6580580-1951_15_08.jpg
Digital In Arbeit

Ratsel um eine Grobschopfung Tiroler Gotik

19451960198020002020

Die Fresken im Kreuzgang des Franziskanerklosters in Schwaz in Tirol. Geschichte und Kommentar zu den Abbildungen von Boris Lorsky. Photographien von Robert Moisy und Richard Schimann. Großformat, 90 Seiten Text und 129 Tafelbilder. Verlag Herder,Wien. S 98.—

19451960198020002020

Die Fresken im Kreuzgang des Franziskanerklosters in Schwaz in Tirol. Geschichte und Kommentar zu den Abbildungen von Boris Lorsky. Photographien von Robert Moisy und Richard Schimann. Großformat, 90 Seiten Text und 129 Tafelbilder. Verlag Herder,Wien. S 98.—

Werbung
Werbung
Werbung

Unter ihrem reichen kunstgeschichtlichen Besitz bewahrt die alte Tiroler Knappenstadt Schwaz auch das größte religiöse Bilderwerk Tirols, den Freskenschmuck in dem Kreuzgang ihres Franziskanerklosters. Er entstand in den Jahren 1519 bis 1526, kurz nach dem Bau des Klosters, und wurde, wie die Wappen und Stifterge6talten in den Gemälden bezeugen, von Gewerken und Bürgern des wohlhabenden Marktfleckens zur Ausstattung der jungen Klostergemeinde bald nach ihrer Niederlassung, gewidmet Ein gewaltiger Zyklus von 25, zum Teil außerordentlich figurenreichen Gemälden, überspannte die Wände des Kreuzganges, die Passion des Herrn darstellend. In seiner frühen Pracht muß er, wie seine heutige Verfassung noch dem Kundigen sagt, von ergreifender Schönheit gewesen sein. Ein schmerzliches Schicksal war diesem Bilderwerk beschieden, das nur in seiner freskanten Vorzeichnung gegen Feuchtigkeitseinflüsse und oberflächliche Beschädigung geschützt war. Die Konturen der Zeichnung waren nach einem Malerbrauch, dem man auch in steiri-schen und anderen alpenländischen Schöpfungen der Spätgotik öfter begegnet, mit Temperafarben gefüllt worden, die schon frühzeitig ihre geringe Widerstandskraft erwiesen, so daß 6chon zwei Generationen später Restaurierungsarbeiten einsetzten. Im Barock nahmen diese Bemühungen einen verheerenden Charakter an und verwischten und verdarben so viel, daß bis heute vieles aus Werden und Geschichte der Bilder nur durch Hypothesen erfaßt werden kann. Ganz merkwürdig ist zum Beispiel der Anteil des Nürnberger Verlegers Hans Kaspar Rosenthaler, der zugleich Talg- und Eisenhändler, Pächter an der Schwazer Kupfermine war, an dem Entstehen der Gemälde, ein Mann, der offenbar mit einer starken geschäftlichen Betriebsamkeit musische Begabungen und Liebhabereien hatte, ein mit Holzschnitten geschmücktes Werk über den Heiligen von Assisi verlegte, sich wahrscheinlich auch mit Kupferstichen befaßte. Sein Einfluß in Themenwahl und Gestaltung des Schwazer Zyklus ist in der sorgsamen Quellenerkundung, mit der Boris Lorsky in dem vorliegenden schönen Werk den mannigfachen Rätseln der Bilderautorschaft nachging, überzeugend erwiesen.

Am deutlichsten unter allen in Betracht Kommenden von Hau6 aus bestimmt ist die Teilhaberschaft des in Monogramm und auch archivalisch bezeugten Franziskanermalers Wilhelm der Schwabe. Stilgruppierungen unter den viertelhundert Gemälden und danach Herkunftsuntersuchungen zu unternehmen, scheint angesichts des Ineinanderfließens verschiedenster künstlerischer Zubringerbäche — solcher selbst aus Italien — müßig zu sein, zumal durch unglückliche Ubermalungen und Restaurierungen unendlich viel verwischt und zerstört worden ist. Die schlimmste Heimsuchung erfuhr die künstlerische Schöpfung in dem klösterlichen Kreuzgang durch die Schwazer Kirchenmalerfamilie Hettinger, in der nach einem in der Barockzeit häufigen Brauch Großvater und Vater mit Kind und Kegel zur Ausübung des Gewerbes auszogen und die gewerbliche Routine Künstlertum und Genie ersetzen ließen. Die Gebrauchsanweisung, die uns die Restaurierer Hettinger von ihrem Verfahren hinterließen und derzufolge sie der vorgefundenen alten Malerei mit heißem Seifenwasser, Häckselabreibungen und dem Messer zu Leibe gegangen sind, worauf das zerschundene Fragment noch mit Nußöl „getüncht“ wurde, enthielt zweifellos die passende Vorbereitung für Ölgemälde, welche sie an die Stelle der massakrierten alten Schöpfungen setzten. Es sollte dieser „Reinigung“ gegen Ende des 17. Jahrhunderts noch eine zweite folgen. Begreiflich, daß immer wieder in der Folgezeit das Unbefriedigende, Traurige des Bildeizustahdes in dem Kreuzgang nach Veränderung schrie. Also durfte der Münchner Professor Alfons Siber, unterstützt von den Malern Untergasser und Singer, 1899 eine neue bis 1912 fortgesetzte Restaurierung beginnen und sich mit eigenen Interpretationen von zehn alten Freskenspuren über die Mauern ausbreiten, schätzenswerten Arbeiten, wenn sie nicht viel Kostbareres verhüllt hätten. Die letzten Jahrzehnte haben nach all den Zutaten und Wegnahmen zu retten gesucht, was noch an echtem altem Bildgut zu retten war; namentlich die 1945 vollendeten Arbeiten Professor Wallisers, durchgeführt nach dem Grundsatz „Reinigen, ohne nachzubessern und Neues beizufügen“, lassen selbst aus Fragmenten noch die glorreiche Majestät der spätgotischen Meister, die an diesem Zyklus schufen, wirken. Der Erhaltungszustand der freigelegten freskanten Zeichnung ist sehr verschieden, aber große, imposante Partien, so zum Beispiel „Die Gefangennahme Christi“,' „Die Kaiphas-Szene“, „Die Geißelung“, ferner im Südtrakt „Die Dornenkrönung“ und im Nordtrakt „Die Thomas-Szene“ und auch andere Bilder haben ihren Zauber für jeden ehrfürchtigen Beschauer bewahrt.

Der erklärende Text Lorskys erhellt durch das Wort, wo der Pinsel zu sprechen aufgehört hat. Die umfassende kunstgeschichtliche Untersuchung, die ihn eröffnet, ist eine wertvolle Bereicherung unserer neuesten Kunstliteratur. Die Widergabe der Bilder hat ersten Rang. Die Ausstattung durch den Verlag ist des adeligen Objektes würdig.

Holzschnitte. Von Ernst Dombrowskl. Ein Werkbuch. Mit einer Einführung von Hans Riehl. Verlag Ulrich Moser, Graz-Wien.

Dombrowskis Kunst trägt — wie kaum eine heutige sonst — in sich das Vermögen, trotz einer Welt, die sich in einer weitgehenden Abwendung vom Gesunden etwas leistet, volkstümlich zu sein. Man ist beglückt, wenn man in dem Buche blättert, denn es sind in ihm die schönsten Holzschnitte und -Stiche des Künstlers zusammengetragen. Welch eine frische, würzige Luft weht aus diesen herrliehen Schnitten, welche Reinheit des Gefühl spricht aus ihnen! Das hat nichts mit sentimentalen Idyllen zu tun, was da vor uns ausgebreitet wird, das ist das mutige Bekenntnis, im schlichten Kreis und in der Schönheit der Natur das Glück dieses Erdenlebens zu suchen und zu finden. Nicht umsonst ist Dombrowski der Illustrator vieler zum Volksgut gewordenen Bücher, und ich könnte mir keinen besseren für „Hermann und Dorothea“ denken. Aber ganz besonders schlägt sein Herz für die Kinder. Das freut uns . am meisten an diesem außerordentlich großen Künstler. Der bekannte Kunsthistoriker Universitätsprofessor Dr. Hans Riehl hat dem Werke die beste Einführung mitgegeben, die auch dem über die Technik namentlich des Holzstichs Unbewanderten vollen Aufschluß gibt. Nach wertvollen biographischen Daten über den Künstler würdigt der Verfasser Dombrowskis schon bis heute recht ansehnliches Schaffen mit einer diesem mit Recht zukommenden Wärme und vermittelt uns in diesem Zusammenhang tiefe Einblicke in das Wesen und Werden der Holzschneidekunst selbst und der anderen graphischen Künste. Uber 120 Wiedergaben runden das beglückende Bild ab, das wir von diesem feinen Künstler erhalten haben.

Die Öffentlichkeit als Werkzeug der Politik.

Eine kurze historische Zusammenstellung. Von a. o. Gesandten und bevollmächtigtem Minister Eduard Ludwig. Herausgegeben vom Institut für Zeitungswissenschaft der Universität Wien. 41 Seiten.

Das Wechselspiel von öffentlicher Meinung und Politik beschäftigt den Ordinarius für Zeitungswissenschaft an der Universität Wien seit langem. Immer wieder kommt er in Vorträgen, Vorlesungen und Seminarien auf dieses äußerst interessante Thema zu sprechen. Nun faßt eine Studie die wichtigsten Grundgedanken zusammen. Ist der Publizist der geschworene Gegenspieler des Politikers, stört er dessen Kreise, bedrohen seine Veröffentlichungen jedes Konzept? Schätzt nicht vielmehr der erfahrene Politiker, Diplomat und Staatsmann in den Männern der Publizistik seine besten Verbündeten, wenn sie zur richtigen Zeit da6 rechte Wort sprechen. Die Lehren der Geschichte, heraufgeführt bis in die jüngste österreichische Vergangenheit, sprechen für die zuletzt geäußerte Ansicht. Mehr noch: sie lassen erkennen, daß alle wirklich großen Staatsmänner auch stets Meister — im doppelten Sinne des Wortes — der Publizistik waren. Denn vielfach, nicht gleich und nicht für jeden Staatsbürger zu erkennen und zu durchschauen, sind die Beziehungen öffentliche Meinung — politische Führung. Den richtigen Augenblick zu erkennen, wo man reden muß, oder zu wissen, wann Schweigen das Gebot ist, erfordert schon eine genaue Kenntnis der für die öffentliche Meinung geltenden Gesetze. Sie sind zu lernen wie jene der Physik und der Psychologie. Uralt müssen sie aber scheinbar immer neu entdeckt werden. Deshalb ist Minister Ludwigs Studie — historisches Wissen vereint sich in ihr mit persönlichen Erfahrungen — nicht nur für Eleven der Zeitungswissenschaft von großem Interesse.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung