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Wiener Frauengraphik der Gegenwart
„Nicht alle Gebiete der darstellenden Kunst sind der weiblichen Künstlerschaft gleicherweise erschlossen. So findet sich die weibliche Wesensart im Schaffensbereich der Architektur, der Großplastik und der kompositioneilen Malerei mit wenigen Ausnahmen nicht recht heimisch. Dafür gibt es aber nicht wenige Kunstübungen, in dnen gerade echt weibliche Eigenart seit ältesten Zeiten sich mit Erfolg betätigte und immer wieder mit besonderer Eindringlichkeit an allmenschliche Vorgänge des Daseins anknüpft, um sie künstlerisch auszuwerten.“
Mit dieser treffenden Formulierung leitete der bekannte'Wiener Kunstgelehrte Professor Dr. Anselm Weißenhofer einen Vortrag ein, den er vor kurzem im stilvollen Vortragsraume der Nationalbibliothek hielt. Er führte darin aus„ daß neben Flechten und Weben, der Kunst der Feinstickerei und Nadelmalerei, im Email, im Landschafts-ünd Blumenbild die weibliche Kunstübung namentlich in der Gebrauchsgraphik anerkennenswerte Ergebnisse aufzuweisen hat. Das sei nur zu natürlich, da dabei gerade jene künstlerischen Eigenschaften aufgerufen würden, die man als beste Wesenszüge weiblicher Artung gelten lassen muß, so die empfängliche Hingabe und Einfühlungsfähigkeit in das Denken und Wollen anderer, also das Verstehen des Dichters, dessen Träume und Visionen gestaltet und ausgedeutet werden sollen, wie es vor allem die Buchillustration erfordert, sowie verständiges Mitgehen mit den Wünschen und Eigenheiten dessen, der ein ihm eigenes Erlebnis haben will. Das Erinnerungsblatt an die Geburt eines Kindes, eine Vermählungsanzeige, ein Weihnachtsgruß oder Neujahrswunsch besagen der weiblichen Psyche, die sich ihrer natürlichen Bestimmung nach den Urgewalten des Werdens und Vergehens besonders eng verpflichtet fühlt, ungemein viel. Mit besonderer Vorliebe werden dafür jene Techniken gewählt, die auch der Farbe ihr Recht einräumen, so der Holz- und Linolschnitt, das Handdruckverfahren, während der strenge Kupferstich nur von wenigen gepflegt wird, wie von den Graphikerinnen M u r a d und A u g u s t i n. Auch dies sei kein Zufall, weil die zwanglose Beweglichkeit der Liniensprache im Holzschnitt und der sinnliche Zauber der Farbe etwas ungemein Werbendes für frauliches Gemüt und weibliche Vorstellungsart haben.
Mit diesem Vortrage hat Dr. Weißenhofer den Vertreterinnen der Wiener Frauengraphik, die bisher ein wenig stiefmütterlich behandelt wurden, im Wiener Kunstleben jenen Platz angewiesen, den sie sich schon lange verdient haben und in Fachkreisen auch tatsächlich einnehmen.
Allen voranzustellen ist Rose Reinhold, die sich auf eine außergewöhnlich große Gefolgschaft aus den verschiedensten Volksschichten berufen kann. Ihre Gestaltungskraft ist schier unerschöpflich und in immer neuen originellen Lösungen aus dea gesündesten Aufbaustoffen unverwüstlicher, echt volkstümlicher Phantasie genährt. Oh sie nun besinnlich oder humorvoll sein will, immer gibt sie sich leicht verständlich und überzeugend. In den verschiedensten Techniken geschult, schon vom Elternhause her künstlerisch angeregt, erkannte sie sehr bald im farbigen Holzschnitt die ihrer Eigenart besonders zusagende Technik. Ihre Blätter in einem einfachen Verfahren nach Art der alten Einblattdrucke wahren volle Ursprünglichkeit. Die von ihr illustrierten kleinen historischen Monographien des Reinhold-Verlages, die einzelnen volkstümlichen Bücher des Verlages Pustet, zahlreiche Exlibris und Gelegenheitsgraphiken, die auch von amerikanischen Verlegern übernommen wurden, waren in Kollektivausstellungen in München und Antwerpen zusammengefaßt und haben ihr großes Können auch im Auslande bekannt gemacht.
Von ganz anderer Art ist das Schaffen Hedwig K r i z e k s, die sich auf dem Gebiete der Kunststickerei, besonders der Pa-ramentik, auch im Ausland einen angesehenen Namen erworben hat. Durch die Vorarbeiten für diese kunstgewerblichen Entwürfe wurde sie naturgemäß der Graphik zugeführt und bald eine der erfolgreichsten Vorkämpferinnen für eine kitschfreie religiöse Kunst, und zwar auf dem besonders gefährdeten Gebiete des Andachtsbildchens. Ihre kolorierten Handdrucke sind Zeugnisse des gepflegtesten Formen- und Farbensinnes und natürlicher, sinnfälliger Niederschlag einer bewußten religiösen Uberzeugung. Daraus erklärt sich auch die Aufnahme, die diese Bildchen gerade in den 'religiös empfindenden Kreisen des In- und Auslandes finden.
Die gkiche Anerkennung wird auch den Holzschnitten Sylvia Penthers gezollt. Ihre Bildfolge „Die Dame von 1760 bis 1860“ sowie eine Auswahl von Darstellungen alter Häuser wurden dem New-Yorker Me-tropolitan-Museum einverleibt. Ihre Kunst weist eine männliche Note auf, ihre leidenschaftliche Freude an stark wirkenden Farben mag ein Erbteil ihrer ungarischen Abstammung sein. Offenbarungen allerpersön-lichster Art sind die Holzschnitte von Gertraud Reinberger-Brausewetter, die aber durch ihren allgültig menschlichen Gehalt auch dem Fernerstehenden reiche Anregung schenken und ihn zu ernstem Nachdenken über das Hintergründig-Metaphysische unserer Sinnenwelt zwingen. Ihr Schaffen beschränkt sich fast ausschließlich auf die religiöse Sphäre. Ein aus gotischer Urschicht herauswachsender Expressionismus verzaubert die Oberfläche unseres Daseins in aufwühlenden Visionen und Traumgesichte von fast unheimlicher Eindringlichkeit, wobei die starken Schwarz-Weiß-Kontraste bis in die letzte Möglichkeit zur Geltung gebracht werden.
Einen Gegensatz dazu bildet die wienerische Anmut der Arbeiten Herta Sladkys, die mit der Welt des Kindes ganz besonders vertraut ist. Ihre Entwürfe für Spielzeug und Kleinmöbel, ihre Märchenzyklen für Kinderzimmer sowie ihr Christbaumschmuck entzücken nicht nur die Kleinen.
Am erfreulichsten ist es aber, daß sich hinter den bisher Genannten, deren Kunst bereits volle Reife aufweist, eine große Zahl werdender und ringender junger Kräfte drängt. Helga Schenker und Antoinette Langer wetteifern im Entwerfen von Bucheinbänden und Illustrationen sowie in Blumenstücken und Hinterglasmalereien, die als Glasmalerin bekannte Lucie J i r g a 1 hat ein sehr originelles Exlibris für bomben-geschädigte Bücher geschaffen und Grete Hartmann stellt ihre taufrische Fabulierkunst zumeist in den Dienst der Buchillustration.
Im Wiederaufbau Österreichs werden diese Künstlerinnen, die zum Teile Mitglieder der recht exklusiven österreichischen Exlibris-Gesellschaft sind, Gelegenheit genug zu künstlerischer Betätigung finden. Ihre Leistungsfähigkeit wird sicherlich auch erfreu-
Die scharfen Kritiker des Wiener Kongresses machen ihm immer den Vorwurf, er habe die revolutionären Tendenzen und die liberalen Ideen erstickt und auf alten Formeln eine kontinentale Ordnung errichtet, welche den Klassenvorrechten günstig und dem Fortschritt verschlossen war. Der Kongreß hätte nach dieser Ansicht dazu beigetragen, die falsche und gefährliche Idee zu verewigen, daß die internationale Ordnung auf einen so unsicheren und auch so herkömmlichen Begriff wie den des Gleichgewichts gegründet werden könnte. ,
Es ist unleugbar, daß das Legitimitätsprinzip, dessen sich die Diplomaten von 1815 bedient haben, um die Ordnung in Europa wiederherzustellen, einen eindeutig konservativen Charakter hatte. Aber hätte man ein anderes Prinzip finden können, das in der ganzen Welt anerkannt war? Mußte man nicht die Bande zwischen den europäischen Staaten verstärken statt neue Gegensätze zwischen ihnen zu schaffen?
Das Wesentliche war, der Unordnung ein Ende zu machen, die durch die Übergriffe Napoleons verursacht war, welche Europa an den Rand des Abgrunds geführt hatten; und es mußte geschehen, ohne neue Übergriffe hervorzurufen.
So konservativ der Wiener Kongreß war, so hinderte er Europa doch nicht, durch liberale Strömungen mitgerissen und mehr als einmal durch revolutionäre Ideen umgestürzt zu werden. Aber er gab Europa dem Leben wieder — und die Ordnung, die er dem europäischen Leben sicherte, dauerte länger als ein Jahrhundert.
Grigore G a f e n c u, ehemaliger rumänischer Außenminister, in seinem Buch: „Vorspiel zum Krieg im Osten“ (erschienen im Verlag Amstutz, Herdeg & Co., Zürich).
liehe wirtschaftliche Folgen Haben, denn 3as Ausland, zumal die Schweiz, Holland, Schweden, England und Amerika, ist an dem Wiener graphischen Schaffen mehr interessiert als allgemein bekannt sein dürfte. Man wird das kulturelle Niveau unserer geliebten Heimat mehr als einmal gerade nach ihrer Graphik bewerten.
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