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Musiker-Monographien

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SECHS DEUTSCHE ROMANTIKER.

Von Neville C a t d u s. Verlag Albert Langen-Geor-g Müller, München. 211 Seiten. Preis 12.80 DM.

Der Autor dieser sechs selbständigen Essays über Schubert, Wagner, Brahms, Bruckner, Mahler und Richard Strauss war als Musikkritiker und Musikkorrespondent unter anderem in Wien und Salzburg für den „Manchester Guardian“ tätig. Er sieht diese „deutschen Romantiker“ (von denen drei Österreicher waren) mit den Augen des Engländers — und bemüht sich, sie dem angelsächsischen Lese- und Konzertpublikum verständlich zu machen. Das ergibt zuweilen in der Interpretation eine „doppelte Brechung“: nicht ohne Reiz, aber auch nicht frei von kapriziösen Urteilen, die man jedoch nicht als oberflächlich bezeichnen darf. Cardus kennt den behandelten Stoff, vor allem als aufgeschlossener Musik h ö r e r, er macht aus seinen Sympathien und Reserven kein Hehl und hat ein wenig jene hemdärmelige Unbefangenheit unseren sehr komplexen Kunstphänomenen gegenüber, die zuweilen oft erfreulich, zuweilen auch ein wenig ärgerlich ist. Jedenfalls liest man seine Kurzmonographien nicht ohne Gewinn und ist gut unterhalten.

BRUCKNER - MAHLER - SCHÖNBERG. Von Dika N e w 1 i n. Bergland- Verlag, Wien. 303 Seiten. Preis 90 S.

Die amerikanische Musikwissenschaftlerin Dika Newlin, Wiener Musikkreisen durch ihre hiesigen Studien und Vorträge nicht unbekannt, hat von 1938 bis 1941 hei Arnold Schönberg in Los Angeles studiert. Aus jener Zeit stammt der Plan, eine Monographie des verehrten Lehrers zu schreiben. Da Schönberg und seine Schüler (vor allem Berg und Webern) sich immer wieder auf Mahler beriefen und zu dessen Werk bekannten, wollte Dika Newlin diese Quelle erschließen. Hierbei kam sie auch auf Bruckner, der auf Mahler einen kaum zu leugnenden Einfluß aus- geiibt hat. und von da zurück auf die Wiener Klassik, als deren legitimen Fort-setzer Dika Newlin uns Schönberg und seinen Kreis sehen lehren will. Sie macht das recht geschickt, ohne einen allzu großen wissenschaftlichen Apparat in Bewegung zu setzen, ohne freilich auch, was Bruckner und Mahler betrifft, grundlegend Neues zutage zu fördern. Bei Schönberg ist das anders, da findet man interessante Details und kluge Interpretationen. Die (englische bzw. amerikanische) Originalausgabe dieses Buches ist 1947 in New York erschienen und war in erster Linie einem amerikanischen Publikum zugedacht. So ist auch die Fehldiagnose des Nachwortes zu erklären: „Niemals werden diese Traditionen in dem Boden, aus dem sie hervorgegangen sind, feste Wurzeln fassen können, ln Amerika jedoch werden sie gedeihen und, genährt von der Kraft jüngerer Generationen, fortleben.“

MAHLER. Eine musikalische Physiognomik. Von Theodor W. Adorno. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt (Bibliothek Suhrkamp). 224 Seiten. Preis 4.80 DM.

Was der bekannte Autor geben will, umschreibt ziemlich genau der Untertitel, soweit man ihn auf Mahlers Musik bezieht, deren Gehalt und Technik analysiert und gedeutet werden. Adorno weist sich in diesem Buch als ein eminenter Kenner des Mahlerschen Werkes aus. Manchmal freilich hat man den Eindruck, daß er mehr die Partituren als den realen Klang der besprochenen Werke konsultiert hat. Daß die Lektüre kein Honiglecken ist, weiß jeder, der eines der früheren Bücher Adornos studiert hat. Aber der Leser wird reich belohnt, auch jener, der das viele Schreiben über Musik letzten Endes für überflüssig hält. Adornos soziologischen Expektorationen wird man nicht immer folgen mögen, Mahler hätte sich über viele dieser Deutungen und Perspektiven wohl selbst am meisten gewundert. Aber das Psychologische ist scharf erfaßt (ob immer ganz richtig — wer wollte das entscheiden?) und die Musik wird virtuos beschrieben (wenn auch nicht ohne die bekannten sprachlichen Manierismen des hochschätzbaren Autors). Freilich wird nur der dieses Buch mit Gewinn lesen, der Mahlers Werk genau kennt und mit den herangezogenen Beispielen eine konkrete Klangvorstellung verbindet.

IGOR STRAWINSKY. Zeitgeschichte im Persönlichkeitsbild. Von Helmut Kirchmeyer. Gustav - Bosse - Verlag, Regensburg. 792 Seiten.

Von außen besehen: ein Wälzer, und auf weite Partien, besonders im 1. Teil, bis etwa Seite 450, auch ebenso spannend zu lesen. Wie der Autor wohl zu diesem Buch gekommen ist? Es scheint so, als sei ihm das Material unter den Händen immer mehr angeschwollen. Mit Stra- winsky mag er begonnen haben, aber dann wurde eben die im Untertitel angespielte musikalische Zeitgeschichte daraus. Der zweite Untertitel, den das dicke Buch führt, bezieht sich eigentlich nur auf des Werkes 4. Teil („Grundlagen und Voraussetzungen zur modernen Konstruktionstechnik“) mit seinen rund 100 Seiten. Den Rest, von Seite 607 an, bildet der „Apparat“.: ein Abkürzungsregister, einige hundert Nachweise, ein enormes Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein minuziös gearbeitetes Verzeichnis der Werke Strawinskys mit allen nur wünschbaren Angaben (womit der Autor glücklich wieder zu seiner Ausgangsbasis zurückgekehrt wäre), und Schließlich ein allgemeines Schlagwort- und Namensregister. — Am meisten zu kursorischer Lektüre eignen sich die ersten Teile des Buches, denen — dem Umfang einer solchen Tetralogie entsprechend — drei Vorworte vorangestellt sind. Der erste Teil führt den Titel „Die musik- und geistesgeschichtliche Sendung Igor Strawinskys" mit den Abschnitten über Strawinskys Russentum, einer Analyse der französischen Musik um die Jahrhundertwende, sowie dem Versuch einer Darstellung des Neuen in der „Neuen Musik", kulminierend in dem Schicksalsjahr 1923. Der interessanteste (und umfangreichste) Teil, dem der fleißige Autor viel Zeit und Mühe gewidmet hat, führt den Titel „Kritik und Polemik — Dokumente zur Zeitgeschichte“, und gibt genau das, was die Überschrift verspricht. Man steigt da in einen wahren Hexenkessel von Ignoranz und Bosheit, falschem Jüngertüm, Snobismus und Kritiklosigkeit. Das alles ist sehr unterhaltsam zu lesen. Tempi passäti? Das meiste könnte auch heute, nur auf , andere Komponisten und Werke bezogen, geschrieben sein. — Jedenfalls gebührt dem Verlag Anerkennung, ein solches Kompendium der neuen Musik (oder soll man es „Pandämonium“ nennen?) herausgegeben zu haben, dem man viele aufmerksame Leser wünscht.

ERINNERUNGEN EINES GEIGERS. Von Carl F1 e s c h. Atlantis-Verlag, Freiburg im Breisgau und Zürich. 212 Seiten. Preis 16.80 DM.

Der bekannte Geiger und Musikpädagoge, 1873 in Wieselburg geboren und 1944 in der Schweiz verstorben, erweist sich in diesem Buch als ein glänzender Schriftsteller ur.d ein Mann von ungewöhnlich scharfem, sachlichem Urteil. Seine eigene Entwicklung schildert er fast ausschließlich im Zusammenhang mit der Beschreibung, Charakterisierung und Kritik berühmter Zeitgenossen, unter diesen vornehmlich Geigern und Dirigenten. Hier einige Namen jener Künstler, denen eigene Kapitel gewidmet sind: Joachim Sarasate, Rose, Ysaye, Marteau, Kreisler, Burmester, Nikisch, Hubay, Kubelik, Hu- berman, Enescu, Thibaud, Mengelberg, Elman, Zimbalist, Schnabel, Busch, Furt- wängler, Szigeti, Heifetz usw. Die große Welt der Musik und der Virtuosen dieser ersten Jahrhunderthälfte wird lebendig, und wer speziell an der Kunst des Geigenspiels und seinen prominenten Vertretern interessiert ist, wird an dem Buch Fleschs nicht vorübergehen. Dem Leser ist reichliche Belehrung und gute Unterhaltung sicher.

DIE GROSSEN PRIMADONNEN. Von Kurt H o n o 1 k a. Cotta-Verlag, Stuttgart. 286 Seiten. Preis 19.80 DM.

Der Autor, Dr. Kurt Honolka, ist Feuilletonchef und Musikkritiker der „Stuttgarter Nachrichten“. Er hat sich überdies auch als Bearbeiter und Wiederentdecker verschollener Opernwerke sowie als Übersetzer slawischer Operntexte einen Namen gemacht. Das vorliegende Werk besteht aus einer Folge von Kurzmonographien, angefangen von den „Ur-Prima- donnen" (den beiden Baroni, La Giorgina und La Maupin), über die Catalani, Wilhelmine Schröder-Devrient, Henriette Sonntag, die Malibran, die Viardot, Jenny Lind, Adelina Patti, Lilli Lehmann und Kirsten Flagstad bis zu den beiden großen Rivalinnen unserer Tage, der Tebaldi und der Callas. Darüber hinaus ist das materialreiche und unterhaltend geschriebene Buch Honolkas ein Stück Opern- und Kulturgeschichte. Allen Musik- und speziell den Opernfreunden bestens zu empfehlen.

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