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Zwischen Türken, Protestanten

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Österreich ist ein Land, in dem die große Epoche der Renaissance nur wenige Spuren hinterließ. Während die Renaissance in Italien in voller Blüte stand, baute Österreich noch in spätgotischer Manier seine Kirchen, Klöster und Schlösser und schmückte sie mit Plastiken und Maiereien im gleichen Stil aus. Als in den anderen Ländern Europas die Kunst der Renaissance noch durchaus lebendig war, begannen in Österreich die ersten Blüten der Barockkunst sich bereits zu zeigen.

Das 16. Jahrhundert, das Jahrhundert der Hochblüte der Renaissance in Europa, war für Österreich von besonderer Bedeutung. 1526, nach dem Tod des böhmisch-ungarischen Königs Ludwig in der Schlacht bei Mohäcs, gelingt den Habsbur-gern auf Grund der abgeschlossenen Erbverträge, die Vereinigung der ungarischen, böhmischen und österreichischen Länder, eine Union, die bis 1918 hielt. Mit dem ungarischen Erbe droht der neuen Donaumonarchie aber gleichzeitig die furchtbare Türkengefahr. 1529 stehen die Türken bereits vor Wien. Durch 150 Jahre werden sie zwei Drittel des ungarischen Königreiches besetzt halten und in diesen Jahren wird der Türkenkrieg nie aufhören, eine eminente Bedrohung der österreichischen und böhmischen Länder zu sein. Durch 150 Jahre wird dieser Krieg Unsummen von Geldern verschlingen und der Schrecken der Grenzbewohner sein. Als 1683, nach der zweiten Türkenbelagerung Wiens, die Türkengefahr immer mehr zurückgedrängt wird, soll diese Feindschaft zur Türkei noch 100 Jahre, bis zum Tiürkenkrieg Josephs II., das Geschick der Donauländer wesentlich beeinflussen.

Während die Türken Österreich ständig bedrohen, dringt gleichzeitig die Reformation in Österreich ein. Aus sozialen, nicht religiösen Gründen wird der Adel protestantisch Ihm folgen die Bergknappen und vielfach die Bauern. Die katholische Kirche Österreichs, bis dahin von den Verfallserscheinungen der deutschen Kirche verschont, beginnt ebenfalls zu wanken.

Um die Türkengefahr abwenden zu können, benötigt der Landesherr viel Geld. Dieses Geld können ihm in erster Linie die Adeligen verschaffen und bewilligen. Die Adeligen sind protestantisch Sie nützen diese Situation aus und bewilligen immer nur soviel Gelder, als zur Abwehr der Türken gerade notwendig ist. Sie wollen nicht, daß der Landesherr ein starkes Heer besitze, mit dem er nicht nur die Türken besiegen, sondern auch die Macht -der Adeligen in Schranken weisen könnte.

Gleichzeitig aber beginnt auch innerhalb der katholischen Kirche Österreichs, unterstützt im stärksten Maß vom Landesherrn, eine Reform, die immer mehr in das Land hinausstrahlt und verlorene Schichten für die alte Kirche wieder zurückgewinnen kann.

Reformation, Gegenreformation, Türkengefahr, dies sind die drei großen politischen Mächte, die das Antlitz Österreichs im 16. Jahrhundert formen. Das Antlitz jenes Jahrhunderts, das dem übrigen Europa die Hochblüte der Renaissance beschert.

Österreich hat nur wenige Zeugen dieser Kunst aufzuweisen. Vor allen Dingen sind es die Adeligen, diese mächtigen Helrrn, die das Schicksal des Landes, das von den Türken bedroht ist, in den Händen halten, die sich diesen Stil aneignen. Die Parlamente der damaligen Zeit, auf denen diese Adeligen ihre Macht zeigen können, werden so fast durchwegs im Renaissancestil gebaut, wie die Landhäuser in Graz, Klagenfurt, Linz. Die Kirche in Österreich selbst ist fast unberührt von dieser Kunstrichtung. Einer der wenigen kirchlichen Bauten im Renaissancestil ist das Portal der Salvatonkirche in Wien. Das Herrscherhaus benützt diesen Stil ebenfalls nur wenig für seine Bauten. Zu den schönsten Zeugen dieser Art gehört das Portal zum Schweizer Hof in Wien, das Ferdinand I., der Bruder Karls V. und erster Herr über die Donaumonarchie, errichten ließ. Stolz werden auf diesem Portal noch sämtliche Titel Ferdinands I. angeführt: nicht nur als König von Deutsehland wird er bezeichnet, nicht nur als König von Ungarn, Böhmen und Kroatien, sondern auch als Erzherzog von Österreich, als Herzog von Burgund und Infant von Spanien. Ein weiterer Bau im Renaissancestil, den die Habsburger errichten ließen, ist die Stallburg in Wien, so genannt nach den Stallungen der Lipizzaner, die sich in ihnen befinden, und die lange Zeit die kunsthistorischen Sammlungen der Habsburger beherbergte.

Einer der schönsten Zeugen der Renaissancekunst in Österreich ist das Schloß Schallaburg bei Melk. Nach jahrelangen Restaurierungsarbeiten kann dieses einmalige Juwel der Renaissancekunst in Österreich nunmehr der Öffentlichkeit übergeben werden. Dies ist um so beglückender, als es durch lange Zeit ungewiß war, ob diese Burg werde erhalten bleiben können. Die Schäden, die ihr der letzte Krieg und die Nachkriegszeit zugefügt haben, sind enorm gewesen, so daß nach rein rationellen Überlegungen die Burg hätte abgebrochen werden müssen. Fast geschah hier ein Wunder. Nach langem Brachliegen im ruinenhaften Zustand wurde die Burg von der öffentlichen Hand in relativ kurzer Zeit renoviert und dadurch gerettet. Diese Burg, die auf einer mittelalterlichen Anlage in den Jahren 1572 bis 1600 unter Hans Wilhelm von Losenstein im Renaissancestil umgebaut wurde, birgt in ihrem Innern zwei Höfe, von denen der größere — der sogenannte Arkadenhof — mit profilierten gratigen Kreuzgewölben auf Konsolen eine besondere Sehenswürdigkeit darstellt. Reizvolle Renaissancetore, eine große Freitreppe mit buntbemalten und gemeißelten Wappen, die Renaissancemalereien im Innern des Schlosses sind nun besondere Schönheiten dieses Baues.

Die Eröffnung dieses Schlosses wurde benützt, um auch gleichzeitig in einer Ausstellung die Zeugen der Renaissancekunst in Österreich der Öffentlichkeit zu zeigen. In 25 . Schauräumen sind mehr als 500 Objekte zu sehen. In der Ausstellung ist unter anderem der Prunkhamisch Rudolfs II. zu sehen, der Tiroler Herzogshut, ein schöner Stab des Abtes von Stift Wüten, Hellersohrouck aus dem 16. Jahrhundert, Leihgaben aus Wien, Salzburg, Linz, Bregenz, Klagenfurt, aber auch aus Basel, Berlin, Dresden, Hamburg, München, Nürnberg, Paris und Vaduz haben diese einmalige Ausstellung ermöglicht. Im Rahmen dieser Ausstellung wurde auch ein manieristischer Garten angelegt, von dem aus sich dem Besucher ein Bild der gesamten Schloßanlage mit ihren mittelalterlichen Bauteilen bietet.

Durch die Rettung dieser Burg ist Österreichs kulturelles Leben um vieles reicher geworden.

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