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Musikerreihe: Alte Meister

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Claudio Monteverdl. Von H. F. Redlich. 232 Seiten. — Johann Sebastian Badi. Von A. E. Cherbuliez. 249 Selten. — Georg Friedrich Händel. Von A. E. Cherbuliez. 389 Seiten. Sämtliche Verlag Otto Walter AG, Ölten.

Die Musikerreihe des Schweizer Verlages umfaßt eine Reihe von Monographien, welche fachwissenschaftliche Gediegenheit mit ansprechender Darstellung vereinigen und sich durch einen weiten geistesgeschichtlichen Horizont auszeichnen. Die vorliegende Monteverdi - Biographie von H. F. Redlich, der als der beste Kenner der Materie gelten kann, schwenkt am weitesten auf das Gebiet des Fachbuches über. Die Begründung ist vor allem dadurch gegeben, daß es sich hier um die erste monographische Darstellung in deutscher Sprache handelt, wenn wir von einer Dissertation aus dem Jahre 1887 absehen. Und Monteverdi war nicht nur die bedeutendste, allenfalls interessanteste Erscheinung auf dem Gebiete der Musik zwischen Palestrina und Bach, sondern seine Wirksamkeit ist gerade in der Gegenwart wieder sehr zu spüren. Seit Francesco Malipiero die Gesamtausgabe begann und H. F. Redlich mit seinen Studien einsetzte, ist das Interesse an dem Musikdramatiker nicht mehr erloschen. Bezeichnenderweise ist dieses Interesse weniger ein philologisches, sondern ein lebendigmusikalisches, und auch der Autor wurde auf Monteverdi durch einen schaffenden Musiker hingewiesen, dem wir die Erneuerung des .Orfeo' zu danken haben: durch Carl Orff. (Andere Bearbeitungen, etwa die Respighis und Kreneks „Incoronazione di Poppea lehnt Redlich als „ungehemmte romantische Klangumwertungen“ ab, wogegen er die Schallplatten Nadja Boulangers gelten läßt.) Das Leben Monteverdis war denkbar undramatisch und ist in Einzelheiten übrigens auch schwer erschließbar. Dagegen besteht über sein Werk jede wünschenswerte Klarheit, nachdem Redlich neben dem letzten Madrigalisten und dem ersten Opernkomponisten auch den Kirchenmusiker entsprechend würdigt. Monteverdi war Spätling und Vorläufer. Spätling übrigens auch in bezug auf seinen Gesamtstil, die Klangfarbenpracht, die durch Tizian, Tinto-retto und Veronese vorweggenommen scheint. — Als Dramatiker beschäftigt ihn das Problem des Wortes und seiner musikalischen Deutbarkeit, die musikalische Darstellung der Affekte und Charaktere — bis zur Vertiefung der Charakterisierungskunst im psychologischen Musikdrama. — Die gründliche wissenschaftliche Arbeit Redlichs zeigt sich vor allem auch im Anhang, der das Editionsproblem behandelt und neben einer ausführlichen Zeittafel mehrere Register enthält.

Mit dem Bande „Bach“ von Cherbuliez, der auch ein richtungweisendes Geleitwort von Paul Schaller enthält, wurde seinerzeit die besprochene Musikerreihe eröffnet. Das Ziel, den Liebhaber zum Kenner heranzubilden, wird in diesem Band besonders glücklich angesteuert. Bach wird nicht nur als Musiker, sondern auch als Kind seiner Zeit im Kräftespiel von Aufklärung und Absolutismus, Ständewesen und Schulhumanismus, Orthodoxie und Pietismus — im Rahmen des Luthertums — gezeigt. Seine Universalität aber überspannt den Gegensatz zwischen „domhaftem Musikgeist und kleinbürgerlichem Erdendasein“. Cherbuliez gibt keine eigentlichen Werkbesprechungen, sondern erläutert und kennzeichnet das Opus im Rahmen der Biographie. Dagegen teilt er eine Reihe interessanter Dokumente mit, von denen nur der köstliche Brief aus dem Jahre 1730 an den russischen Geschäftsträger in Danzig (S. 158 bis 160) hervorgehoben sei, den man mit einem lachenden und einem weinenden Auge liest. Das gleiche gilt von dem zeitgenössischen Urteil des Herausgebers des „Critischen Musicus', Scheibe, der meint, Bach sei in der Musik, „was ehemals der Herr von Lohenstein in der Poesie war. Interessant ist auch die Bemerkung des Autors, daß Bachs weltliche Kantaten eine szenische Darstellung sehr wohl vertrügen. — Auf die besondere Aktualität Bachs in der heutigen Zeit, da wir wieder nach einer Synthese zwischen linearem (eigentlich „paralinearem) und harmonisch fundiertem Stil streben, braucht nicht besonders hingewiesen zu werden. — Im Vorwort findet sich ein reiches LiteraturverzeichniSj mehrere Indices und eine acht Seiten umfassende Zeittafel bilden den Anhang.

Der gleiche Autor hat das Leben Händeis erzählt, das mit den Stationen Halle, Hamburg, Florenz, Rom, Venedig, Neapel, Hamburg und London für eine Biographie ungleich dankbarer ist. Das Einleitungskapitel behandelt Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten der beiden großen Barockmeister, insbesondere den Unterschied zwischen Bachs mehr introvertierter und Händeis dynamisch-expansiver Persönlichkeit. — Bei ähnlichem Ausgangspunkt nimmt Händeis Entwicklung doch einen wesentlich anderen Lauf. Die beiden bestimmenden Kräfte hiefür waren: die italienische Oper und das englische Musikleben, das seinerseits von Händel wieder allerstärkste Anregungen empfing, die sich in der Chorpflege des 19. Jahrhunderts, ja bis auf den heutigen Tag auswirken. — In diesem Band wird fast jedes der größeren Werke Händeis gesondert kurz besprochen, so unter anderem seine 40 Opern und etwa 30 Oratorien. Besonders verwiesen sei auf einen kurzen Exkurs über die Bettleroper (S. 205 bis 206). Wie den bereits besprochenen Bänden sind auch diesem neben Bildern und Faksimiles ausgezeichnet gearbeitete Zeittafeln, Werkverzeichnisse und Register beigegeben.

Dr. H. A. Fiechtner

Das nlederösterrelchtsche Landhaus. Von

Ruppert Feuchtmüller. 44 und XII Seiten und 50 Lichtdrudctafeln nach Aufnahmen von Karl Behrens, österreichische Staatsdruckerei, Wien.

Außer der Hofburg offenbart kein Profanbau Wiens Raumschöpfungen und Raum-dekorationen von der Gotik bis zur romantischen Stilphase des 19. Jahrhunderts wie das niederösterreichische Landhaus. Es ist das dankenswerte Verdienst Feuchtmüllers, in der vorliegenden Monographie die Hauptleistungen der einzelnen Stile in ihrer wesentlichen Bedeutung charakterisiert zu haben: die gotischen Räume, die Anton Pilgrams Kunst besonders nahestehen, die Renaissanceräume, die Hans Saphoy und Georg Haas verdankt werden, die barocke Dekoration des großen Sitzungssaales von Antonio Beduzzi und den Neubau des Landhauses durch Ludwig Pichl. Bedauerlich bleibt, daß der Bildteil durch die ungenügenden Aufnahmen, die unscharfe und in den Größen unwirkliche Lichtdrucke ergeben — die Tafel 13 steht sogar auf dem Kopf —, bereits im Augenblick seines Erscheinens veraltet und überholt erscheint. Von der monumentalen Größe der Fassaden und der Schönheit der Räume vermögen die Bildtafeln kaum eine Anschauung zu vermitteln. Univ.-Prof. Dr. Bruno Grimschitz

Das Leben der Seele. Von Alfons G r a t r y. Nach dem französischen Urtext frei bearbeitet von Nora Urban. Verlag Johann Leon sen., Klagenfurt-Wien. 309 Seiten.

Das vorliegende Buch ist eine freie Bearbeitung des gleichnamigen, acht Bücher umfassenden Werkes des französischen Romantikers Gratry, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich viel gelesen und hoch geschätzt wurde, heute aber, man darf wohl sagen, völlig vergessen ist. Man wundert sich über die Erwartung, daß dieses literarische Gemenge von Theologie, Philosophie und Psychologie (letztere überdies nach dem Stand vor etwa 100 Jahren) heute noch einen größeren deutschen Leserkreis finden werde. Mit dieser Feststellung soll nicht geleugnet werden, daß die zusammenfassende Ausgabe viele schöne und tiefe Gedanken enthält. Aber über „Das Leben der Seele“ wird heute anders geschrieben. Die Zahl der Romantiker, die heute noch Beachtung finden, ist gering. Gratry gehört wohl nicht dazu. Man mag das zum Teil mit Recht bedauern, aber geistige Wiederbelebungsversuche bleiben für gewöhnlich ohne Erfolg.

Der gebildete katholische Leser wird sich mit Recht an manchen Äußerungen stoßen, die in dem von der Bearbeiterin stammenden „Nachwort“ enthalten sind. Der Verfasserin scheint es entgangen zu sein, daß der geistige Liberalismus mit seinen Schlagworten, zum Beispiel vom Widerspruch zwischen Glauben und Wissen, von führenden Männern der Wissenschaft überwunden ist. Sonst könnte sie wohl kaum schreiben, daß „der Zweifler entdeckt, daß die Schöpfung, vom Glauben aus besehen, ein ungeheurer Widerspruch ist — ein Widerspruch, an dem auch die Kirche nicht vorbeigehen kann und den sie in der Figur des Teufels (!) symbolisiert. Der Priester und Romantiker Gratry würde sich auch höchlichst wundern, wenn er im Nachwort der Bearbeiterin seines Werkes den Satz läse: „Noch trägt das Wort .Glaube' zu viel Spuren geistiger Beschränktheit und fanatischer Unduldsamkeit an sich, und die Zeiten, da die Kirche im Namen Christi Andersgläubige verbrannte, sind noch nicht vergessen. Wohl von jenen „nicht vergessen, die heute noch von liberalistischen hohlen Schlagworten leben.

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