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850 Jahre Graz

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Graz ist keine Gründung der Römer. Hinterließen sie auch Spuren (Grabsteine, Reste von Straßen und Villen), so lassen sie nicht auf eine dichtere Besiedlung des Grazer Bodens schließen. Mehr als tausend Jahre mußten dann vergehen, um der Stadt Graz die Merkmale einer dichteren Siedlung zu geben. Dieses Werden steht im Dunkel einer nicht mehr historisch ganz erfaßbaren Frühzeit. Plötzlich steht jedoch eine Notiz im Raum, in der der Name der Stadt Graz erstmals Erwähnung findet. Sie wird im Stift Rein aufbewahrt und geht auf eine Urkunde zurück, durch die Markgraf Leopold den Zisterziensern Land schenkt. Es muß um 1128 gewesen sein, da der Markgraf 1129 stirbt.

Die geographischen Bedingungen zur Gründung einer Siedlung waren an der Stelle, wo der Fluß Mur aus der Enge des Tales in ein breiteres Feld fließt, günstig. Zudem bot der sehr ei-genwülige Felsen, der Grazer Schloßberg, dieser frühen Siedlungsgemeinschaft einen entsprechenden Schutz. Bereits im 10. Jahrhundert soll eine Burg (slaw. Gradec, d. h. Kleine Burg) das Grazer Feld beherrscht haben. Dieser Berg erklärt zu einem guten Teil die Gründung unserer Stadt und in seinen Stollen fanden noch im Zweiten Weltkrieg die Menschen Zuflucht.

Die Siedlung war stets ein Ort am Schnittpunkt mehrerer Kulturen. Das bedeutete nicht nur Begegnung, sondern über weite Strecken der Geschichte hin Verteidigung gegen Feinde. Die Burg auf dem.Schloßberg und die Verteidigungsanlagen des 15. und 16. Jahrhunderts waren gerühmte Beispiele.

Durch die Lage bestimmt wurde Graz Residenz, u. a. auch für Kaiser Friedrich III. War sein Sohn Maximilian I. auch selten in Graz, so doch mehr Ferdinand I. 1564 wird Graz Residenz Innerösterreichs durch die

Länderteüung und Erzherzog Karl II. und seine Gemahlin Maria von Bayern treten den Kampf gegen den Protestantismus an, den ihr Sohn, Ferdinand II., siegreich zu vollenden wußte.

Aus der Provinzialität gehoben wird die Stadt Mittelpunkt. Unübersehbar hat sich dieser geschichtliche Werdegang in das Stadtbüd eingegraben. Viele Häuser künden noch heute von einer großen Vergangenheit und immer wieder war die Kontinuität zu beobachten. Die gotischen Bürgerhäuser wurden in der Zeit der Renaissance zu größeren Baukomplexen zusammengefaßt, und in der Zeit des Barock wohl zum größten Teil mit neuen Fassaden versehen.

Nachdem Kaiser Joseph II. durch einen Erlaß 1782 die Befestigungen der Stadt aufhob, wandelte sich das Er-scheinungsbüd der Stadt Die Möglichkeit der Vergrößerung der Stadt war gegeben. Neue Vororte begannen nun die Schritte hinaus in die hügelreiche Landschaft.

Das 19. Jahrhundert wird für die Stadt von großer Bedeutung. Die Karl-Franzens-Universität wird neu gegründet und aus dem segensreichen Wirken des steirischen Prinzen Erzherzog Johann erwächst die heutige Technische Universität. Das Landesmuseum Joanneum wird bereits 1811 gegründet und in dem Maße, in dem die Stadt an politischer Wichtigkeit verliert, gewinnt sie an kultureller Bedeutung. Die Gründung von Industrien jm Norden der Stadt gibt ihr jenen finanziellen Hintergrund, der in der Gründerzeit zum breiten Gürtel an wohlgeordneten Straßenzügen und Häuserzellen führt, der in seiner Geschlossenheit und Dichte die Blüte der Stadt zu bestätigen vermag.

Gehören diese Ereignisse auch einer vergangenen Zeit an, so wissen wir um das Weiterwirken nicht nur des Erscheinungsbildes unserer Stadt, sondern ebenso um das Fortwirken von Strukturen, die in der Geschichte gelegt wurden und uns als Erbe in Denkart und Sprache, in Aufgabenbereichen und in Begabungen verblieben.

Graz als Stadt an der Grenze, als Ort der Begegnung zwischen den Völkern ist uns wieder zur Aufgabe geworden. Wir haben gute Beziehungen zu unserem Nachbarn und unsere Städtefreundschaften erschöpfen sich nicht nur in Höflichkeitsbesuchen der Bürgermeister. Und Graz darf darüberhinaus über die Tatsache stolz sein, daß es für unsere Nachbarn im Osten und Südosten das Fenster zum Westen geworden ist. Daß Graz wieder ein Ort am Wege ist, schafft viele Probleme. Der Nord-Südverkehr in den Südosten tangiert Graz, eine Situation, die uns die Geschichte auferlegt hat und die zu bewältigen es mit Anstrengung vieler gilt'

Die große erhaltene Altstadt ist weit über die Grenzen Österreichs hinaus gerühmt. Sie zu erhalten, die Verödung der Altstadt hintanzuhalten, sind die Bemühungen von nunmehr vielen Jahren. Das Altstadterhaltungsgesetz 1974 errichtete der Willkür, wertvolles Baugut der Geschichte zu zerstören, Grenzen und dort wo Neubauten möglich sind, müssen sie der Wirkung des Gesamtbildes der Stadt in maßvoller Weise zugeordnet werden. Diese Bemühungen führten dazu, daß Graz zum Sitz des Forums historischer Städte deutschen Sprachraums gewählt wurde, eine internationale Institution, die anderen Städten Hilfe in der Bewältigung der vielfältigen Aufgaben zuteil werden läßt.

Das Erbe der Stadt liegt schmük-kend in den einstmals herrlichen Gärten der Barockzeit, in der Lage der Stadt in einer lieblichen Umgebung und in der Verbundenheit der Stadt mit der sie umgebenden Landschaft Graz wird heute eine Stadt im Grünen genannt. Man kann in dieser Stadt selbst die Natur erleben, nur geringe Anstrengungen sind notwendig, um in die Landschaft zu wandern. Die Dimension der Stadt hat ein menschliches Maß.

Unsere Schulen, vornehmlich aber unsere Universitäten, sind zutiefst Orte der konzentrierten Leistung. Der forschende Geist gehört seit Johannes Kepler, Leopold Auenbrugger, Richard von Krafft-Ebing, Friedrich Emich, Fritz Pregl, Ludwig Boltz-mann, Julius Ritter von Jauregg, Richard Zsigmondy und vielen anderen mehr zum Wesen dieser Stadt Zielbewußt weisen die Schulstätten den Weg in die Zukunft. Neben diesem wissenschaftlichen Streben sind es künstlerisch-schöpferische Menschen, Musiker, Dichter, Maler und Bildhauer, deren Wirken nicht nur von lokaler Bedeutung war, sondern oftmals aus der Kleinteüigkeit provinzieller Form zur Größe echter Aussage in Form und Inhalt emporwuchsen. Das Avantgardefestival, der „Steirische Herbst“, ist das einzige seiner Art in Österreich und hat internationalen Rang.

So ist jene aurea catena, die goldene Kette der Menschen, die in der Landeshauptstadt leben und wirken, nicht abgerissen, nicht dünner oder schwächer geworden, sondern vermag zu bestätigen, daß hier stets bewußt oder unbewußt die Kräfte der Vergangenheit in das Bemühen der jeweüigen Gegenwart mit gewachsen sind.

Die Landeshauptstadt der Steiermark, die zweitgrößte Stadt Österreichs, hat Anteü am Geschehen dieses Gesamtstaates und es sind nicht die schlechtesten Früchte, die aus ihr kommen.

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