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Aufgebot der Modernen

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Uber die „Ausstellung der Föderation der modernen bildenden Künstler Österreichs“ in der Sezession zu urteilen, fällt nicht leicht. Sechs Vereine nämlich und eine ganze Reihe von vereinslosen Künstlern ünd Gästen der Vereine haben hier mehr als hundert Bilder und Plastiken ausgestellt — und selten ist ein Künstler,, die Bildhąuer ausgenommen, mit mehr als einer Arbeit vertreten. Dieser Akt der Gleichberechtigung, so kollegial er gemeint sein mag, verwischt natürlich ein wenig die Qualitätsgrenzen: ein mäßiges Bild wirkt unter vielen nicht ganz so mäßig und ein gutes nicht ganz so gut,. Und ähnliches gilt auch für die Vereine: ein Fremder würde es kaum fertig bringen, in diesem vielfältigen Angebot die Charakter und die Charaktere der einzelnen Vereine zu unterscheiden. Manches, was im Raum des „Kreis“ hängt, könnte ebensogut in den Bildreihen der „Sezession“ Platz finden, und die Sezession unterscheidet sich diesmal vom Art-Club eigentlich nur durch den größeres Anteil der Realisten und Nichtabstrakten. Die Kritik könnte also diesmal nur mit Müh und Not allgemeine Durch- und Querschnitte legen; sie muß sich wohl oder übel mit einer Aufzählung von Namen und Bildern begnügen. Im „Art-Club“ überraschte Gustav Beck mit einem Stilleben, das dichter und überzeugender als seine sämtlichen früheren Arbeiten ist. Wander Bertoni und Heinz Leinfellner — letzterer insbesondere mit der Steingruppe zweier Sitzender — erweisen sich neuerlich als prächtige Plastiker: eine neue Plastikausstellung wäre fällig. Roman Hallers abstrakte Kompositionen gewinnen nicht nur äußerlich Format, Hilde Polsterer zeigt ein reiches und sehr anmutiges Stilleben, Slavi S o u c e k jhit seiner „Szenerie im Zwischenreich“, eines der schönsten Bilder in dieser Ausstellung, Rudolf Höflehners kleine Eisenplastik beweist, daß er nicht erst einen „Großen Baum“ aus- höhlen muß, um dem Betrachter seiner Arbeiten Vergnügen zu machen. Immer noch scheint uns Eduard B ä u m e r unentschieden zwischen Realismus ünd Abstraktion zu schwanken. Max Weiler („Bund Innsbruck“) treibt seine farbigen Auflösungen weiter voran -£ aber es ist nicht recht klar, wohin er damit kommen will. Robert Schmitt — „Maschinenmontage“ — bedeutet für den „Kreis“ einen guten Zuwachs. Die Mitglieder des „Hagenbund“ treten hier ein wenig in den Hintergrund —- mit Ausnahme des anspruchslosen, aber schönen Blumenbildes Bednariks ist fast alles, was sie zeigen, in den anderen Grüppen in überzeugenderer Manier gemalt worden. Die „Sezession Graz“ ist diesmal — und däs gibt ihr als einzige Vereinigung so etwas wie einen Korporativstil — ziemlich ausdrücklich auf eine Mittellinie zwischen abstrakter und dekorativer Malerei festgelegt. (Siehe die quasi-aztekischen Kompositionen Ferdinand B i 1 g e r s und Rudolf P o i n t n e r s.) In der Wiener Schwestergemeinschaft weist Sergius P a u s e r ein außergewöhnlich schönes „Paris“-Bild vor: die „alte Garde“ der Sezession gibt überhaupt ihr Bestes. Walter Eckert zeigt ein „Interieur“ in Dl, das seinen bereits bekannten Monotypien entspricht, Paul Meißner ist auf seiner Reise durch die verschiedenen Ismen beim Futurismus angelangt, Heribert P o t ü c n i k hat ein unausgeglichenes, aber interessantes Stilleben an die Wand gehängt. Unter den vereinslosen Künstlern triumphiert natürlich Fritz Wotruba mit seiner Plastik „Mann“, Werner Bergs „Tischgesellschaft erinnert uns daran, daß man in Wien gerne wieder einmal eine Kollektivschau dieses Malers sehen wollte.

Viele Namen, sehr viele Bilder — und viel Gutes. Kein Querschnitt und, genau genommen, auch kein Überblick über das Schaffen der Moderne in Österreich, wohl aber ein Einblick in die Vielgestaltigkeit dieses Schaffens, ein Hinweis auf einen Reichtum an Können und Begabung, der in einem fast schon grotesken Gegensatz zur territorialen Größe dieses Landes steht. Wie’s in der Politik und Wirtschaft steht, weiß ich nicht: unsere bildende Kunst kann getrost die Konkurrenz mit dem Ausland aufnehmęn.

Das Kulturamt der Stadt Wien steuert zu den Festwochen zwei Ausstellungen bei, und beide sind besser als ihr Titel. „Magie der Linie nennt sich die kleine Exposition am Friediich-Schmidt-Platz, in der man Schwarzweißblätter ein wenig bunt durcheinander gehängt hat: schwächere Klimts und ausgezeichnete Kokoschkas, zwei bedeutende M o l d o v a n - Zeichnungen, einen Boeckl sehen „Stephansturm’ — eine merkwürdige Zeichnung, in der sich unter einer eher konventionellen Oberfläche erregende Abstraktionen entdecken lassen. Dieser Arbeiten wegen sollte man sich die Ausstellung ansehen — das Durchschnittliche mit den ganz und gar nicht „magischen Linien“ mag man übersehen.

„Wiens Wohnbauten und Gärten“ nennt sich, nicht sehr phantasievoll, die zweite Ausstellung in der Galerie Würth le (Weihburggasse 10) — kein Wunder, daß die besten Dinge in ihr diejenigen sind, die mit dem Titel nur sehr entfernt zu tun haben: Ernst Paars Zeichnungen von Praterbäumen, Hans Stockbauers Monotypien, Arnulf Neuwirths und Max Florians Zeichnungen machen diese ein bißchen improvisiert wirkende Schau wertvoll, illustrieren aber ihre Devise keineswegs. Die tiefe — und vermutlich berechtigte — Abneigung der zeitgenössischen Kunst auch gegen die mildeste „Parole“ zeigt sich hier recht deutlich. Nichtsdestoweniger: dem Kulturamt gebührt Dank für seine Initiative; es entwickelt allmählich einen gewiß nicht gerade sensationellen, aber doch eigenartigen Expositionsstil.

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