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Marianische Literatur und Marianisches Jahr

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Das Marianische Jahr ist zu Ende und es ist Zeit — auch für den Bücherfreund — Rückschau zu halten. Gewiß — nur in Auswahl und als Ergänzung zu bereits Gewürdigtem kann dies an dieser Stelle geschehen. Dennoch bietet auch eine solche notwendig sehr beschränkte Schau ein in mancher Hinsicht typisches Bild. Etwa folgende Gruppen marianischen Schrifttums lassen sich dabei unterscheiden:

Zunächst die Neuausgabe und Uebersetzung verschollener oder zumindest sehr schwer zugänglich gewesener wertvoller Texte marianischen Inhalts. „Das Ave Maria des Abtes Blanquerna“, eine wahre Perle mittelalterlicher Marienliteratur, die hier erstmalig aus dem spanischen Roman des Raymundus Lullus „Evast und Blanquerna", ins Deutsche übersetzt von Josef Solzerbach, vorliegt (Paderborn, Schöningh, 59 Seiten), sei an erster Stelle genannt, zusammen mit den in der gleichen Reihe (Kleine Marianische Bücherei, herausgegeben von F e c k e s, Gräber und Köster) erschienenen, von Josef G ü n s t e r ins Deutsche übertragenen „Predigten zum Fest der Immakulata“ von B o s s u e t (ebenda, 124 Seiten, Preis DM 4.20). Beide Veröffentlichungen verdienen uneingeschränktes Lob, sowohl der textlichen Gestaltung nach wie auch bezüglich des historischen und theologischen Anmerkungsteiles, der den Bossuet-Predigten beigegeben ist. Die Namen der drei Herausgeber der Reihe bürgen nicht umsonst für beste Qualität und lassen weitere Bändchen mit Freude erwarten. — Der gleichen Gruppe — wenn auch in etwas anderer Weise — kann die längst erwartete deutsche Neuausgabe des sogenannten „Goldenen Buches“ („Das goldene Buch der vollkommenen Hingabe an Maria vom hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort“, Freiburg i. S., Canisius-Verlag, 671 Seiten, Preis S 30.—) zugezählt werden. Hier kam .es allerdings nicht darauf an, wertvollstes religiöses Gut aus der Vergangenheit erstmalig oder neu zu erschließen, wohl aber darauf, eine Ausgabe zu schaffen, die preiswert und jedermann leicht zugänglich das Frömmigkeitserbe des großen französischen Manenapostels an weiteste deutsche Kreise herantragen soll. Um diesem apostolischen Zweck zu dienen, wurde ein Experiment gewagt — das heißt, der französische Text wurde in einer Weise wiedergegeben, von der man hofft, daß sie den deutschen Durchschnittsleser nun keinen Anlaß mehr bieten werde, an gewissen Formulierungen des Heiligen Anstoß zu nehmen, wie es erfahrungsgemäß bisher der Fall war. Es geht dabei vor allem um die berühmte Grignionsche Lehre von der „Sklavenschaft“ Mariens, die in dieser von Hilde F i r t e 1 besorgten und von Bischof Gräber eingeleiteten „Uebersetzung und Bearbeitung" durchgängig mit „Ganzhingabe“ umschrieben ist. Ob diese doch immerhin nicht unbeträchtliche Veränderung am Geistesgut des heiligen Verfassers — die die Einleitung ausführlich begründet — sich bewähren und rechtfertigen wird, kann nur die Zukunft lehren. Wer sich an der Textänderung nicht stößt, wird gewiß gern nach der sonst durchaus empfehlenswerten neuen Ausgabe greifen.

Nun zur zweiten Hauptgruppe, die man am besten als prophetisch-apokalyptische kennzeichnen dürfte, weil es hier im wesentlichen darum geht, die Marien offenbarungen der beiden letzten Jahrhunderte in ihrer Bedeutung für die Christenheit der Gegenwart auszuwerten. Kein Geringerer als Paul Claudel eröffnet diese Gruppe mit seiner kleinen — nun in deutscher Uebersetzung von Wehd und Höcht vorliegenden Schrift „Le Symbolisme de La Salette“ („Bekenntnis zu Unserer Lieben Frau von La Salette, ihrer Erscheinung und Symbolik", Wiesbaden, Credo- Verlag, 63 Seiten). Was der greise französische Dichter hier in der Form eines Briefes an seine Tochter uns allen zu sagen hat, ist überaus eindrucksvoll und läßt sich wohl am besten mit einem Wort Pius IX. wiedergeben, der, um- seine Meinung über La Salette befragt, antwortete: „Ihr wollt das Geheimnis von La Salette wissen? Hier ist es: Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle zugrunde gehen.“ Zwei weitere Schriften: Josef Herkenrath „Das Jahrhundert der Mutter Gottes und unsere Zukunft“ (ebenda, 140 Seiten) und das nun schon in vierter, ergänzter Auflage vorliegende Buch von J. M. H ö c h t „Fatima und Pius XII.“ (ebenda, 133 Seiten) weisen in gleiche Richtung. Der in seiner welthistorischen Bedeutung gar nicht zu überschätzende Emst unserer Zeit tritt im Lichte der von der Kirche als echt anerkannten Marienoffenbarungen in allen . diesen Büchern sehr deutlich zutage.

Eine ganz andere, in ihrer Art jedoch nicht minder eindrucksvolle Form der Marienliteratur wird durch die kleine Schrift von Alois Stöger „Die Mutter des Herrn“ (München, J. Peiffer, 196 Seiten, Preis DM 3.40) repräsentiert. Hier wird man nicht zu Unrecht von einer biblischen Richtung im marianischen Schrifttum sprechen dürfen, weil es ihr Anliegen ist, die heilsgeschichtliche Stellung der Gottesmutter aus den biblischen Texten über sie zu erschließen, sowohl an Hand dieser Texte selbst wie auch an Hand des besten Kommentars zu diesen Texten: den päpstlichen Rundschreiben der letzten hundert Jahre. In knappster Form wird hier vom Verfasser eine Fülle von Anregungen geboten, die Priestern wie ernstgerichteten Laien einen sicheren Weg zu wahrhaft christozentrisch-marianischemSchriftverständnis weisen.

Auch Otto Semmelroth SJ. ist in seinem Buch „Maria oder Christus?“ (Frankfurt a. M. J.Knecht, 159 Seiten) um ähnliche Ziele bemüht, jedoch auf eine ausgesprochen apologetische Art (die Stöger ganz fern liegt), um nicht zu sagen in Abwehrstellung. Was abgewehrt werden soll, ist eine Marienfrömmigkeit, die in Gefahr geraten könnte, ihre christo- zentrische Ausrichtung zu verlieren. Das Buch ist, man spürt das deutlich, im Grunde mehr für Protestanten geschrieben, die an der katholischen Marienverehrung Aergernis nehmen, als für Katholiken, die ernstlich in Gefahr wären, in ein falsches Fahrwasser zu geraten. Es dürfte daher auch vorwiegend in der Diaspora seine Leser finden.

Bleibt noch eine letzte Gruppe von Marienbüchern zu erwähnen, die aber schon so nahe an die Grenze des im engeren Sinn Erbaulichen heranrückt, daß hier zwei ihrer Repräsentanten nur eben genannt werden können: Paul Sträter („Das Herz unserer Mutter“, dritte, neubearbeitete Auflage, Kevelaer, Butzon u. Bercker, 190 Seiten) und Beat A m b o r d („Maria, die Magd des Wortes“, Freiburg i. S., Paulus- Verlag, 158 Seiten, Preis DM 4.50). Beide sind darauf ausgerichtet, vom Theologischen, aber auch vom Menschlichen her an das Innenleben Mariens heranzukommen und es für unser eigenes innerliches Wachsen fruchtbar zu machen.

Alles in allem — selbst in so beschränkter Auswahl — eine reiche, zukunftsträchtige Ernte an Büchern des Marianischen Jahres.

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