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Größer als alle anderen

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Die Stadt St. Pölten zählt nicht nur zu den ältesten Städten unseres Landes, sondern ist mit 42.000 Einwohnern auch die größte. Ihre historische Entwicklung verdankt sie neben der günstigen Lage am Schnittpunkt wichtiger Straßen einem wirtschaftlich bedeutenden Einzugsgebiet, das bis in die Alpen nach Süden, zur Donau nach Norden, auf manchen Gebieten bis zur westlichen Landesgrenze und 'bis zum Wienerwald nach Osten reicht. In verschiedenen Bereichen, etwa beim

Krankenhaus oder bei manchen höheren Schulen und in verschiedenen Wirtschaftszweigen, reicht dieser unmittelbare Einzugsbereich noch weit über die beschriebenen Grenzen 'hinaus.

Das historische St. Pölten finden wir in der Altstadt, wo neben Denkmälern aus dem Mittelalter eine Reihe bedeutender Barockbauten vom Wirken des großen Baumeisters Jakob Prandtauer und seines Schülers Josef Munggenast zeugen. Diese Altstadt stellt zum Unterschied von anderen Städten kein wirtschaftliches oder soziales Problem dar, denn sie ist rechtzeitig zur City umgewandelt worden und weiterhin 2>entrum der Wirtschaft, des Kulturilebens und der Verwaltung. Als Geschäftszentrum konnte sie ebenfalls ihre dominierende Rolle bewahren. Da sich die neuzeitlichen Zentralbauten wie ein Ring um diese Altstadt legen, wird ihre Stellung noch betont. Die Gemeinde hat Teile dieser Altstadt zur Fußgängerzone erklärt und ausgestaltet, in nächster Zeit wird unter dem Rathausplatz eine Tiefgarage errichtet und so die Garantie gegeben werden, daß die Altstadt auch ihren Platz als Zentrum der weit-ausgedehnten Stadt bewahren kann. Als Wohngebiet! hat sie hingegen ihren Rang völlig eingebüßt. Derzeit wohnt nur noch knapp ein Zehntel der Stadtbevölkerung innerhalb des einst von Mauern umschlossenen Raumes, der heute durch die Promenaden begrenzt wird.

Die bevorzugten Wohngebiete dehnen sich nach Norden und Süden, wo in beiden Fällen die Katastraligemeindegreinzen von der zusammenhängenden Verbauung überschritten wurden. Die in St. Pölten schon vor mehr als dreißig Jahren gegründeten Stadtrandsiedlungen in Wagram, Spratzern, im Süden der Stadt und nördlich des Stadtwaldes dehnen sich weiter aus, neue Siedlungen in Viehofen, Radiberg und Harland kamen hinzu. Die Bautätigkeit im Süden der Stadt ist besonders beeindruckend, während im Norden die Gemeinde im Rahmen des Barackenersatz-programmes ihre Wohnbautäitigkeit konzentrierte. Die beachtliche Ausdehnung des Stadt'bereiches, der 43 Quadratkilometer umfaßt, führte zur Ausgestaltung von lokalen Subzentren, die etwa im Bereich Josefstraße-Kranzbich'lerstraße für den Süden oder in Wagram schon weit fortgeschritten sind, während in Spratzem, Harland und in der Nord-

stadt erst Ansätze erkennbar sind. Die Gemeinde sucht diese Entwicklung zu fördern und hat sich in einem vom Stadtbaudirektor in Zusammenanbeit mit der Technischen Hochschule Wien erarbeiteten Fläehenwid-mungsplan, der den Regulierungsplan ergänzt, die notwendige wissenschaftliche Unterlage geschaffen.

Neben der Barockstadt hat St. Pölten den Ruf einer Industriestadt. Wir haben die schwere Zeit der Besatzung relativ 'gut über-

standen und konnten die wesentlichsten Betriebe, die von der USIA verwaltet wurden, halten. Die Glanzstoffabrik hat seither eine außerordentliche innere Erneuerung durchgemacht, bei den Voith-Werken ist diese mehr von außen sichtbar als in der inneren Struktur vorhanden, denn die Situation des Betriebes ist in letzter Zeit schwieriger geworden. Ein starkes und ideenreiches Baugewerbe, aufstrebende kleinere Betriebe und große Investitionen der öffentlichen Körperschaften sichern aber bisher die Vallbeschäf-tigung.

Der Verkehrsknotenpunkt St. Pölten hat im Zuge der Motorisierung neue Bedeutung erlangt. Die Westbahn als die wichtigste Bahnlinie Österreichs verbindet die Stadt mit Wien und den westlichen Bundesländern, die Vollendung der Westautobahn und der Ausbau der Straßen nach Süden führten zu einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrssituation. Unser großer Wunsch auf diesem Gebiet ist der baldige Bau der Schnellstraße nach Krems und weiter ins Waidviertel.

Die sozialen Aufgaben der Stadt St. Pölten sind ständig im Steigen begriffen. Nicht nur als Sitz der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und des größten Krankenhauses im Lande, sondern auch als Arbeitsort vieler Fachärzte hat St. Pölten große Bedeutung und ein weites Einzugsgebiet. Das Krankenhaus ist eine der größten Sorgen der Stadt, weil es das Budget gewaltig belastet. Trotzdem hat die Stadt mit einem Neubau begonnen, der die Schwerpunktlage noch besonders betonen wird. Wir glauben, daß eine notwendige Differenzierung und Qualifizierung der Krankenanstalten unseres Landes an St. Pötten 'besondere Anforderungen stellen wird.

Ähnlich ist die Situation auf kulturellem Gebiet. Hier sind Scbuiibauiten aller Richtungen notwendig. Dia Stadt hat derzeit zwei Volks- und Hauptschulen im Bau, drei weitere werden in nächster Zeit folgen müssen. Leider erfüllt der Bund seine vor Jahren eingegangenen Verpflichtungen über die Errichtung neuer höherer Schulen nicht, so daß mehr als die Hälfte der in St. Pölten studierenden Besucher höherer Schulen in provisorischen Klassenräumen unterrichtet werden müssen. Die Gemeinde hat, unterstützt vom Land und in bescheidenem Rahmen auch vom Bund, die Neugestaltung des Stadttheaters in

Angriff genommen, gewiß ein bedeutendes Projekt mit großer Verantwortung für die Zukunft.

Die Kommunalpolitik St. Pöltens ist seit Jahren auf die Modernisierung der Stadt auf allen Gebieten abgestimmt, ■ wobei die Planungen so erstellt werden, daß die zu erwartende Vergrößerung der nächsten Jahrzehnte berücksichtigt wird. Der Ausbau der Fernheizung hat solche Fortsehritte gemacht, daß ein zweites Fernheizkraftwerk gebaut werden mußte. Dieses wird schon im kommenden Winter Wärme liefern können und damit den großen Kreis der Abnehmer noch erweitern. Die Wasserversorgung der Stadt wurde durch Anschluß der eingemeindeten Orte östlich der Traisen erweitert, eine Ringwasserleitung errichtet und durch Erschließung neuer Brunnen in Harland die Wasserversorgumg krisenfest gestaltet. Auch auf dem Gebiet der Abwasserbeseitigung ging die Stadt neue Wege und baut gemeinsam mit den Gemeinden des Traisentales einen Samimelkanal, der bis zur Donau reicht.

Dies sind die Voraussetzungen für ein weiteres Wachstum der Stadt, das sich im Norden wie im Süden, in den Vororten und besonders östlich der Traisen, vollzieht. In meinem Amtsraum im Rathaus stehen Modelle, die zeigen wie sich die Stadt ausdehnen wird. Fast allmonatlich kann ich berichtigen und ergänzen, weil dieser oder jener große Neubau begonnen wurde oder fertiggestellt worden ist. Die 'geplante gewaltige Bautätigkeit, die 5500 neue Wohnungen in nahen Fristen vorsieht, wird das Pendler-problem wesentlich einschränken und ermöglichen, daß der in St. Pölten arbeitenden Bevölkerung mehr Freizeit zur Verfügung steht.

Zur sinnvollen Gestaltung dieser Freizeit hat die Stadt ein umfangreiches Volksbildungsprogramm entwickelt. Die ehemalige Villa der Familie Voith wurde 2U einem Kulturheim umgestaltet. Inmitten eines schönen Parks liegen Musikschule, Klub-räume für die Jugend und für ältere Menschen, eine Volksbibliothek und ein Jugendhort. Weitere Volksbildungshäuser werden im Zusammenwirken mit Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammier im Süden, durch die Gemeinde im Norden entstehen. Damit werden für die Erwachsenenbildung in St. Pölten neue Akzente gesetzt. Auf diesem Sektor ist in unserer Stadt auch die Arbeiterkammer sehr aktiv, die Diözese hat im Bildungshaus St. Hippolyt eine Heimvolkshochschule im städtischen Raum errichtet, und im Wirt-schaiftsförderungsinstitut der Handelskammer entsteht eine weitere bedeutende Fortbil-dungsstätte für ganz Niederösterreich.

Diese zukünftige Entwicklung setzt eine Erweiiterung des Stadtgebietes voraus. Nach den Eingemeindungen der Jahre 1922 und 1939 erfolgte 1955 in kurzsichtiger Weise eine empfindliche Ausgemeindung von Gebieten, die schon organisch mit der Stadt verwachsen sind. St. Pölten hofft, in nächster Zeit wieder eine Erweiterung seines Gebietes zu erreichen und damit jene Voraussetzungen zu erhalten, die notwendig sind, um das gesteckte Ziel zu erreichen, ein echter Schwerpunkt im Zentrum Niederösteirreichs zu sein und zu bleiben.

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