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Türken, Pest und Heuschrecken

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Die 800jährige Zugehörigkeit der Steiermark zu Österreich wurde am 17. August 1186 mit der „Georgenberger Handfeste“ besiegelt. 1.200 Objekte wollen einen Längsschnitt von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart geben. Nach der Völkerwanderung formte sich allmählich ein Staatsgebil-

de, das von Slawen und Germanen bewohnt war, das seine Ostgrenze gegen die Ungarn verteidigen mußte.

Die Vereinigung mit der Babenberger-Mark, der Anschluß an das von Habsburg regierte Heilige Römische Reich brachte die Teilnahme an Auseinandersetzungen, auch wenn Konflikte sie eigentlich nichts angingen. Kaiser Friedrich III. residierte zeitweise in Graz, als Wien vom Feind genommen war.

Die Türken drangen im südslawischen Raum immer weiter vor, als 1526 bei Mohäcs der letzte ungarische König gefallen war. Kaiser Ferdinand I. erbte die Stephanskrone, und nach seinem Tod 1564 wurden die Erblande unter seine Söhne aufgeteilt: Ferdinand bekam Vorderösterreich, Maximilian (II.) die deutsche, die böh-

mische und die ungarische Krone, Karl Innerösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain, Istrien, Friaul), das von Graz regiert wurde. Karl baute das tief gestaffelte Abwehr-System gegen die Türken auf, das im kroatischen Raum Wehrbauern in ständiger Bereitschaft gegen kleinere Einfälle hielt.

Schon 1566, als die Türken die ungarische Festung Szigetvär erstürmten, beschränkte sich Erzherzog Karl auf die Sicherung seines Landes, aber auch Kaiser Maximilian II. hielt sein Heer an der Westgrenze Ungarns zum Schutze Wiens still. Schon damals entwik-kelten sich in Ungarn Ressentiments gegen die Habsburger, die neue Nahrung fanden, als die „Befreier“ von der Türkenherrschaft hungrig und beutegierig das verarmte Land besetzten. Der Ku-ruzzen-Auf stand der ungarischen Bauern Anfang des 18. Jahrhunderts war dessen Folge — und wieder hatte die Steiermark am meisten darunter zu leiden. Zwischen den großen Heimsuchungen von Osten gab es Glaubenskriege, Pest und Heuschreckenschwärme.

Aber die Berührung mit den Nachbarn im Osten und Südosten hatte auch kulturelle Folgen. Das slawische Element war bis 1919 durch die Slowenen der Untersteiermark im Lande selbst ver-

treten. Bei der Vermittlung von Luthers Reformation, bei der Entwicklung von Literatur und Schriftsprache der Slowenen spielten sie eine wichtige Rolle. Vor allem in Graz entwickelte sich die wissenschaftliche Erforschung des Südost-Raumes, der große Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall arbeitete hier.

Der Bühnenbildner Läszlö Var-vasovszky hat für die Ausstellung

in den beengten Räumen des alten Renaissance-Schlosses ein kleines steirisches Welttheater inszeniert. Riesenheuschrecken schweben - „dise heyschreckhen waren so grosß alß wie die Maisen oder Zeisßl...“ heißt es in einer alten Chronik — in einer Kammer, überraschen die Riesenköpfe von Kaiser Friedrich III. und seinem Widersacher Mathias Corvinus, wie sie auf einer großen Opernbühne zur Geltung kommen könnten. In der Enge einer Zimmerflucht mit 23 Räumen und 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird jedoch mit solch billigem Tand den kostbaren Zeugnissen einer großen Vergangenheit die Würde genommen. Der Besucher wird unterhalten, nicht aber angeregt, sich wirklich mit der Vergangenheit einzulassen.

Auch sucht man vergeblich ein Bild des Mannes, der das alles in Gang gebracht hat, des Ende vergangenen Jahres verstorbenen Hanns Koren. Schade, ein großes Thema ist mit dem Arrangement eines Saison-Schlußverkaufs vertan worden.

Bis 26. Oktober ist in dem nun restaurierten Renaissance-

Schloß auf dem Felssporn über der Laf nitz-Schleif e samt den vielen Nebengebäuden trotz dieser Einwände yiel Lohnendes zu sehen.

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