verlag haben mit dieser Baader-Auswahl dein Geisteshistoriker einen großen Dienst erwiesen.

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