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Von Kunst und Künstlern

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Das Museum der Völkerkunde zeigt gegenwärtig eine Sonderschau *K u n s t der Naturvölke r“, deren Kern die Sammlungen des Wiener Forschers Knize-Wolf bilden, der in langjähriger Sammler- und Forschertätigkeit uraltes Kulturgut, zusammengebradit hat, das wohlverwahrt wurde und nach Beendigung der Ausstellung wieder in den Besitz seines rechtmäßigen Eigentümers gelangt.

Die Schauobjekte gewähren einen tiefen Einblick in ein kunstgewerbliches Schaffen verschiedener Volksstämme aus Afrika, aus Indonesien und Alt-Amerika. Schön geschnitzte Kopfmasken, Nagelfetische, Ahnenfiguren und Kriegsamulette, Tonvasen aus Peru und aztekische Steinfiguren, Waffen, Textilien und schöne Bronze- und Silberarbeiten füllen die Schaukasten und Vitrinen. Der Einfluß dieser primitiven Kunst auf die künstlerische Entwicklung der modernen Kunst Europas ist unverkennbar, so daß diese Sonderschau “auch in Künstlerkreisen Beachtung verdient.

Das Wiener Kunstgewerbemuseum birgt derzeit eine Ausstellung sowjetischer Kunst, der ersten repräsentativen Schau ' russisdier Gegenwartsmalerei in Wien. Vier der führenden Künstler der Sowjetunion sind mit Bildern und Aquarellen ' vertreten, Alexander und Sergei Gerassimow, Alexander D e i-neka und Arkacjij Plast ow. Naturnahes und völksverbundenes ^ Kunstschaffen spricht aus diesen Arbeiten, das schöpferische Suchen der Sowjetkünstler ist unlösbar mit der Wirklichkeit verknüpft und häilt sich von allem Formalismus und Abstrakten ferne. Diese Maler nehmen ihre Motive aus dem Leben des Volkes und knüpfen ihr Schaffen an die stolze Tradition der russischen realistischen Malerei an, die durch Repin, Iwanow, Surikow und Serow gekennzeichnet ist. Vielleicht ist es gerade das Revolutionäre an dieser Kunst, daß sie für das Volk und nicht um ihrer selbst willen da ist.

Wer also von dieser Ausstellung die revolutionäre Geste moderner Ismen erwartet, wird sich widerlegt fühlen, sie liefert vielmehr den Beweis*-daß die Kunst nur dann auf die breiten Massen des Volkes Emfluß gewinnen kann, wenn sie sich von allen literarisdien Beeinflussungen befreit und den Weg zur Natur und zur Volksseele zurückfindet. Den stärksten künstlerischen Eindruck gewinnt man aus den Bildern Plastows. unter denen „Der erste Schnee“ malerisch besonders feine Qualität besitzt. Alexander Gerassimow ist der repräsentative Maler des neuen Rußlands, ein Porträtist von hohem Können, der namentlich in dem • Bildnis des Schauspielers Moskwin eine meisterhafte Leistung geschaffen hat. Auch in den Porträts des Marschalls Stalin und des Mar-sdialls Tolbuchin, sowie in den lebensvollen Bildnissen zweier Moskauer Tänzerinnen zeigt sich der hohe Stand russischer Porträtkunst. Entzückend gemalt ist ein großer Feldblumenstrauß. Besonderes Interesse verdienen die Dekorations- und Kostümentwürfe zur Oper „Taras Bulba“, Aquarelle von ' einer derartigen Lebendigkeit und farbigen Schönheit, daß man jedes einzelne Blatt genau studieren sollte. Auch S e rgeij Geriiiifflov ist ein lusgezeich-, neter Aquarellist, der in seinem Reisealbum Moskau-Samarkancl eine Reihe wundervoller Naturausschnitte gemalt hat. Von seinen großen Gemälden verdient der eindrucksvolle „Kolchosbauer aus der Wacht“ besondere Hervorhebung. Der westeuropäischen Malerei steht Alexander Deineka am nächsten. Er ist in erster Linie Landschafter, obwohl er in seinem Riesenbild „Die Flügel des Leibeigenen“ auch bedeutendes kompositorisdies und figurales Kön- • nen verrät. Seme Studien in Aquarell-Tempera aus Frankreich, Italien und Deutschland, natürlich auch aus seiner russischen Heimat, sind durch Naturbescelung und ( vorzügliche Technik ausgezeichnet.

Wenn man diese russische Ausstellung mit der benachbarten Aussteilung von Meisterwerken französischer Malerei vergleicht, dann erkennt man erst, wie die Kunst des ' Ostens kraftvoll und volksverbunden ihren Weg sucht, während die Kunst des Westens sensitiv, unruhig und in immer, stärkerer Abstraktion von allem Wirklichen herumtastet und sich immer mehr und mehr vom Volke entfernt, um ihr Sonderleben zu führen.

In den nächsten Wochen soll auch in Wien eine Sektion oder Landes-g r ü p p e des „A r t - C 1 u b“ ins Leben gerufen werden, die es sich zur Aufgabe stellt, eine internationale Vereinigung von Künstlern und Kunstschriftstellern zu bilden, die über die Grenzen der Länder hinweg eine erfolgreiche Zusammenarbeit der bildenden Künstler fördern soll.

Die unter der Präsidentschaft Professors Gütersloh stehende österreichische Sektion wird sich an ein^ Reihe-heimischer Künstler wenden, um sie zur Mitarbeit einzuladen, wobei vor allem an jene Künstler gedacht ist, die in ihrer Kunstrichtung führend sind und nach neuen Ausdrucksformen streben. Konferenzen, internationale Ausstellungen und Zeitschriften sollen diesem Ziele dienen.

Der Art-Club wurde 1945 in Rom von italienischen und ausländischen Künstlern, darunter dem Wiener Maler Gustav Beck, gegründet und will Sektionen in allen Ländern errichten, deren Ziele am ehesten mit denen des Pen-Klubs verglichen werden können. Die Zukunft wird erweisen, ob dieser gewiß begrüßenswerte Gedanke die entsprechende Durchschlagskraft erhält oder ob er nicht nur eine neue Gruppenbildung unter so vielen bereits bestehenden Künstlergruppen bedeutet und an den Widerständen der so schwer zu organisierenden Künstlerschaft scheitert.

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