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Deutsche Dichtung und Weltliteratur

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Literaturgeschichte des deutschen Sprachraumes.

Von Hermann L e c h n e r. Tyrolia-Verlag, Inns- biuck. 484 Seiten. Preis 78 S.

Die Vorzüge dieses handlichen Buches, das von Auflage zu Auflage aufs neue überprüft wird und nunmehr in 25.000 Exemplaren verbreitet ist, liegt zunächst in der Studienzwecken dienenden Ueber- sichtlichkeit. Das Wesentliche einer Epoche und das einer dichterischen Persönlichkeit wird sicher und knapp erfaßt — eine Folge großer Stoffbeherrschung. Richtig und bei Nachschlagezwecken sehr brauchbar sind die allgemeinen Einleitungen bei bezeichnenden Kapiteln, wie z. B. bei Humanismus, beim Rokoko, bei der Klassik, dem Expressionismus und bei Abschnitten, die man im allgemeinen in den landläufigen Literaturgeschichten vergeblich sucht, wie der katholischen Dichtung („Abendländisches Eibe in katholischer Dichtung"). Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorzug des Buches liegt bei den Textproben. Beispiele sagen eben viel mehr als noch so schöne und treffende theoretische Beschreibungen. Auffällig reichhaltig sind die Namen der neueren und neuesten Dichter, wobei, wie im allgemeinen, auch hier dem österreichischen Schrifttum eingehende Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Geschichte der deutschen Dichtung. Von Wolfgang Pfeiffer-Belli. 649 Seiten mit 149 Abbildungen auf 40 Tafeln. Verlag Herder, Freiburg. Preis 28.50 DM.

Als ein Lesebuch, nicht so sehr als Nachschlagewerk, will diese, vom christlichen Standpunkt aus geschriebene Literaturgeschichte gewertet werden. Ihr Verfasser, 1900 geboren, bekannt durch seine Bücher „Die asiatische Banise“, „Thomas Murner im Glaubenskampf“ (1940), „Europa und das große Asien“ (1949), sowie durch seine Edition der Gesprächsbände der Artemis-Ausgabe von Goethe, weiß den Zusammenhang mit der Kulturgeschichte zu währen. Er verfügt über einen europäischen Blickwinkel; er treibt keine chlorophylarme Aesthe- tik; seine (oft eigenwilligen und zum Widerspruch reizenden) Wertungen kommen nicht aus zweiter Hand; nirgends wird gespreizt und gelehrtentümlich herumgeredet; durch das Ganze geht ein sinnvoller Gedanke: zu den Dichtern hinzuführen. Ein sorgfältig überlegtes Verzeichnis des einschlägigen Schrifttums (19 Seiten), Bildernachweis, Namens-, Sach- und Ortsregister erhöhen die Brauchbarkeit. Die Stärke des Buches liegt bei der Behandlung des Mittelalters. Als Oesterreicher stellen wir den warmen Ton fest, mit dem der Autor über das Wesen unseres Landes spricht. — Im einzelnen wären einige kleine Anregungen für die nächste Auflage anzumelden. Zunächst erscheint uns die Raumzuteilung zu ungleich. So hat die Ebner-Eschenbach neun, Saar acht, Sealsfield-Postl fünf und haben Rosegger und Wildgans gar nur je zwei Zeilen. Die österreichische Barock- und Renaissanceliteratur könnte etwas umfänglicher abgehandelt werden. Wir denken etwa an die Benediktiner P. Simon Rettenbacher und an den Abt von Ossiach, Virgilius Gleißen- berger, der Kärntens bedeutendster Dichter im 18. Jahrhundert war — beide fehlen. Die Piaristen scheinen nur im Zusammenhang mit der Wiener Piaristen-Handschrift, aber nicht mit dem Theater auf. Schließlich ein Versehen: Venedig war nicht bis 1860 österreichisch (Seite 576), sondern bis 1866 (Friede von Wien).

Illustrierte Weltliteraturgeschichte. Von Eduard von Tunk. Stauffacher-Verlag, Zürich. Drei Bände, 1500 Seiten, 500 Abbildungen. Preis 100 DM.

In unserer der Sonderung geneigten Zeit wird die Sehnsucht zur Zusammenschau langsam, aber sicher immer vordringlicher; und da ein altes Weisheitswort sagt, daß wir in fremden Spiegeln erst wirk-lieh unser E H erkennen, so eröffnet die Zusammen- sebau, wie sie Professor von Tunk hier bietet, ein neues Konzept literarischen Erlebnisberichtes. Denn: hier ist keine trockene Aufzählung von Daten und Stilrichtungen, sondern eine Darstellung, die zwingt, mitzudenken, mitzufühlen; im höheren Sinne also ein Bildungsbuch mit allen seinen unabdingbaren Erfordernissen.

Der erste Band reicht von dem vorattischen und frühattischen Schrifttum, der attischen Klassik und dem Hellenismus über die Literatur des römischen Weltreiches bis zum Spätmittelalter; der zweite Band geht von der letzten Einheit des Abendlandes im Humanismus über die europäische Klassik bis zu den Anfängen der Romantik, ln diesem Bande wird ausführlich die Literatur des Ostens (Indien, China, Japan) und jene der Völker des europäischen Ostens behandelt. Der dritte Band reicht von der Romantik bis zur Gegenwart. Oesterreich ist überall zufriedenstellend berücksichtigt; mitunter, wie bei Richard Kralik v. Mayerswaiden und Enrica v.

Handel-Mazzetti sogar unverhältnismäßig umfangreich (je eine Seite).

Die Bilder (Redaktion Dr. Eugen Th. Rimli) sind sorgfältig ausgewählt. Ausgeleierte Bahnen wurden vermieden, die Porträts (oft ganzseitige Tafeln) wirken lebensnahe, die neueren Schriftsteller sind oft in einer für sie kennzeichnenden Haltung oder bei einer bezeichnenden außerkünstlerischen Arbeit dargestellt. Das wirkt sympathisch, staubfrei. Zu begrüßen sind die Szenenbilder von Theateraufführungen: sie haben dokumentarischen Wert. Interessant ist das Bemühen, eine Umwelt, die zum Dichterwerk in Beziehung steht, zu zeigen, wie etwa die Windmühlen auf dem Hügel von Criptana, auf den Don Quichote bezüglich.

Ein Werk wie das vorliegende, das auch graphisch und buchtechnisch (klare Garamondschrift, Halbledereinbände) bis ins letzte ausgefeilt ist, gab es in neuerer Zeit bisher nicht. Es ist eine verlegerische Tat, aller Empfehlung würdig.

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