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Von Mozart bis zum Jazz

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Mozart. Wesen und Wandlung. Von Erich Valentin. Otto Müller Verlag, Salzburg, 272 Seiten. 2. Auflage. Preis 72 S.

Dieses Meisterwerk der Deutung und Darstellung ist 1947 in erster Auflage erschienen und wurde von der Fachkritik eingehend gewürdigt. Nicht Biographie, sondern „Mozart als Gesamterscheinung" heißt Valentins Thema, dessen Akzente nicht auf dem Werk, sondern auf der menschlichen Persönlichkeit Mozarts liegen. Erwähnen wir nur einige der Gesichtspunkte und Motive: Schwäbisches und Alemannisches bei Mozart, Ethos oder Eros? Kritische Lebenshaltung, Hilflosigkeit und Selbstbewußtsein, seine — in späteren Jahren dogmenfreie — Religiosität, sein Wissen um den Tod, den er in einem Brief an den Vater „den wahren Erwecker unseres Lebens" nennt u. a.

In den 154 Anmerkungen finden sich Anleitungen zu Einzelstudien und Fingerzeige zu wichtiger Literatur. In einer umfangreichen, zeitgeschichtlichen Uebersicht wird Mozarts kurzes Leben in Beziehung gesetzt zu den wichtigsten Daten der Musik-, Literatur- und Theatergeschichte, der bildenden Kunst und allgemeinen Ereignissen der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte vön 1756 bis 1791. .

Das Jahrhundert des Walzers. 1. Band. Johann Strauß Vater. Ein Werkverzeichnis von Max Schönherr und Karl R e i n ö h 1. Universal- Edition, London-Wien-Zürich. 368 Seiten.

Eine Bemerkung in dem großen Wien-Buch von Kralik und Schiitter, daß die Walzertitel von Johann Strauß „immer einen Leitfaden durch die Wiener Kulturgeschichte bieten", gab die Anregung zur Ausweitung dieses „Werkverzeichnisses" zu einer wirklichen Kulturgeschichte der Kaiserstadt zwischen 1828 und 1899. Bekanntlich sind die allermeisten Walzer von Strauß Vater zu bestimmten Gelegenheiten oder auf bestimmte Anregungen hin geschrieben worden. Diese werden dargelegt und mit den übrigen Ereignissen der Zeit in Verbindung gebracht. Hunderte von Bildern (auch farbige), Vignetten und Notenbeispielen illustrieren die einzelnen Werke und eine ganze Kulturepoche. Die rund 250 Walzer von Johann Strauß sind chronologisch mit Anführung der ersten Takte oder des Tanzteilbeginnes angeführt. Jahrelange Beschäftigung mit dem Stoff, Sammlerfleiß und intensive Zusammenarbeit eines Musikers mit einem Kulturhistoriker haben hier ein Werk von lebendigstem Interesse und dauerndem Wert geschaffen, ein „musikalisches Oesterreich-Buch" ganz besonderer Art.

Manuel de Falla und die Musik in Spanien. Von Kurt Pah len. Verlag Otto Walter, Olten und Freiburg im Breisgau. 264 Seiten. Preis 17.15 sfr.

Zunächst: Dieser Band XIV der bekannten Musikerreihe fällt ein wenig aus dem Rahmen. Er ist freier, feuilletonistischer und persönlicher geschrieben als die übrigen Monographien dieser Serie. Die ersten beiden Kapitel enthalten Formulierungen, wie man sie zuweilen in Reisebeschreibungen „unter dem Strich" in Tageszeitungen findet. Auch später kommen sprachliche und sachliche Flüchtigkeiten vor, die gerade in einer Würdigung de Fallas, der von Oktober 1923 bis zum Fronleichnamstag 1926 an seinem letzten vollendeten Werk, dem nur zehn Minuten dauernden Cembalokonzert arbeitete, ein wenig störend wirken. Dafür sind die Schilderungen von Land und Leuten, der spanischen Musik, der menschlichen Gestalt des großen Komponisten und der Begegnungen des Autors mit ihm sehr lebendig, unmittelbar und suggestiv. Die Analyse der szenischen Hauptwerke de Fallas (La vida breve, El amor brujo, Der Dreispitz und Don Pedros

Puppenspiel) verraten nicht nur genaue Kenntnis der Materie, sondern auch den Praktiker, den Dirigenten, der viel Interessantes mitzuteilen hat. Vor allem aber tritt die Gestalt de Fallas, „des europäischsten unter spanischen und des spanischsten unter den europäischen Komponisten" plastisch und eindrucksvoll hervor. Der ungemein bescheidene, gewissenhafte, schwer arbeitende und in den letzten Jahren in fast mönchischer Zurückgezogenheit lebende und infolge langer Krankheit hypochondrisch gewordene Mensch litt schwer unter dem Schicksal seines Unglücklichen Vaterlandes. „Der spanische Bürgerkrieg ging zu Ende. De Falla hatte keiner der beiden kämpfenden Parteien angehört. Ein weiter Abstand trennte ihn von den faschistischen Elementen, die ihn entfesselt hatten. Aber ein ebensolcher Abgrund befand sich zwischen ihm und den atheistischen Elementen, die sich den Heerscharen der Republik gesellt hatten." Damit ist auch die Frage nach de Fallas „Emigration" nach Südamerika beantwortet. Das religiöse Moment in de Fallas Leben und Schaffen wird mit aller Deutlichkeit erwiesen. Ueber das Schicksal von de Fallas letztem, unvollendetem Werk, der „Atlantida", weiß auch Kurt Pahlen nichts Näheres zu berichten.

Das Jazzbuch. Von Joachim Ernst B e r e n d t. Fischer-Bücherei, Frankfurt-Hamburg. 237 Seiten. Preis 1.90 DM.

Seit einigen Jahren beginnt man, sich mit dieser jüngsten Musikgattung auch wissenschaftlich zu beschäftigen, die — um die Jahrhundertwende entstanden — auf die Kunstmusik spürbar eingewirkt hat. Jazz im engeren Sinn ist genau zu unterscheiden (und auch ziemlich scharf abgrenz- bar) von Ünterh’altungs- und Schlagermusik einerseits und den entfesselten Schlagzeugsoli mancher „Drummer", welche die falschen Jazzfans in Ekstase versetzen. Jazzmusiker aller Stile haben, unter der Leitung eines Dozenten der Universität von New York, folgende Definition erarbeitet: „Jazz ist eine improvisierte amerikanische Musik, die europäische Instrumente gebraucht und Elemente europäischer Harmonik, europäisch-afrikanischer Melodik und afrikanischer Rhythmik miteinander verbindet." Um zu zeigen, wie eng der Kreis gezogen und was gemeint ist: eine Statistik über den Umsatz von Schallplatten in Amerika weist 49% Schlagermusik gegen nur 0,8% eigentliche Jazzmusik auf. Hiermit also beschäftigt sich Berendt, ein guter Kenner und geschickter — weil bescheidener — Anwalt seiner Sache. Er schildert und analysiert ausführlich die verschiedenen Jazzstile seit 1900, die bedeutendsten Instrumentalisten und Sänger, die Zentren der Jazzmusik, ihre Elemente und Instrumente, die berühmtesten Orchester und — das Jazzpublikum. Eine zwanzigseitige Diskographie nennt die wichtigsten Jazzplatten.

Kleines Wörterbuch der Jazzmusik. Von Jane Slaw. Sanssouci-Verlag, Zürich. 64 Seiten. Preis 3.80 DM.

Das vor dem Jazzbuch Berendts erschienene Büchlein ist eine alphabetisch geordnete kurze Einführung in die umfangreiche Materie von dem in Zürich lebenden polnischen Musikwissenschaftler Dr. Jan Sypniewski. Die klaren Definitionen der wichtigsten Begriffe und die Beschreibung der ein: zelnen Phänomene vermitteln dem Laien eine gute erste Orientierung. Bezeichnend ist, daß von den zehn angeführten Standardwerken über Jazzmusik nur ein einziges in deutscher Sprache abgefaßt ist. (Das oben besprochene Buch von Berendt wäre also das Opus 2.) Erwünscht wäre eine phonetische Umschreibung der durchweg dem Amerikanischen entstammenden Fachausdrücke.

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