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Bahn über den Berg

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Das letzte Wochenende brachte Feierlichkeiten aus Anlaß des 100jährigen Bestandes der Semmeringbahn: Samstag, den 19. Juni 1954, fand im Wiener Vereinshaus des Oesterreichischen Ingenieur- und Architektenvereines eine von diesem gemeinsam mit der Oesterreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft veranstaltete Festversammlung statt, Sonntag, den 20. Juni 1954, ein Festakt am Semmering, zu dem der Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Betriebe geladen hatte; bei diesem Festakt hielt Bundespräsident Dr. h. e. Theodor Körner eine festliche Ansprache.

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Das letzte Wochenende brachte Feierlichkeiten aus Anlaß des 100jährigen Bestandes der Semmeringbahn: Samstag, den 19. Juni 1954, fand im Wiener Vereinshaus des Oesterreichischen Ingenieur- und Architektenvereines eine von diesem gemeinsam mit der Oesterreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft veranstaltete Festversammlung statt, Sonntag, den 20. Juni 1954, ein Festakt am Semmering, zu dem der Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Betriebe geladen hatte; bei diesem Festakt hielt Bundespräsident Dr. h. e. Theodor Körner eine festliche Ansprache.

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Englands erste öffentliche Eisenbahn, bloß als verbesserte Verkehrsverbindung zwischen den zwei Wirtschaftszentren Stockton und Darlington gedacht, war 1825 eröffnet worden. Noch im selben Jahr richtete Erzherzog Johann, der geniale Sproß des österreichischen Kaiserhauses, dem das Joanneum in Graz und die Bergschule in Leoben ihre Entstehung verdanken, der als Besitzer von „Radwerken“ in Vordernberg das steirische Eisenwesen zu neuem Erblühen brachte, einen Brief an den obersten Kanzler des Kaisertums Oesterreich Graf Franz Josef von Saurau, der folgende zukunftweisende Sätze enthielt:

„Die Eisenbahnen sind es, durch welche man am schnellsten und wohlfeilsten bald zum Ziel kommen kann So eine Verbindung zwischen Triest und Hamburg erheischet, daß tätig an die Ausführung der so wichtigen Verbindung zwischen der Donau und Triest Hand angelegt werde hoffentlich wird . .. Jenes in Erfüllung kommen, was ich so sehr wünsche, nämlich die Verbindung der Donau mit Triest “

Was Erzherzog Johann intuitiv mit wahrhaft seherischem Weitblick hinzeichnete, hat 1829 der Professor des Wiener Polytechnischen Institutes Franz Xaver von Riepl zu einem technisch wohluntermauerten Plan ausgestaltet: er schlug vor, das ganze Territorium der Habsburger-Monarchie mit einer Dampfeisenbahn zu durchqueren, die eine Schienenverbindung zwischen den Kohlen- und Salzlagern Galiziens und dem Handels- und Manufakturenzentrum in und um Wien sowie zwischen diesem und Triest, als Haupthafenplatz des Reiches, hersteilen sollte. Die Verwirklichung dieses weit über die englischen Vorbilder von damals hinausgehenden

Planes begann 1836 mit dem Bau der Loko- motivbahn zwischen Wien und Gänserndorf als Teil der „Kaiser-Ferdinand-Nordbahn .

Erzherzog Johann hat seinen schon 1825 erstmalig ausgesprochenen Gedanken einer Nord-Süd-Sdiienenverbindung zwischen der Ost- und Nordsee und der Adria auch weiterhin stets im Auge behalten. In der Erkenntnis, daß die schwierigste dabei zu lösende Aufgabe die Ueberschienung des Semmerings sein werde, hatte er schon am 31. Dezember 1836 — wie Dr. Oskar Regele, der Direktor des Staatsarchivs II (Kriegsarchiv), aus Akten des ihm unterstellten Institutes, des Steiermärkischen Landesarchivs und des Oesterreichischen Verkehrsarchivs feststellte — seinem Neffen Kaiser Ferdinand ein Majestätsgesuch vorgelegt, in dem er den Wunsch „der Stände und Insassen Steiermarks, Krains und Kärntens auf die Errichtung jener Eisenbahn, durch welche eine Vereinigung der Ost- und Nordsee mit der Donau und dem Adriatischen Meere zum unberechenbaren Vortheil des österreichischen Staates zu erreichen beabsichtigt wird“, nachdrücklichst unterstützte. Zugleich erbat Erzherzog Johann die kaiserliche Erlaubnis für die Trassierung der Strecke von Wien zur Adria Angehörige der Ingenieur-, Sappeur- und Mineurkorps, die ihm unterstanden, verwenden zu dürfen. Nachdem diese Bitte genehmigt worden war und die Stände Steiermarks sich bereit erklärt hatten, die Kosten zu tragen, wurden Oberst von Stregen sowie die Ingenieuroffiziere Lobinger, von Scheibenhof und Böh mit den beabsichtigten Trassierungsarbeiten betraut; diese wurden 1836 bis 1839 durchgeführt. Nachdem die Vermessungen südlich von Graz schon fast ein Jahr gedauert hatten, erging am 27 Juni 1837 an den Ingenieurhauptmann Lobinger eine Instruktion für die „vorläufigen Er hebungen über die Möglichkeit eines Eisenbahnzuges für Dampfwägen zwischen Wien und Triest, betreffend die Strecke von Graz durch das Mur- und Mürzthal aufwärts nebst dem Uebergange des Semmerings“. Sie besagt unter anderem: „Als das Wichtigste bei den Vorerhebungen erscheint die Ausmittlung, wie man über den Semmering wird kommen können?“

Nachdem Oberst Stregen früher gezweifelt hatte, daß eine Lokomotiveisenbahn über den Semmering gebaut werden könne, meldete er am selben 27. Juni 1837 auf Grund der schon bis dahin vorgenommenen Vermessungen im Gelände, er glaube nun fest „an die Möglichkeit, über den Semmering zu gelangen“. In derselben Meldung stellte Oberst Stregen — zwölf Jahre vor dem Baubeginn der Semmeringbahn — fest, er halte „immer schiefe Flächen, die auf alle Zeiten fort ein Hindernis bleiben, für ein weniger günstiges Mittel wie Stollen oder jede sonstige Hilfe“.

Inzwischen war auch der Ausbau einer von Wien gegen Süden führenden Lokomotiveisenbahn begonnen worden, indem eine Privatbahn von Wien nach Gloggnitz unter der Leitung des schon beim Bau der pferdebetriebenen „Holz- und Eisenbahn“ zwischen Budweis und Linz bewährten Matthias von Schönerer errichtet wurde. Schönerer hatte auf einer Reise nach USA festgestellt, daß man dort keine „schiefen Ebenen“, über die die Wagenzüge von feststehenden Dampfmaschinen gezogen wurden, mehr einschaltete, sondern erfolgreich durchgehenden Loko- motivbetrieb anwendete. Mit der aus Amerika gekommenen Lokomotive „Philadelphia“ machte Schönerer 1839 den Versuch, eine eigens für diesen Zweck beim Bahnhof Meidling mit einer Steigung 1:30 angelegte Rampe Im Adhäsionsbetrieb zu befahren. Als dies gelang, war damit auch auf österreichischem Boden der Beweis erbracht, daß die Lokomotive mit glatten Spurkranzrädern für den Betrieb auf Bergstrecken geeignet sei. Dieser Versuch Schönerers ist in weiterer Folge, namentlich als es sich darum handelte, die Betriebsart der Semmeringbahn festzulegen, mit der zum erstenmal die Ueberschienung eines Gebirgspasses gelang, bedeutsam geworden.

Anfangs 1842 legte der Landeshauptmann der Stände Steiermarks, Ferdinand Graf Attems, im Wege des Gubernialpräsidiums — wie ebenfalls Dr. Oskar Regele feststellte .— jene Pläne an Kaiser Ferdinand vor, die auf Grund der Trassierung der Ingenieuroffiziere entworfen worden waren. Graf Attems bemerkte hierzu, die „Uebersichts- und Profilkarten“ lieferten „die vollkommene beruhigende Ueberzeugung, daß der Realisierung einer Eisenbahn von Wien durch Steiermark nach Triest kein wesentliches Hindernis entgegenstehe“. Die Pläne wurden auf Antrag des Hofkammerpräsidiums dem Generaldirektor der österreichischen Staatsbahnen Hermenegild von Francesconi mit dem Auftrag zugeleitet, „dieselben bei dem Vorschläge über die Führung der Wien- Triestiner Staatseisenbahn gehörig zu benutzen“.

Auch der österreichische Staat beteiligte sich in weiterer Folge am Ausbau der Eisenbahnverbindung nach Triest. Seit 1848 leitete der 1802 in Venedig geborene Carl Ritter von G h e g a, der sich schon vorher als Erbauer mehrerer Strecken der Nordbahn bewährt hatte, als Generalinspektor den Bau des Südschienenweges zur Adria. Noch bestand die Lücke des Semmerings zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag. Ghega hatte schon 1842 erkannt, daß es bald unerläßlich werden würde, diese Lücke durch den Bau einer Eisenbahn über den Semmering zu schließen. Studienreisen, die er nach England und den Vereinigten Staaten machte, führten Ghega dazu, sich mit der ganzen Macht seiner Persönlichkeit für die Ueberschienung des Semmeringpasses durch eine Adhäsionsbahn einzusetzen. Dies geschah, nachdem er an Ort und Stelle über jede ihm möglich erscheinende Trasse Erhebungen gepflogen hatte.

Dadurch war Ghega in der Lage, als die Wirren des Jahres 1848 zu einer Entscheidung in der Semmeringfrage drängten, einen baufertigen Plan vorzulegen. Dieser wurde auf Antrag des Referenten für Staatseisenbahnen Andreas Freiherr von Baumgartner vom Staatsministerium genehmigt und der Bau, da als eine der Auswirkungen der Märzrevolution eine große Arbeitslosigkeit ausgebrochen war, gewissermaßen zur produktiven Bekämpfung dieser Krisenerscheinung, im Mai 1848 begonnen. Der Bau wurde trotz vieler Anfeindungen und Widrigkeiten fortgeführt und durch Ausschreiben eines „Loko- motivbewerbes“ 1850 die Entstehung der ersten brauchbaren Gebirgslokomotive in die Wege geleitet. Die endgültige Bauart, die nach ihrem Planer Wilhelm von Engerth benannt und im Inland und Ausland nachgebaut wurde, stand 1853 zum Betrieb bereit. Am 22. Oktober 1853 durchfuhr eine „Engerth-Loko- motive“ erstmalig die gesamte Strecke. Aber erst am 17. Juli 1854 konnte die Gesamtstrecke der Semmeringbahn, ohne daß vorher eine feierliche Eröffnung stattgefunden hätte, dem allgemeinen Verkehr übergeben werden.

Nicht, daß diese Bahn gebaut wurde, ist allein der Grund jenes Glanzes, der auf dieses in schwerer Zeit begonnene Werk und auf ihren Erbauer fällt, sondern daß sie bis zum heutigen Tag Vorbild fast aller Gebirgsbahnen geblieben ist: Denn die Semmeringbahn ist die erste Rampenbahn mit Scheiteltunnel gewesen, die erste, bei der planmäßig Ausfahrungen von Tälern und Umfahrungen von Gebirgsrücken benutzt wurden, um den Schienenweg über Brücken, durch Tunnels und durch Einschnitte zum Scheitelpunkt emporzuführen.

Diese Art der Anlage ist heute so geläufig, daß es uns scheinen will, als ob es keineswegs einer besonderen Persönlichkeit bedurft hätte, den Plan zu entwerfen, der diesem Schienenweg über den Semmering als erstes Beispiel einer Gebirgsbahn zugrunde gelegt wurde. Und doch war dies durchaus nicht der Fall: denn bevor die Semmeringbahn vollendet war, glaubten alle’ Fachleute — der Lehrmeinung der Ingenieure Englands, das doch das Pionierland der Schieneneisenbahn gewesen ist, sklavisch sich unterwerfend —, daß Adhäsionsbahnen wegen der zu geringen Reibung zwischen Schiene und Lokomotivrad nur in der Ebene, nicht aber im Gebirge brauchbar seien. Es bedurfte der Lebensarbeit Ghegas, um zunächst theoretisch, dann praktisch den Nachweis zu erbringen, daß auch Gebirgszüge kein Hindernis für eine Eisenbahnverbindung seien. Daß dies gelang, bedeutet den Sieg einer in Oesterreich entwickelten und hier zum erstenmal verwirklichten Idee.

jüngst beschlossen, und wird dann bei Wolfsgraben die notwendige Anschlußstelle nach Laab—Liesing und ins südliche Wiener Becken errichtet, dann besteht die große Gefahr, daß um diese Anschlußstelle ein Zentrum der Grundstückspekulation und später eine Tochterstadt von wohlhabenden Autofahrern mitten im Wienerwald entsteht. Der Bundesstraßenstatus der Autobahn reicht nicht aus, eine solche Entwicklung zu verhindern. Eine solche Fehlentwicklung könnte jedenfalls von der mächtigen Gemeinde Wien eher aufgehalten werden als von den kleinen Gemeinden, deren Einwohner wahrscheinlich am Grundstückverkauf interessiert wären. Es wäre hoch an der Zeit, den Wienerwald nicht nur theoretisch, sondern praktisch gegen weitere Verbauung zu schützen!

Raum M: Klosterneuburg und sein

Flinterland im Weidling- und Kierlingtal sind zwar durch den Riegel des Kahlengebirges wirksam von Wien getrennt, aber auch gegen das Tullnerfeld bildet die waldreiche Wasserscheide eine gute Naturgrenze. Die Verkehrsverbindungen nach Wien werden viel mehr gebraucht als die gegen Tulln, die Verhäuselung des Wienerwaldes schreitet auch hier immer weiter fort. Große Er- nolurigsanlagen der Wiener ziehen sich längs der Donau bis Höflein. Es sollten daher auch diese Gemeinden bei Neuwien verbleiben.

Wir haben unseren Rundgang . um Wien beendet. Fassen wir das Ergebnis der vorgeschlagenen besseren Abgrenzung zusammen: Das Großwien von 1938 sollte um 32 Randgemeinden mit rund 350 Quadratkilometer Fläche verkleinert und um fünf Wientalgemeinden mit rund 134 Quadratkilometer Fläche erweitert werden. Dadurch entstünde ein Stadtraum von etwa 1000 Quadratkilometer, der auf lange Sicht hinreichen würde, die Stadt gesünder aufzubauen, neue Tochterstädte zu gründen, neue Indüstrie-

zonen zu besetzen, Häfen und Flugplätze aus- i zubauen, das Erholungsgebiet im Westen in ausreichender Größe unter Schutz zu stellen. Alle diese Ziele können unmöglich erreicht werden, wenn das Stadtgebiet jetzt zu eng begrenzt wird, wir steuern statt einer Auflockerung einer immer ärgeren Verdichtung Wiens zu und, statt Gärten auf einstigem Baugrund anzulegen, müssen wir immer weiter Bauten auf einstigem Gartengrund errichten.

Einzelne werden sagen, es sei schade um den Ertrag der Feldflächen, die für Industriezonen oder Tochterstädte beansprucht werden. Dieser Einwand ist nicht stichhältig. Auf einem Quadratkilometer Fläche, die von Siedlungen mit kleinen Hausgärten bedeckt wird, wächst mehr Nahrung als auf der gleichen Fläche Zuckerrübenland, weil der Boden viel intensiver bewirtschaftet wird. Von der Umgestaltung des Lebens der Wiener, der Freude des Gärtners, der körperlichen und seelischen Gesundheit der Kinder wollen wir in diesem Zusammenhang gar nicht predigen, obwohl diese Dinge wichtiger sind als alle materiellen Berechnungen.

Mancher Leser wird fragen, warum denn eine Stadtgrenze in einem demokratischen Staat überhaupt von der Obrigkeit festgelegt werden müsse und nicht durch Volksabstimmung. Nun kann man zwar von einer Bevölkerung, die das Fortwursteln gewohnt ist, nicht plötzliche Einsicht in. vielfältige Planungsfragen verlangen, man kann auch von oft enttäuschten Leuten nicht viel Opferbereitschaft für Vernunftgründe erwarten, dennoch halten wir es für möglich, daß ein Appell an den schlichten Hausvef- stand bei einer Volksabstimmung über die Stadtgrenze immer noch ein besseres Resultat, ergibt, als es die 1946 willkürlich bestimmte Grenze von Neuwien ist..

‘(Literatur: Strzygowski, Die Neugestaltung, der

Stadt Wien. Verlag Ed. Hölzel, Wien, 1948.)

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