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Die blauen Bände

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Historien. Von Herodot. Deutsche Gesamtausgabe, übersetzt von A. Horneffer. Neu herausgegeben und erläutert von W. A. H a u s s i g. Mit einer Einleitung von W. F. Otto. 4 Abbildungen und 2 Karten. XXVIII/780 Seiten. Preis 17.50 DM. — Sachwörterbuch der Literatur. Von Gero von W i 1- pert. VII1/662 Seiten. Preis 15 DM. Beide Werke: Alfred-Kröner-Verlag, Stuttgart.

Es gibt im deutschen Reihen buchwesen — wenn man von Reclam absieht, wo man andere Zielsetzungen verfolgte — keine Erscheinung wie die Kröner-Bände. Diese Taschenausgaben begannen 1909 zu erscheinen und haben zwei große Kriege überdauert, ja, man empfand es als symbolisch, daß nach und aus den Trümmern wieder die bekannten blauen Bände auftauchten. Im Laufe der Jahre sind von ihnen 5 Millionen Exemplare erschienen: Studenten, Lehrer und Bildungshungrige trugen sie in den Rocktaschen. Ein Buch wie Martinis „Deutsche. Literaturgeschichte" hat bei Kroner die für wissenschaftliche Werke unerhörte Auflage von 65.000 überschritten. Es gibt also noch Interesse für „schwere“ Bücher: Voraussetzung: man macht das Erwerben leicht und ist vom wissenschaftlichen Standorte aus unbedingt zuverlässig Das trifft bei Kroner zu. Man kann im Laufe der Jahre verfolgen, wie immer wieder verbessert, ausgebaut wird, wie man aufmerksam die Ergebnisse der neuesten Forschung berücksichtigt

Welcher Unterschied zwischen früheren Editionen und einer von jetzt besteht, kann man eben beim „Vater der Geschichte“, bei Herodot ablesen. Man nehme etwa die Uebertragung von Adolf Schöll, Stuttgart 1855, mitsamt den dort zu findenden Erläuterungen und halte das neue Buch dagegen. Schon rein sprachlich: da gibt es keinen verstaubten und verschraubten Stil, da wird immer der Ueberblick gewahrt. Vorzüglich und instruktiv — ein Essay für sich — ist die Einleitung Ottos.

Einen blauen Band, den weder Lehrer noch zu Belehrende entbehren können, ist das Sachwörterbuch der Literatur. Der Rahmen ist hier weit gespannt: man erfährt, was eine Remittende, was ein gebrochener Reim (und in diesem Falle sogleich das anschauliche Beispiel dazu) ist. Neue weiterführende Fachliteratur ist sorgfältig verzeichnet. So fanden wir im Artikel „L’art pour l’art“ auch R. Mühlher (Dichtung der Krise 1951). Der Artikel „Jesuitentheater“ umfaßt zweieinhalb Spalten; der Quellennachweis zum Barock mehr als eine Spalte. Auf österreichische Verhältnisse wird sorgfältig Bedacht genommen.

Wege zu besserem Stil. Von Franz Thierfelder. Max-Hueber-Verlag, München 2. Auflage. 248 Seiten. Preis 7.80 DM.

Wer Wege zu besserem Stil weisen will, ist willkommen. Angesichts des Sprachverfalls, den man in Zeitungen und Büchern feststellen kann, wird man die Notwendigkeit und Nützlichkeit von guten Veröffentlichungen über Sprache und Stil klar erkennen.

Der Verfasser, der mit seinem Buch einen „Beitrag zur sprachlichen Selbsterziehung“ leisten will, geht von der Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen Charakter und Stil aus. „Stilmängel sind in erster Linie Charaktermängel, und nur insoweit, als diese überwunden werden, wandelt sich der Stil gleichsam von selbst zum Besseren.“

Stilwandel ist also „innere Umkehr“. Damit wird ein ethischer Gesichtspunkt hervorgehoben, den man in unserer Gegenwart zu wenig beachtet. Thierfelder entwickelt seine Forderungen aus dem Geist der Sprache heraus. Er behandelt sein Thema in übersichtlicher, systematischer Weise, nicht schulmeisterlich trocken, sondern lebensnah, mit einer Fülle gut gewählter praktischer Beispiele, welche die Gesetze der Sprache deutlicher veranschaulichen als umständliche grammatikalische Erläuterungen. Wichtige Regeln sind durch Kursivdruck und Umrandung im Text hervorgehoben. Da der bloß richtige Stil noch nicht der gute Stil ist. wird der Leser auch auf das ästhetische Element hingewiesen. Es ist ein Verdienst des Verfassers, daß er auch den Rhythmus der Sprache, die Sprachmelodie, untersucht, ein Kapitel, das in den meisten Büchern über Stilistik vernachlässigt wird. Charakteristische Stellen aus Werken bekannter deutscher Prosaisten werden in den Ausführungen über die Satzperiode herangezogen. Der Schlußabschnitt „Stil und sprachliche Zweckform" enthält treffende Bemerkungen. Diese „Wege zu besserem Sri?" sollten von möglichst vielen beschritten werden.

Von Berlin nach Rom. Geschichte einer Bekehrung. Von Comte de V ė 1 a n. Verlag Carinthia, Klagen- furt. 253 Seiten. Preis 28 S.

Es war ein langer und beschwerlicher Weg, der den ostelbischen Junker und Berliner Gardeoffizier. Sohn eines preußisch-protestantischen Militärs strengster Observanz, vom Potsdamer Paradeplatz und den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges durch das seelische und materielle Chaos des Zusammenbruchs, durch die Abenteuer philosophischer Spekulationen, durch den Irrgarten von Spiritismus. Atheismus. Okkultismus zum Licht geführt hat; zurück zum katholischen Glauben der Ahnen. Doch Vėlan ist Konvertit nicht nur im religiösen Sinn. Er hat sich losgesagt und befreit von der ihm eingeimpften preußischen Tradition, von seiner einstigen Bewunderung für Fridericus Rex. den „Reichs- verderber“, von dem Mythos des großpreußischen, „unheiligen Reiches“ der Hohenzollern, und sich bekehrt zu den Idealen des einen, wahren Reiches,

dessen Schutz und Schild Oesterreich gewesen ist und dessen Krone in Wien ruht. Die Betrachtungen mehr allgemeiner Natur, die er mit der Erzählung seiner politischen Konversion verknüpft, enthalten bemerkenswerte Gedanken; so über den eigenartigen Zwiespalt, den der Preuße als slawisch-niedersächsischer Mischling in sich trägt, oder über die typisch preußische Auffassung von „Offiziersehre", die so viele unfähig gemacht hat, den hohen sittlichen Gehalt der Resistance gegen das Hitler-Regime in Deutschland und in Oesterreich zu würdigen.

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