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Ein vergessener Meister

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Nicht nur als Pendant und Ergänzung zu Leopold Nowaks im gleichen Verlag erschienenem Buch über Joseph Haydn, dem es in Anlage und gediegener Ausstattung brüderlich gleicht, ist dieses Buch von Bedeutung. Die Entdeckung dieses „vergessenen“ Meisters hat neben dem musik- und kulturhistorischen einen eminent erzieherischen Wert als Beispiel und Vorbild bescheidener Einordnung in gegebene Verhältnisse und deren Meisterung ohne den Zug zu ihrer Zerstörung! sowie als Beweis, wie Außerordentliches aus der Ordnung unbeirrbarer, stärker und sicherer erwächst als aus dem Umsturz. Es ist das Buch von einem Meister, der nie die Welt in dem Grade mit seinem Namen erfüllt hat als 6ein großer Bruder Joseph (obwohl auch der seine bedeutender war, als wir heute anzunehmen geneigt sind), der aber zu jenen Berufenen gehörte, die am Hause mitbauen, wenn auch nicht an Firet und Giebel, und dies als ihre Aufgabe erkennen. Daß von ihnen, durch ständige Neubelebung und. wohl auch gelegentliche Erweiterung bestehender Formen, das Neue seinen unaufdringlichen Anfang nimmt, hat Hans Janoik mit fast zärtlicher Hingegebenheit an der Hand der Lebens- und Schaffensgeschichte Michael Haydns dargetan, ohne die eine von der anderen zu trennen, was einen besonderen Reiz und Vorzug des Buches ausmacht, da es nirgends papieren wirkt. Es ist, zumal in den Salzburger Kapiteln, die den größten Teil füllen, von fast poetischer Beschwingtheit, und der liebevoll demütige Unterton, nie zu selbstherrlichem Urteil, vielmehr stets zu vergleichender Anschaulichkeit neigend, dürfte auch sicherer 6ein Ziel erreichen als jede protokollierte Graduierung: das Bild Haydns aus seiner Zeit und in seiner Hereinwirkung in die Gegenwart im Leser lebendig zu machen, ihn in der großen Ordnung musikalischen Geschehens erfühlen zu lassen. Die Themenvergleiche mit Werken W. A. Mozarts zeigen den Höhenflug des Größeren ebenso klar als seine dem Älteren, bescheidener Schaffenden verdankte Fülle von Anregungen und Befruchtungen. Der Hintergrund, die kulturelle Situation der Zeit, das Verhältnis zwischen Fürst und Untertan, ist eingehend behandelt, manche Zustände, wie beispielsweise das rücksichtslose, um das Dach der Bewohner unbekümmerte Niederreißen der alten Häuser im Zuge des großen Neubaues der Stadt, sind zum ersten Male in einem Salzburger Musikbuch zu lesen. Dennoch bleibt die Darstellung frei von bloßen Kombinationen und im biographischen Sinne kann ein Wort Thomas Manns für dieses Buch gelten „Hier wird nicht phantasiert, sondern erzählt.“ Eine den historischen und kulturellen Rahmen noch weiter spannende Zeittafel ermöglicht außerdem eine letzte Übersicht am Ende des Buches von höherer Warte. Eine Empfehlung erübrigt sich. Das Buch spricht für sich selbst als eines der bedeutendsten heimischen Musikbücher unserer Zeit.

Gespräche mit Kafka. Erinnerungen und Aufzeichnungen von Gustav Janouch. S.- Fischer-Verlag. 138 Seiten. — Erzählungen. Von Franz Kafka. S.-Fischer-Verlag (Lizenzausgabe von Schocken Books, New York). 320 Seiten.

Im Jahre 1920 lernte der Gymnasiast Gustav Janouch durch seinen Vater, einen höheren Beamten in der Prager Arbeiterunfallversicherung, Franz Kafka kennen, der in der Rechtsabteilung der gleichen Anstalt tätig war. Kafka scheint an dem jungen verseschreiben- den Menschen Gefallen gefunden zu haben, er mochte damals auch besonders einsam gewesen sein. Jedenfalls sprach er oft mit ihm, meist kurz, und Janouch hat die Worte Kafkas damals gleich in seinem Tagebuch aufgezeichnet. Der Blick, den Kafka auf Welt und Menschen warf, nicht sehr scharf im Erfassen des Äußern, drang um so tiefer unter die Oberfläche. So wurde alles transparent, wie vor einem Röntgenschirm. Religiöse, soziale, • literarische Themen und Privates wurden — meist in aphoristischer Art — behandelt, ganz ohne Ambition und Geistreichelei. Doch ist alles bedeutungsvoll, hintergründig, wei6e und — wo e6 6ich um Menschliches handelt — überaus verständnisvolll und gütig. Der Prager Ton ist deutlicher hörbar als in Kafkas Originalwerken.

Auch in dem einzigen vollendeten Kapitel („Die erste lange Eisen bahn fahrt“) eines gemeinsam mit Max Brod geplanten Romans, der in den „Erzählungen“ abgedruckt ist, sehen wir den Menschen Kafka in hellem Tageslicht. Unter den Namen Richard und Samuel bergen sich die beiden Freunde Franz Kafka und Max Brod. Von Richard = Kafka heißt es in der Vorbemerkung: „Richard hat keinen bestimmten Interessenkreis, läßt sich von rätselhaften Gefühlen, noch mehr von seinen Schwächen treiben, zeigt aber in seinem engen und zufälligen Kreise so viel Intensität und naive Selbständigkeit, daß er nie zu schrullenhafter Komik ausartet.’ Das scheint uns eine gute Charakteristik des Menschen. Uber den Schriftsteller bleibt un6 anläßlich der Veröffentlichung dieses reichhaltigen Bandes mit Erzählungen, Novellen, Anekdoten und Fragmenten nicht Neues zu sagen, nachdem Kafkas Werk an dieser Stelle bereits mehrfach ausführlich gewürdigt wurde („Die Furche“ 1951, Folge 3, 30 und 46).

Dante. Von Friedrich Freiherr von Falkenhausen. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1951. 202 Seiten.

Das Büchlein will eine Einführung in die geistige Welt Dantes sein. Die Methode ist die knapper, vor allem sachlicher Darstellung des heute gesicherten Wissens von Dantes Leben, Umwelt und geistigen Quellen. Die Streitfrage, ob Dante dem Mittelalter oder der Renaissance angehört, entscheidet Falkenhausen für das Mittelalter, ohne sich in genaue Definitionen einzulassen, worin das Wesen beider Epochen und Stile zu sehen sei. Dante gehöre wohl einer „Zeitenwende“ an, die aber nicht zwei Zeiten voneinander scheide, sondern „Erfüllung des Mittelalters“ sei, nicht Vorrenaissance. Literatur wird nicht hejan- gezogen und kritisch beleuchtet. Gewissenhaft wird bei jeder Dante-Hypothese, von denen unser Wissen von Dante übervoll ist, abgewogen, ob 6ie erweisbar ist oder nicht, wie ja das ganze Buch sich maßvoller kritischer Zurückhaltung befleißigt. Die Darstellung wählt vor allem die biographischen Momente aus Dantes Leben, um jeweils Betrachtungen über Entstehung und Sinn der Werke einzuflechten. Falkenhausen gewinnt dadurch einen flüssigen Berichteton für sein Buch, das sich gut liest und den Leser mit allem nötigen Material bekannt macht. Der Hauptgesichtspunkt de6 Buches ist der historische. Leider kommt der philologische und philosophische etwas zu kurz. Wer die entsprechenden Abschnitte über Dante in dem bedeutenden Werk von R. E. Curtius „Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter kennt, weiß, welche höchst wichtigen historischen Schlüsse die Wissenschaft von der europäischen Literatur gerade zur Kenntnis Dantes beitragen kann. Bei künftigen Auflagen wäre es ratsam, die von Robert John erhellten Zusammenhänge Dantes mit der Templergnosis einerseits, mit den großen theologisch-philosophischen Lehrgedichten eines Bernhard Silvestri6 und Alanus von Lille andererseits zu würdigen. Es sei gerne zugestanden, daß das vorliegende kleine Werk seinen populären Charakter bei größter Gewissenhaftigkeit zu wahren weiß. Es ist vorzüglich geeignet, breiten Schichten von Interessierten zur ersten Einführung in Leben und Werk Dantes zu dienen.

Die köstliche Flamme. Gedichte. Von Rudolf Stibill. Otto-Müller-Verlag, Salzburg. 80 Seiten.

In diesem sehr ansprechend herausgebrachten Lyrikband legt der junge Grazer Dichter nach den in „Vox humana’ (1947) gesammelten frühen Gedichten eine reife Probe seines Talents vor. Ohne die eindringliche Bildhaftigkeit, ohne die barocke Fülle und Bewegtheit, die im ersten Band elementar hervorbrachen, verloren zu haben, sind die vorliegenden Arbeiten nunmehr durch formale Disziplin und geistige Überlegenheit gekennzeichnet.

Die Spannweite der Aussage, die von der Melodik des reinen Gedichtes über hymnische Strophen zur ernsten Deutung von Zelt und Sein im Sonett reicht, ist bemerkenswert. Besonders reizvoll die spielerische Leichtigkeit der fabulierenden „Gedichte für Kinder“.

Mit brüderlicher Geste werden die Dinge in das Wort eingeholt, Stein und Brunnen, See und Blume, und erhalten so Sinngebung und Standpunkt. „Die Thronrede des herrschenden Menschen“ hingegen meißelt dig erschütternde Plastik des hybriden Menschen der Jetztzeit.

Mit der „Köstlichen Flamme“ reiht sich Rudolf Stibill, neben Begabungen wie Christine Busta und Franz Kießling, in die vorderste Reihe de6 lyrischen Nachwuchses in Österreich ein.

Biblos, österreichische Zeitschrift für Buch- und Bibliothekswesen, Dokumentation und Bibliographie. Jahrgang 1, Heft 1, 32 Seiten. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Gesellschaft der Freunde der österreichischen Nationalbibliothek.

Unter der Führung von Generaldirektor DDr. Josef Stummvoll haben sich erste österreichische Fachleute auf dem Gebiete des Bibliothekswesens der Dokumentation und der Bibliographie zusammengefunden, um ihren wissenschaftlichen Bestrebungen und Anliegen ein Sprachrohr zu schaffen. Die neue Zeitschrift, die als Organ der „Gesellschaft der Freunde der österreichischen Nationalbibliothek“, der „Vereinigung österreichischer Bibliothekare“ und der „österreichischen Gesellschaft für Dokumentation und Bibliographie“ erscheint, fußt auf angesehenen geistigen Vorläufern und auf alten Traditionen. Stehen doch unter dem Aufrufe aus dem Jahre 1921, der die Ziele der „Gesellschaft der Freunde der österreichischen Nationalbibliothek“ darlegt, Namen wie Hugo von Hofmannsthal, Oswald Redlich und Hedwig Bleibtreu. Mit Recht ist deshalb ein einbegleitender, wichtiger Abschnitt der Darlegung der geistigen und organisatorischen Grundlagen, des bedeutsamen Vorschaffens gewidmet. Daran vermag sich gleich ein Nachweis dessen zu schließen, was — besonders rühmenswert in der Zeit der Kriegs- und Nachkriegsbedrängnis — an neuer, konstruktiver Arbeit bereits geleistet werden konnte 4- ein Rechenschaftsbericht von eindringlicher Stärke. Nachrichten aus dem Bibliothekswesen schließen und runden das Bild einer Publikation, die in ihreiri weitgesteckten Bereich eine bedeutsame Funktion zu erfüllen hat und zu erfüllen verspricht.

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