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Handel und Kunst

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Die Fugger uhd die Kuhst im Zeitalter der Spätgotik und frühen Renaissance. Von Norbert Lieb. Verlag Schnell & Steiner, München

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Die Fugger uhd die Kuhst im Zeitalter der Spätgotik und frühen Renaissance. Von Norbert Lieb. Verlag Schnell & Steiner, München

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Mit einem imposanten Aufwand an wissenschaftlicher Arbeit hat Norbert Lieb aus den reichlich fließenden, aber weithin zerstreuten geschichtlichen Quellen eine geschlossene Darstellung des Verhältnisses der Augsburger Kaufherrnfamilie Fugger zur Kunst ihrer Zeit geschaffen, so flüssig und so klar, so sehr von der Bedeutung des Stoffes durchdrungen, daß hiedurch ein lebensvolles Bild von hohem Reiz und größtem Wert entstand. Der Aufstieg der Fugger aus kleinen Anfängen bis zu weltumspannender Geltung und patrizischer Lebensform wird bis zu seinem Höhepunkt, dem Leben und Schaffen Jakob Fuggers „des Reichen“ (1459 bis 1525) spannend geschildert. Die Beziehungen der Kunst zu den Handelsgeschäften, die von den Kontoren der Fugger ausgingen, werden an einer Fülle von Beispielen veranschaulicht. Von Italien bis nach Flandern und England, von Aegypten bis zur Nėuen Welt, überblicken wir das In- einahderwirken des Strebens nach wirtschaftlichem Gewinn mit echtem kulturellem Verantwortungsbewußtsein — nicht bei den Handelsherren allein, sondern auch bei den ihnen befreundeten Augsburger Gelehrten und ihren Angestellten in der Fremde. Die Bindungen des Fuggerschen Kapitals an die Fürsten und ihr diplomatisches Spiel werden durchleuchtet, und selbst Transaktionen von reservatem Charakter, etwa die „Verwertung" des Stirndiadems des geldbedürftigen Kalifen Kanssu Ghiauri von Kairo oder des von den Eidgenossen bei Nancy erbeuteten Schatzes Herzog Karls des Kühnen von Burgund treten ebenso ans Licht wie die ewigen Pfandgeschäfte des verschuldeten Kaisers Maximilian I.

Mit der kritischen Darstellung der Geschichte dės Baues und der überreichen Ausstattung der Grabkapelle der Fugger an der Augsburger Annenkirche führt uns das Buch vollends in eine Schatzkammer deutscher Kunst. Dieser Bau selbst, Seine Epitaphien, die Plastiken seines längst zerstörten Gestühls, die herrliche, italienischer KunSt so nahe Freifigurengruppe des Altares und die köstlichen Kleinwerke ringsum zählen nicht allein zu den besten, sondern auch zu den meist umstrittenen Werken deutscher Renaissance. Mit Be- dachtsamkėit und sicherem Urteil untersucht Lieb diė Fragė nach den Urhebern dieser Schöpfungen. Da in diesem Falle urkundliche Grundlagen nahezu gänzlich fehlen, werden der Stil der Werke Selbst, die allgemeine Geschichtslage- und die KünstlergeschichtO Augsburgs mit beispielgebender methodischer Sauberkeit ausgewertet, um sichere, wertvolle Resultate zu gewinnen, die oft zwar nicht in der Nennung von Künstlernamen, stets aber in einer klaren Umgrenzung des Ursprungsbereiches dieser Werke bestehen.

Aus diesen Untersuchungen hebt sich ein bisher kaum beachteter Augsburger Künstler bedeutenden Ranges hervor, Sebastian Löscher (zirka 1485 bis 1548), für den der zeichnerische Entwurf der Ifmehraumgėstaltung der Fuggerkapelle gesichert ist und der einen ansehnlichen, im einzelnen abet noch ungeklärten Anteil an der Ausführung ihres plastischen Schmuckes bat- Von wahrer geistiger Leuchtkraft sind Liebs Scheidungen der Anteile verschiedener Künstler an geschlossenen Werkgruppen, z. B. den reizvollen Steinputten der Fuggerkapelle; der Verfasser verfolgt nicht die beliebte Methode, das kunstgeschichtliche Material einfach an die derzeit bekannten Augsburger Bildhauer dieser Zeit aufzuteilert, sondern er berücksichtigt auch den wahrscheinlichen Anteil von Meistern wie Jakob Murmann, von denen wir leider noch keine gesicherten Werke kennen, und zieht die Möglichkeit in Betracht, daß bei der raschen Ausführung, z. B. der Fuggerepitaphien, mehrere Bildhauerwerkstätten auf Grund der altbekannten zeichnerischen Entwürfe Dürers neben- und miteinander gearbeitet haben könnten.

Daß Lieb die herrliche Freifigurengruppe des Kapellenaltars, die marmorne „Engelpiėta", entgegen den Zweifeln Pinders nicht einem Italiener, sondern überzeugend dem Werkkreise des Augsburger Bildhauers Hans Daucher zuweisen konnte, ist ein fundamentales Ergebnis.

Diesem in sich geschlossenen Buche fügt sich ein inhaltsreicher Exkurs von Karl Feucht- m a y r über „Die Bildhauer der1 Fuggerkapelle" an. Mit Impetus wird mit der alten Meinung aufgeräumt, daß Adolf Daucher (zirka 14'65 bis 1524) eigene plastische Werke geschaffen habe; denn Feuchtmayr weist nach, daß dieser Meister gar nicht Bildhauer, sondern Kistler war, und zwar Aufträge für Bildhauerarbeiten entgegėnnahm, sie aber an zünftige Bildhauer, besonders seinem Sohn Hans, weitergab. Feuchtmayr stimmt ih seinen Untersuchungen mit Liebs Ueberzeugung überein, daß Hans Daucher für die herrliche „Ehgėlpieta"verantwortlich ist. Dann aber versucht ėr in kühnem Anlauf, die anderen Bildwerke der Fuggerkapelle bestimmten Meistern zuzuweisen ond beladet dabei Sebastian Löscher mit Arbeiten, die nicht überzeugend das Gepräge einer Künst- lerpersönlichkeit tragen. Wir glauben, daß an diesem Punkte die wissenschaftliche Kontroverse intensiv einsetzen wird, da Löscher derzeit in den Brennpunkt der Forschung gerückt wird und selbst in Oesterreich noch Werke seiner Hand der Veröffentlichung harten.

Oesterreich besitzt großenteils, dank dem Mäzenat und der Sammlertätigkeit des habsburgischen Herrscherhauses, ih seinen staatlichen Kunstsammlungen und Kirchen unvergleichliche Schätze der Augsburger Kunst des späten Mittelalters und der Renaissance. Es ist wissenschaftlich notwendig, daß dieser Hort so bald wie möglich in einer umfassenden Schau in Augsburg selbst der Welt vor Augen geführt wird, jetzt, da durch die Arbeit von Lieb und Feuchtmayr wichtigste Fragen der Augsburger Kunstgeschichte aufgeworfen wurden und ihrer Lösung zugeführt werden müssen.

Heinrich D fe c k e r

Oesterreichisches Jahrbuch für Exlibris Und Gebrauchsgraphik 1952 53. Festschrift zum SOjähri- gen Bestand der Gesellschaft. Band 39. Herausgegeben von der österreichischen Exlibrisgesellschaft. Im Selbstverlag. Wien.

Das Erscheinen eines Jahrbuches genannter Gesellschaft war schon bisher immer ein beglückendes Ereignis auf dem österreichischen Büchermarkt. Es versteht sich, daß für die vorliegende Jubiläumsgabe (Schriftleitung: DDr. Richard Kurt D o n i n, Buchgestaltung, Einband: Prof. Dr. Otto H u r m) alle Kräfte aufgeboten wurden, Um eine Höchstleistung vorlegen zu können, was auch in jeder Hinsicht ein volles Gelingen Wurde. Diese Festgabe hat den Vergleich mit dem Allerbesten, was auf diesem Gebiete in anderen Kulturländern erscheint, wahrlich nicht zu scheuen. Der langjährige Eckart der Gesellschaft, Dr. Hans A n k- wicz-Kleehoven, gibt eine gewissenhafte, wohltuend objektiv gehaltene Uebersicht über die wechselvollen Schicksale der Gesellschaft und ihre vielseitige Tätigkeit von der Gründur g an bis zur Gegenwart. Dem Besitzer der größten Exlibris-

Sammlung Wiens, Dr, Rudolf Hoschek-Mühl- haimb, war die Aufgabe gestellt, Oesterreichs Anteil an der internationalen Exlibrisbewegung herauszuarbeiten. Einem geschichtlichen Rückblick, der bis in die Periode der ausgehenden Gotik führt, schließt sich ein Ueberblick über das Exlibrisschaffen und die daran beteiligten Künstler seit 1900 an. Der naheliegenden Gefahr einer ermüdenden Reihung sehr vieler Künstlernamen ist dadurch begegnet, daß nach verschiedenen Gesichtspunkten Gruppen zusammengefaßt und das künstlerische Sonderprofil der einzelnen Vertreter mit knappen, aber stets gut gewählten, prägnanten Worten charakterisiert wurde. Man staunt über die Fülle der Begabungen, die unser kleines Land aufzuweisen hat. Die zahlreichen Bildbeigaben im Text, vor allem aber die meisterlich reproduzierten Bildtafeln, erhöhen den Wert dieser Jubiläumsgabs ungemein. Beigegeben ist noch ein von Anna Per- hauz sehr sorgsam zusammengestelltes Verzeichnis der Autoren und Künstler aus den Jahresveröffentlichungen von 1902 bis 1951. Diese Standardpublikation und eine für die nächste Zeit geplante Jubiläumsausstellung in dem österreichischen Museum für angewandte Kunst werden hoffentlich ihre Wirkung nicht verfehlen und der Gesellschaft neue Kräfte und Gönner zuführen.

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