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Eine liebenswerte Stadt

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„Was bedeutet Ihnen Graz persönlich?“, „Welche Position nimmt Graz Ihrer Meinung nach derzeit in gesellschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht ein?“, „Welche Ziele müßten angestrebt werden, um Graz eine gute Zukunft zu gewährleisten, und wo müßten die Schwerpunkte gesetzt werden?“ und „Wie stellen Sie sich die konkreten Wege vor, die man gehen müßte, um diese Ziele möglichst rasch und sicher erreichen zu können?"

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„Was bedeutet Ihnen Graz persönlich?“, „Welche Position nimmt Graz Ihrer Meinung nach derzeit in gesellschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht ein?“, „Welche Ziele müßten angestrebt werden, um Graz eine gute Zukunft zu gewährleisten, und wo müßten die Schwerpunkte gesetzt werden?“ und „Wie stellen Sie sich die konkreten Wege vor, die man gehen müßte, um diese Ziele möglichst rasch und sicher erreichen zu können?"

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Der Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Österreichs antwortete nunt

Gemütliche Großstadt

Graz ist mit seinen Gärten, Parkanlagen und'dem inmitten der Stadt liegenden Schloßberg eine der schönsten und anmutigsten Städte, die ich kenne. Die Altstadt, die trotz mancher Bombenschäden während des letzten Weltkrieges den Reichtum ihrer schönen Renaissance- und Barockbauten mit ihren behaglichen Bürgerhäusern und verträumten Höfen erhalten konnte, aber auch die Stadtteile einer späteren Zeit, ln der sich der technische Fortschritt des 20. Jahrhunderts allenthalben bemerkbar macht, verleihen Graz eine besondere Anziehungskraft.

Obwohl schon Großstadt mit einem pulsierenden Leben und einem modernen Verkehr und einem durch seine Hochschulen und Theater bestimmten hohen kulturellen Rang, ist Graz weiter die freundliche, ruhige und gemütliche Stadt geblieben, in der es sich wohl leben läßt, und in der man trotz der Hast und der Betriebsamkeit unserer modernen Zeit Stunden der Entspannung und Plätzchen der Erholung finden kann.

Ich liebe diese Stadt, weil sie vom Hauch des Südens umweht ist und weil sie trotz ihres rastlosen Arbeitswillens und ihres Strebens nach Fortschritt und Anpassung an das moderne Leben sich den Sinn für Romantik bewahrt hat.

Bindeglied vor und nach 1918

Graz war in der Zeit der Monarchie ein wichtiges wirtschaftliches Bindeglied zwischen dem böhmischmährischen Industriegebiet und dem Adriahafen Triest. Durch den Ausgang der letzten Kriege ist diese Position der Stadt zwar weitgehend entkräftet worden, doch sind die alten Zusammenhänge immer noch vorhanden und müssen verstärkt werden. In den letzten Jahren hat sich Graz seiner Aufgabe gerade in dieser Richtung wieder besonnen. Die Öffnung der Grenzen gegen unseren Nachbarstaat Jugoslawien haben die Bedeutung der steirischen Landeshauptstadt für die wirtschaftlichen Kontakte Österreichs mit dem Südosten Europas wieder in den Vordergrund gehoben. Die Grazer Südostmesse hat hier wertvolle Pionierarbeit geleistet, aber auch die Bestrebungen der Stadt, den Fremdenverkehr, der viele Jahre nach dem Krieg infolge der isolierten geographischen Lage von Graz eine untergeordnete Rolle gespielt hat, durch eine Intensivierung der nachbarlichen Freundschaften mit jugoslawischen Städten, wie Marburg, Laibach, Agram, Pola u. a., zu fördern, haben mitgeholfen, die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt greifbar zu machen. Trotz der Randlage der Stadt konnte ich die Wirtschaft nach dem letzten

Krieg verhältnismäßig gut entwik- keln, was sicher auf die unleugbar vorhandenen Agglomerationsvorteile im Grazer Raum zurückzuführen ist.

Die kulturelle Position der Stadt hat sich nach dem Krieg wesentlich rascher gefestigt als die wirtschaftliche. Vor allem ist dies ein Verdienst der Grazer Hochschulen, deren alter, ausgezeichneter Ruf als Forschungsund Lehrstätte durch die Arbeit bedeutender Wissenschaftler und Lehrer nicht nur erhalten, sondern weiter verstärkt werden konnte. Die Tatsache, daß fast 50 Prozent der Studierenden an den Grazer Hochschulen Ausländer sind, von denen der Großteil aus Südosteuropa und aus den Ländern des Nahen Ostens kommt, hat die Bedeutung von Graz als Ausstrahlungsstätte österreichischen Kultur- und Geisteslebens über die Grenzen unserer Heimat hinaus deutlich sichtbar gemacht.

Aber auch unsere Theater- und Konzertsäle ebenso wie die mannigfaltigen Bekundungen moderner Kunstauffassungen, wie sie durch die aufgeschlossenen Kulturreferate der steiermärkischen Landesregierung und des Magistrates Graz, durch das Forum Stadtpark und die verschiedenen Künstlervereinigungen demonstriert werden, haben mitgeholfen, das kulturelle Ansehen der zweitgrößten Stadt Österreichs weithin bekannt zu machen.

Die eigenwillige Art des Grazers und des Steirers, verbunden mit einer den praktischen Dingen des Lebens gegenüber aufgeschlossenen und oft revolutionären, immer zukunftsweisenden Haltung, haben es mit sich gebracht, daß man in den zentralen Stellen Österreichs die Meinung der Grazer respektiert und damit die gesellschaftliche Stellung der Landeshauptstadt als zweitgrößte Stadt Österreichs achtet.

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