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Von Musikern, Malern und Poeten

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Die „Kleinen Geschenkbücher” des bekannten Münchner Verlages, deren Texte von wählerischer Hand zusammengestellt und bibliophil ausgestattet werden, bedürfen keiner Präsentation und kaum mehr einer Empfehlung. Es ist die Reihe für den geistig und ästhetisch anspruchsvollen Leser. Erfreulich, daß man sich nicht auf Belletristik beschränkt, sondern den literarischen Essay, das Porträt, die Künstlermonographie und ausgewähltes Musikschrifttum einbezog.

„Streich leise Saiten, Musikant” enthält durch die Musik inspirierte Lyrik aus allen Weltsprachen und Epochen, hochberühmte, klassische Gedichte und fast Unbekanntes in meisterlichen Uebertragungen von Georg von der Vring. — Als der Uebersetzer Walter Lenz einmal den französischen Dichter und Musikschriftsteller Georges Duhamel besuchte, sagte ihm dieser: „Sehr deutsch sehen Sie nicht aus. Jedenfalls nicht so, wie sich die Franzosen im allgemeinen die Deutschen vorstellen.” Das kann man, umgekehrt, auch von den Essays und Betrachtungen über Musik von Duhamel sagen, aus denen die Bändchen „E r 1 ö s e r i n Musik” und „Trösterin Musik” eine Auswahl bringen. Diese ehrfürchtige Laudatio des großen Johann Sebastian Bach, die Verteidigung der Kammermusik, die rein gefühlsmßige Einstellung des Autors („La musique consolatrice” heißt der französische Titel der Essaysammlung) ist dem schwärmerischen Verhältnis der deutschen Romantiker zur Musik sehr ähnlich.

Kühler zugleich und schärfer ist der geistige Wind, der uns bei der Lektüre der Malermonographien entgegenschlägt. Da sind, mit wissenschaftlicher Akribie, aber ohne schwerfälligen gelehrten Apparat, Zeugnisse von und über die Maler Edvard Munch (von Erhard Göpel), Lyonei Feininger (von Lothar Schreyer) und Oskar Kokoschka (von Hans Maria Wingler) zusammengetragen. Jedes \der Bändchen hat seine besonderen Meriten. Das Munch- Bändchen bringt eine große Anzahl der Selbstbildnisse des Künstlers und interessante Lebensdokumente. — An eine der liebenswürdigsten und nobelsten Erscheinungen unter den Malern der jüngsten Vergangenheit erinnert Lothar Schreyer in zwei Essays über den im vergangenen Jahr in New York verstorbenen Lyonei Feininger. Die Zwiesprache mit dem Dichter Adolf Knoblauch vermittelt einen Blick in die geistige Welt und in die innere Werkstatt des Künstlers. Von der subtilen Kunst Feiningers geben die Graphiken nur eine ungefähre Vorstellung, dagegen erinnert die farbige Reproduktion des Oel- gemäldes „Marktkirche in Halle” an unvergeßliche Begegnungen mit den Werken dieses Deutschamerikaners. — Das Bändchen „Oskar Kokoschka” mit zahlreichen Photos und Schwarzweiß-Reproduktionen enthält eine Auswahl aus dem von Hans Maria Wingler im gleichen Verlag herausgegebenen umfangreichen Buch („O. K. Schriften 1907—1955: Dramen, Dichtungen, Aufsätze, Vorträge und Briefe”), auf das in diesem Zusammenhang nachdrücklich hingewiesen sei.

Dem Dichter Gottfried Benn, der am 7. Juli 1956 gestorben ist, kurz nachdem im Limes- Verlag zu Wiesbaden die erste Gesamtausgabe der Gedichte und Schriften erschien, sind zwei Bändchen gewidmet, „lieber mich selbst” enthält zehn autobiographische Zeugnisse Benns, darunter den klassischen expressionistischen Essay „Lyrisches Ich” und die berühmte „Darmstädter Rede” anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises (leider alles ohne Quellenangabe, die bei einer Neuauflage nachzutragen wäre). — Thilo Koch hat in dem biographischen Essay „Gottfried Benn”, ausgehend von den Selbstzeugnissen des Dichters, viel Interessantes und Ergänzendes auf Grund mehrerer persönlicher Begegnungen mit dem Dichter mitzuteilen. Auch für die Reproduktion der Photos, einer Handschriftenprobe und der Totenmaske ist man dankbar.

Die folgenden vier bellestristischen Bändchen zeigen an künstlerisch gelungenen und geistig repräsentativen Beispielen das Nebeneinander der verschiedenartigsten Strömungen im deutschen Schrifttum der Gegenwart. „Der Trauermantel”, eine Stifter-Erzählung von Johannes U r z i d i 11, ist nicht nur durch sein Sujet, sondern auch in seiner Sprachform und seinem Weltgefühl der großen klassisch-romantischen Tradition verpflichtet. (Sehr beziehungsvoll wird auf den letzten Seiten dieser kunstvoll-einfachen Geschichte eine Goethe-Erinnerung des Hofrates Grüner aus Eger zitiert.) Heinz Risse, dessen in der gleichen Reihe erschienene Novelle „Schlangen in Genf” wir seinerzeit mit Spannung gelesen haben, erweist sich in der Erzählung „W u c h e r n d e Lianen” als ein Meister realistischer Erzählkunst, dessen kühle, gerechte Sprache dem strengen Ethos seiner Novellenschlüsse entspricht. Hans Erich Nossack schildert in „Der Neugierige” in der Form eines Monologs die Erlebnisse eines Fisches bei dessen Vorstoß ins Ungewisse. Der magische Realismus dieses Stils scheint an Kafka geschult. Reinhard Federmann braucht einem österreichischen Leserpublikum nicht vorgestellt zu werden („Stimmen der Gegenwart” im Albrecht-Dürer-Verlag u. a. O.) Seine kühl-distanzierende, zuweilen grausam-realistische Art des Vortrags ist in der Novelle „N a p o- leon war ein kleiner Mann” zur Perfektion ausgebildet. — Zu empfehlen wären dem Verlag kurze biographische Notizen über die Autoren in der Form, wie sie etwa der S.-Fischer-Verlag in den Bändchen seiner kleinen Bücherei zur Information des Lesers gibt.

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