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Innerösterreidi

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Wir sind zu sehr gewohnt, Geschichte i n wesentlichen politisch aufzufassen. Daß Staats- und Kriegsgeschichte nur eine der Grundlagen der Geistesgeschichte, auf die es doch am Ende allein ankommt, ausmachen, darauf hat man leider weder uns noch, wie mir scheint, die heutige Jugend genügend hingewiesen. Der Geist einer Zeit aber manifestiert sich niemals in politischen oder kriegerischen Taten, die, aus welchen Motiven sie auch geschehen mögen, immer nur Ausdruck menschlicher Unzulänglichkeit bleiben können, sondern nur im kulturellen Schaffen.

Es ist daher ein Verdienst unserer Museen, wenn sie nicht mehr schematisch reihenweise Schaustücke ausstellen, sondern durch eine sinnvolle Zusammenstellung anschauliche Zeitbilder entwerfen wollen. So soll auch die Neuaufstellung von Gegenständen des 16. und 17. Jahrhunderts im Grazer Joanneum ein Zeitbild Innerösterreichs geben, Innerösterreichs, das auch den meisten von uns nur ein staatsgeschichtlicher Begriff ist. Aber Innerösterreich, das ist die hohe Zeit steiermärkischer Kultur, die Blüte seiner Renaissance, geschaffen aus dem Zusammenwirken verschiedenster Kräfte. Die wirtschaftlichen Verbindungen der habsburgischen Länder und die häufigen Reisen von Angehörigen des Hauses nach Italien bewirkten auch im kulturellen Leben einen regen Austausch, während die Ehe des ersten innerösterreichischen Herrschers, Karls II. mit Maria von Bayern, den starken Einfluß süddeutscher, vor allem handwerklicher Kunst förderte. Dazu kamen die alten Bindungen des Erzhauses an die Niederlande. Diesen Beziehungen verdankte Graz auch seine damalige erstrangige Stellung alsMusikstadt, wurden doch hier unter anderem zum Beispiel auch die Motetten eines Orlando di Lasso uraufgeführt.

Leihgaben des Landesarchivs, ein Nekrolog auf Ferdinand II. und Urkunden über die Verleihung des Obermarschallamtes an die Familie Saurau sollen dem Beschauer der Neuaufstellungen das historische Geschehen lebendig werden lassen. Die Grazer Universitätsbibliothek stellte einzelne Bilder aus dem Triumphzug Maximilians zur Verfügung. Im Mittelpunkt des „historischen” Raumes steht neben dem steirischen Herzogshut der Landschadenbundbecher, das bedeutendste Meisterwerk der deutschen Goldschmiedekunst der Renaissance, Die Insignien H. S. lassen vermuten, daß er von dem Augsburger Meister Hans Schaller geschaffen wurde. Ursprünglich wahrscheinlich ein Hochzeitsgeschenk Karls H. und Marias, wurde er als Geschenk Ferdinands II. Wahrzeichen eines Bundes der steirischen Stände. Ein besonderer Stolz der Sammlung ist der Leobner Wappenstrauß, ein silbernes Kredenzgefäß, ebenfalls in Augsburg in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts geschaffen, ein Geschenk der Sammlung Rothschild an das steirische Landesmuseum. In Augsburg wurde auch der Banntaiding- becher für die Gemeinde Obelbach verfertigt, dessen Silber allerdings bei Übelbach selbst gewonnen wurde.

Karl II., besonders aber sein tirolischer Bruder, waren bekanntlich leidenschaftliche Jäger. Daher die große Sammlung von Jagdwaffen, vor allem reichverzierte Radschloßbüchsen, die schönste aus dem Besitz des Erzherzogs Leopold von Tirol aus dem Jahre 1628. Die Gemälde Karls und Marias ergänzen das Bild innerösterreichischen Kulturschaffens, das dieser Raum lebendig vor Augen führt.

Der Kunst des Schmiedeeisens ist ein anderer Saal gewidmet. Hier war es schwer und wäre es sinnlose Engherzigkeit gewesen, nur ausgesprochene Renaissancewerke auszustellen. Denn der Übergang von der Gotik und die Weiterentwicklung im Barock sind zu fließend, als daß man Grenzen ziehen könnte. Schon hier beweisen zu Kunstwerken erhobene Gebrauchsgegenstände, wie Truhen, Fenstergitter, vor allem aber die zahlreichen Türschlösser, die Höhe der Hauskultur, eines unserer Zeit scheinbar vollkommen- fremdgewordenen Begriffes. Liebe, Sorgfalt und Freude an der Schönheit auch in den kleinsten Dingen kennzeichnen diese Jahrzehnte des Bürgerfleißes, die aber — zum Unterschied vom Biedermeier etwa — keine Abkehr vom Großen bedeuteten. Bereits in der Eisensammlung bemerkt man, wie aus der fast spielerischen Kunst der Handwerker erhabenste Werke erstehen, Grabkreuze von einmaliger Vollendung, wie jenes aus dem Kelch einer Lilie aufsteigende aus Mühlbach bei Leoben, dessen zwei rechtwinklig sich kreuzende Querbalken durch den Blütenkelch zu einer wunderbaren Einheit werden.

Das nächste Zimmer bringt Zeugnisse der Bildfreudigkeit, die sich aus dem katholischen Glaubensgut der Steiermark entwickelt hat: ein erschütternde Marienklage aus dem frühen 15. Jahrhundert, ein vergoldetes Tabernakeltürdien aus Poliau, zierliche Tragstangen eines Prozessionshimmels, einen barocken Hausaltar aus Ehrenhausen, zwei derbkomische Grabwächterfiguren, die deutlich an volkstümliche Passionsspieltypen erinnern, endlich das Prachtwerk des zweiten Mariazeller Altars. Vom ersten, dem ältesten, der um 1512 geschaffen wurde, sind vier Bilder ausgestellt, während der mächtige Flügelaltar von 1520 deren 47 zeigt.

Möbel und Ziergerät weist ein weiterer Saal auf, der einen guten Einblick in die vornehme Wohnkultur nicht nur der höchststehenden Kreise von damals tun läßt. Besonders in den kleinen Ziergegenständen zeigt sich die bunte Wechselwirkung verschiedenster Kultureinflüsse. Meist niederrheinischer Herkunft sind die zahlreichen Zinnkrüge und Zinnteller mit ihren weltlichen oder biblischen Abbildungen, während die kunstvollen Glasgegenstände teils aus Nürnberg, teils aus Venedig von den Erzherzogen bei ihren sogenannten Kavaliersfahrten heimgebracht worden sind.

Die Gobelins im folgenden Raum sind auf Brüsseler Karton nach italienischen Vorlagen gearbeitet. Sie stammen wahrscheinlich aus der von Karl II. erworbenen Serie, so daß sie, obwohl nur Leihgabe des Wiener Kunsthistorischen Museums, auf steirischem Boden Heimatrecht haben. Besonderes Augenmerk verdient die Elfenbeinsammlung. Schon aus dem 14. Jahrhundert finden wir einen Zinken aus St. Lambrecht als Kuriosum, während im 17. Jahrhundert das Elfenbeindrechseln selbst für fürstliche Hände zur Mode wurde. Vergoldete Silberbecher aus Nürnberg, venezianische Glaspokale und süddeutsche sowie italienische Schreib- und „Minnekästchen” aus dem frühen 17. Jahrhundert deuten neuerdings auf die beiden Haupteinflußsphären des damaligen Kulturlebens hin. Tischuhren in den skurrilsten Formen, mit präzisester Genauigkeit gebaut, sind durchwegs süddeutscher Herkunft. Ein Prachtstück der Sammlung ist der Vogelteppich aus St. Lambrecht, vollkommen unbeschädigt erhalten, schimmert er, von jeder Seite betrachtet, in einem anderen Farbton, treten immer andere Merkmale der Ornamentik besonders hervor. Von den großen goldgestickten Wappendecken des Schlosses Eggenberg können leider nur zwei gezeigt werden, da die meisten Opfer des letzten Krieges geworden sind. Ein Schicksal, das auch zahlreiche der wertvollen österreichischen Kacheln ereilte, die neben italienischer Majolika ausgestellt sind.

Bietet diese Neuaufstellung auch absichtlich lange nicht alles von den Schätzen, die vor dem Kriege zu sehen waren, sind viele wertvolle Stücke nur Leihgaben, um so einprägsamer zeigt sie das Wesentliche, schafft sie ein abgerundetes Bild von Steiermarks großer Zeit. Die großen Momente der steirischen Geschichte in eigenen, in sich geschlossenen Schaustellungen vor Augen zu führen, soll auch in Hinkunft Aufgabe des Grazer Joanneums sein. Nach der besprochenen Neuaufstellung ist eine weitere Schau von Werken aus Schmiedeeisen geplant, eine Kulturgeschichte des Bergbaus, eine Erzherzog-Johann-Ausstellung und endlich ein Kepler-Zimmer, um die Erinnerung an den großen Astronomen auch in seiner Wirkungsstätte Graz lebendig zu erhalten. Das Joanneum soll nicht mehr lehrhafte Schau von Werken verschiedenster Herkunft, sondern lebendiges Denkmal steirisdier Kultur werden.

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