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Vinylit und alte Kupferstiche

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Abstrakte Kunst in der Galerie W o 1 f r u m : am Anfang stehen Leitsätze. Sehr literarische, sehr streitbare, sehr eigenwillige. „Das Abbild starb bei der Geburt des Bildes“, steht da geschrieben, oder „Die Mimik flieht vor dem Gesicht“, oder „Die Konservateure der Kultur sind ihre Totengräber“. Das klingt eindrucksvoll. Dann kommen die Bilder von Walter Kraus. Nicht minder eindrucksvoll. Aeußerst feinfühlige, dann wieder gewalttätige Gebilde, die aus dem Nichts erschaffen, in ein vehementes Dasein der unbegrenzten Möglichkeit hinüberführen, in der jede Form an sich denkbar, in sich sinnvoll, für sich methodisch ist — aber sonst für nichts verbindlich in dieser Welt. Sie schweben frei im Raum, vorwiegend auf hartem Blau, poröse, dick gespritzte, knochenartige, wilde Ornamente, Linien, Linien-knäael, Korallenriffe, die, wie uns der Katalog beteuert, neben Nitrolacken und Kunstharzen aus einer neuartigen Farbenbindung geboren sind, die man V i n y 1 i t e nennt und die rasch trocknet und unzerstörbar ist. Der Fortschritt also liegt beim Material — der Wert zweifellos in einer ambitionierten bildnerischen, wenn auch eingestandenermaßen spekulativen Kraft und im abschätzenden, abwägenden, ausdrucksuchenden Experiment. Aber: „Die Gestaltung starb bei ihrer schriftlichen Erläuterung.“ Oder: „Das Bild flieht vor der Feder der Erklärung.“

Im Kunstantiquariat Christian M. Nebehay in der Annagasse finden wir eine schöne, reichhaltige Sammlung wertvoller Viennensia aus den Jahren 1492 bis 1870. An zweihundert altkolorierte Kupferstiche, Lithos, Holzschnitte, Karten und Pläne geben Einblick in ein reizvolles, verführerisches Reich alter Graphik. Stiche von C. Schütz und J. Z i e g 1 e r sind darunter, Oeldrucke nach Aquarellen von Franz A11, Lithographien von Sandmann. Besonders schön ein doppelblattgroßer Holzschnitt „V i e n n a P a n n o n i e“ aus Hartmann

S c h e d e 1 s Nürnberger Chronik, koloriert von Wilhelm Pleydenwurff und Michael Wolgemuth (1493): die älteste gedruckte Ansicht Wiens. Ferner neben einem von Romain de H o o g e stammenden, eindrucksvollen, bewegten Blatt, das Wien während der zweiten Türkenbelagerung zeigt (1683 oder 1684) und der „Ansicht des Schanzeis an der Donau“ (altkolorierter Kupferstich, Ziegler, 1779) eine dreieinhalb mal vier Meter messende „Scenographia oder perspect(iVische) Abbildung“ Wiens aus der Zeit Maria Theresias. Nicht zu übersehen ein zeichnerisch prachtvoller, minuziöser Kupferstich nach Suttinger von Mauritius Bodenehr (Dresden 1683): „Wienn, von Türcken belagert...“

Die Oesterreichische Staatsdruckerei zeigt eine Kollektivschau „Moderne Bühnenbilder“ von Irmgard Be Schorn er aus Bayern (nähere Angaben fehlen): Studien, Skizzen, Entwürfe, die sehr viel Freude am Malerischen, am Dekorativen, an einer simpel-spielerischen Abstraktion an den Tag legen. Wenig Konkretes ist zu sehen; hauptsächlich sind es sehr unverbindliche Vorschläge für ein Ballett, für e i n „afrikanisches Märchen“, für ein Glastheater (?) — das alles dient mehr dem zeichnerischen Selbstzweck als der wegweisenden Gestaltung einer modernen Bühne.

Nebenan sehen wir eine sehr konservative, wenig atmosphärische „P h o t o s c h a u“ von Adolf K r a i-n e r und Elfriede Cermak-Krainer: Naturalistische Agfacolorstilleben, Porträts (welch ein zweifelhafter Entschluß, mit einer Farbkamera in künstlerischer Absicht an eine „Dame mit großem Hut“ heranzutreten); Obst, Konditoreiwaren von oben, Ausbeuten von Urlaubsreisen in den Süden (Gondeln, blaues Meer, Weinreben, Petersdom, Murano-Glas).

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