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Politik für die Bürger und ihre Stadt

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Linz stand lange Zeit in dem Ruf, ausschließlich Industriestadt zu sein. Dazu mögen die rauchenden Schlote beigetragen haben, die vielen Menschen Arbeit und Brot brachten und das Ansehen der österreichischen Wirtschaft in aller Welt mehrten. Dennoch war Linz zu keiner Zeit eine Stadt nur der Arbeit. Immer gab es hier auch kulturelle Aktivitäten. Mit der Aufbauarbeit nach dem Kriege wurde auch mehr Freiraum für die kulturelle Expansion erwirtschaftet. In ihm konnten sich vorhandene Traditionen weiterentwickeln, er ist die Voraussetzung zur Begründung neuer kultureller Tradition. Auch wenn das Brucknerhaus erst fünf Jahre alt ist, und die Jo- hannes-Kepler-Universität 1966 eröffnet wurde, gehen von diesen beiden Institutionen und von vielen anderen kulturellen Strukturen und Strömungen schon heute in die Zukunft weisende Impulse aus. Das einseitige Vorurteil über Linz, die Industriestadt, ist somit mehr denn je unangebracht.

Der Budgetrahmen der Stadt Linz hat sich in den Jahren der auslaufenden Gemeinderatsperiode um rund 50 Prozent erweitert. Der ordentliche Haushalt weist im Rechnungsabschluß für das Jahr 1978 Gesamteinnahmen und -aus- gaben in Höhe von jeweils 2,3 Milliarden Schilling aus. Das Volumen dieses Haushaltes hat sich damit um mehr als 9 Prozent gegenüber dem Abschluß 1977 erhöht. Im Bereich des Schuldendienstes war in den vergangenen Jahren eine relativ günstige Entwicklung zu verzeichnen, im Voranschlag für das Rechnungsjahr 1979 konnte diese Ausgabengruppe mit 3,5 Prozent der Ausgaben im ordentlichen Haushalt veranschlagt werden. Das ist ein Hinweis dafür, daß in der zu Ende gehenden Gemeinderatsperiode trotz Verwirklichung großer Vorhaben sorgfältig ge- wirtschaftet wurde.

Die Stadt Linz zählt heute rund 208.000 Einwohner und bietet etwa 155.000 Menschen einen Arbeitsplatz. Darin spiegelt sich die in Linz seit den Nachkriegsjahren konsequent betriebene Politik der Gewerbeförderung durch Bereitstellung aufgeschlossener Grundstücke wider. Auf diese Weise wurden günstige Voraussetzungen für die Ansiedlung von Klein- und Mittelbetrieben und damit für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen geschaffen. Zum Musterbeispiel dafür hat sich nach und nach das Industriegebiet Lustenau entwickelt, auf dem heute 50 Betriebe ihren Standort haben. Die Verbesserung der Infrastruktur dieses 40 Hektar großen Gebietes ließ sich die Stadt Linz seit Mitte der fünfziger Jahre rund 44 Millionen Schilling kosten. Ein zweites, stadteigenes Betriebsbaugebiet liegt im Süden von Linz. Hier sollen in erster Linie umweltfreundliche Betriebe angesiedelt werden, deren Arbeitsplätze den Menschen dieses aufstrebenden Stadtteiles zugute kommen werden.

Der hohe Anteil der Berufstätigen an der Linzer Wohnbevölkerung hat schon vor mehreren Jahren zu verkehrspolitischen Maßnahmen gezwungen, die dem zunehmenden Individualverkehr gerecht wurden, gleichzeitig aber auch die Modernisierung und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs vorantrieben. Der Bestand an Straßenbahnzügen und Bussen wurde ständig modernisiert, die Verlängerung einer Straßenbahnlinie um 5,5 Kilometer ins Universitätsviertel gewann diesem umweltfreundlichen Verkehrsmittel viele neue Freunde. Viele Linzer haben die Vorteile des öffentlichen Nahverkehrs erkannt und machen von dieser Möglichkeit reichen Gebrauch. Anfang September haben die städtischen Verkehrsbetriebe ein Projekt vorgelegt, mit dem das Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr für einen größeren Kreis der Pendler attraktiv werden soll: Es sieht vor, die Straßenbahn in den Hauptbahnhof einzubinden und diesen zu einer Nahverkehrsdrehscheibe auszubauen.

Zu den baulichen Vorhaben, die in dieser Gemeinderatsperiode ausgeführt wurden, zählen zwei Bezirkshallenbäder, das Franz-Hillinger-Senio- renwohnheim, der Neubau der Zentralwäscherei des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Linz und vor allem das umfangreiche Schul- und Turnsaalbauprogramm, das mit der Fertigstellung der Sporthauptschule weitgehend abgeschlossen ist. Zwei Projekte, die in dieser Gemeinderatsperiode ebenfalls abgeschlossen, bzw. ein gutes Stück vorangebracht werden konnten, stehen in direktem Zusammenhang mitde Fer-į. tigstellung des Donaukraftwerkes Ab- winden-Asten: 1979 wurden die letzten’ Lücken im Linzer Dammsystem geschlossen. Die Schutzdämme an Traun und Donau mit einer Gesamtlänge von 42 Kilometern sichern Linz künftig vor einer katastrophalen Überflutung, wie sie die Stadt 1954 heimgesucht hat. Dieser Schutz hatte allerdings seinen Preis: rund 22 Millionen Schilling gab die Stadt für die Dammbauten im engeren Stadtgebiet aus. Eine Milliarde Schilling wird die von den Stadtbetrieben Linz zur Zeit gebaute Regionalkläranlage kosten. In ihr werden in Zukunft die Linzer Abwässer mechanisch und biologisch gereinigt, bevor sie in die Donau gelangen. Die Fertigstellung dieser vorbildlichen Anlage, deren mechanischer Teil bereits getestet wird, ist für Mitte 1982 vorgesehen. Die Weichen für den Neu bau des Allgemeinen Krankenhauses und den Umbau des Stadions wurden gleichfalls in dieser Arbeitsperiode gestellt.

Vielleicht war es gerade die Arbeit, die in Linz den Boden für ein aktives, handlungsbezogenes Verhältnis der Menschen zur Kunst vorbereiten half. Mitte der siebziger Jahre entstanden in den Werkshallen der Linzer Stahlindustrie und anderer metallverarbeitender Betriebe Österreichs Metallplastiken, die im RaÜme’n der Ausstellung „Forum Metall” im Spätsommer 1977 am Donauufer aufgestellt wurden. An dieser von der Linzer Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung initiierten künstlerischen Auseinandersetzung mit dem für Linz so bedeutungsvollen Metall beteiligten sich namhafte in- und ausländische Künstler. Viele Linzer nahmen die geistige Herausforderung an, eine Brücke zwischen Industrie und Kunst zu schlagen und haben ehrlich einen von Vorurteilen und Klischees freien Zugang zu diesem Zweig der Kunst gesucht.

Alljährlich im September findet in Linz das Brucknerfest statt. Es gilt selbstverständlich den Werken Anton Bruckners. Ebenso selbstverständlich aber ließen sich die Veranstalter nicht die Gelegenheit entgehen, nach neuen Wegen der Würdigung Brucknerscher Musik zu suchen, und die Veranstaltung für neue Ideen offen zu halten. 1978 wurde das Festprogramm durch die „Missa Universalis” einer Pop-Gruppe bereichert, 1979 stand es im Zeichen einer Veranstaltungsreihe über den Einsatz elektronischer Medien in der Darbietung auch klassischer Musik. Dieses Nebeneinander von Gewohntem und Neuem spiegelt den geistigen Pluralismus wider, wie er in Linz mehr und mehr sichtbaren Ausdruck findet.

Im Jahre 1979 konnte auch die Verlegung der Neuen Galerie abgeschlossen werden. Dieser Vorgang wäre an sich nicht besonders erwähnenswert, würde damit nicht auch gleichzeitig die Gelegenheit wahrgenommen, der städtischen Sammlung mit der Unterbringung im Lentia 2000, das zugleich vielstöckiges Wohnhaus und Geschäftshaus ist, in dem auch eine Schule und ein Kindergarten untergebracht sind, einen lebensnahen Rahmen zu geben. Es ist zu hoffen, daß damit die Neue Galerie aus dem etablierten Museumsschema herausgeführt und die Voraussetzung für einen engeren Kontakt zwischen der Bevölkerung und der städtischen Sammlung geschaffen werden konnte.

Zum kulturellen Leben in Linz tragen aber auch die drei Linzer Museen und an die 20 Galerien mit einem abwechslungsreichen Programm an Ausstellungen, Sonderausstellungen und Vemissagen bei. Die Volkshochschule hat sich durch ihre Leistungen einen hervorragenden Ruf erworben, das Programm dieser Bildungseinrichtung ist breit gestreut, und die Zahl der Kursteilnehmer hat einen hohen Stand erreicht Alljährlich im Herbst veranstaltet die Volkshochschule eine „Internationale Woche”, die einem europäischen Land gewidmet ist und bei der Linzer Bevölkerung auf reges Interesse stößt.

Fleiß und Beharrlichkeit sind die Wurzeln des in Linz erreichten Wohlstandes. So wichtig die Arbeit für den einzelnen und die Gesellschaft aber ist, soll sie doch nicht einseitig das Leben eines Menschen ausfüllen. Daher suchen viele während eines Wochenendausfluges oder eines Kurzurlaubes Erholung und etwas Abstand von der Arbeit - außerhalb der Stadt. Es ist gut, daß wir in einer Gesellschaft leben, die das in so reichem Ausmaß möglich macht. Dennoch ist es in Linz auch in der Freizeit lebenswert. Es wurde in den vergangenen Jahren eine Fülle von Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung geschaffen, die jeder Altersgruppe etwas bietet: Kindern und’Jugendlichen genauso wie Erwachsenen und Senioren.

Die Stadt unterhält vier Ferienheime, in denen Kinder bedürftiger Eltern kostenlos, die übrigen Kinder gegen Bezahlung eines geringen Beitrages aufgenommen werden. Die Ferialaktionen für Kinder, von denen viele trotz Urlaubswellen in der Stadt bleiben, wurden in den vergangenen Jahren ständig ausgebaut. Jugendliche wollen spontan und unkonventionell sein. Oft fehlt es aber an den räumlichen Gegebenheiten. Für sie hat die Stadtverwaltung vier Jugendklubs eingerichtet, ein modernes Jugendzentrum in Citynähe ist in Planung. In diesen Treffpunkten haben die Jugendlichen vielerlei Möglichkeiten zu eigenverantwortlicher Freizeitgestaltung mit ihresgleichen. Denn hier wie auch bei den übrigen städtischen Einrichtungen zur Freizeitgestaltung wurde dem Prinzip: „lenken statt gängeln” dieTreue gehalten. Die Stadt stellt den Rahmen für sinnvolle Freizeitgestaltung. Es bleibt dem einzelnen überlassen, welchen Gebrauch er davon macht.

Seit die beiden mit einem Kostenaufwand von insgesant 80 Millionen Schilling errichteten Hallenbäder zur Verfügung stehen, ist in Linz das Baden m t modernstem Komfort das ganze Jahr hindurch möglich und ein verregneter, Sommer kein Grund mehr, nicht baden zu gehen. Einschließlich zweier Badeseen beträgt die Tageskapazität der Linzer Freibäder 65.000 Personen.

In Linz leben zur Zeit etwa 30.000 Menschen im Alter von 65 Jahren und darüber. Ihnen stehen 27 Seniorenklubs zur Verfügung und ein Seniorengarten, in dem sie dem Spiel und der Freizeitgestaltung nachgehen können. In der Hauskrankenpflege sorgen sich 16 Heimhilfen und zwei diplomierte Krankenschwestern um das körperliche Wohl alter Menschen. Täglich werden 330 gehbehinderte und ältere Personen von der Aktion „Essen auf Rädern” mit warmen Mahlzeiten versorgt. Diese Dienstleistung wird demnächst ausgeweitet. Mit dem im Jahre 1977 eröffne- ten Franz-Hillinger-Seniorenwohnheim wurde der traditionelle Weg der Altenbetreuung verlassen und Erkenntnisse c er AJterssöwIogie.berucksichtigL Die Persönlichkeit alter Menęęfien ist vielschichtig und darf nicht in ein enges Behandlungsschema eingezwängt werden. Daher wurde das mit einem Kostenaufwand von insgesamt 102,4 Millionen Schilling errichtete Seniorenwohnheim von vornherein so angelegt, daß die Fehler der Altenbetreuung von früher, Abkoppelung und Einzäunung, vermieden wurden. In diesen Altenwohnungen, die nahe dem Stadtzentrum und nicht irgendwo am Stadtrand liegen, können Menschen ihren Lebensstil beibehalten und haben doch alle Vorteile der modernen Altenbetreuung.

In Linz wurde in den vergangenen Jahren ein Weg gefunden, die Aufgaben der Stadtverwaltung in engem Kontakt mit den Bürgern zu besorgen. Scheinbar ganz von selbst und ohne viel Aufhebens hat sich eine Form der Mitbestimmung eingestellt, die der Stadt und ihren Bürgern auch in Zukunft zum Nutzen gereichen wird. Bei den großen verkehrspolitischen und städtebaulichen Vorhaben fand ein konstruktiver Gedanken- und Meinungsaustausch zwischen Bürgern, Vertretern von Bürgerinitiativen und der Stadtverwaltung statt. Diese Suche nach dem direkten Kontakt ist auch ein Grund dafür, daß zwischen der Stadtverwaltung und der Wirtschaft ein so gutes Klima herrscht. Es ist in Linz schon Tradition, daß die Mitglieder des Stadtsenats Industrie-, Handels- und Gewerbebetriebe aufsuchen und sich an Ort und Stelle über ihre Anliegen und Probleme informieren. Das „Prinzip Bürgernähe” umfaßt grundsätzlich aber alle Linzer und besonders auch diejenigen, die nicht zu Interessengruppen zusammengeschlossen sind. Um die Kontaktnahme des einzelnen mit der städtischen Verwaltung zu vereinfachen und möglichst wirkungsvoll zu gestalten, wurde in diesem Jahr im Rathaus eine Bürgerservicestelle eingerichtet. Mit relativ geringem finanziellem Aufwand wares damit gelungen, eine jedem zugängliche Kontaktstelle zu schaffen, wo er ein Anliegen Vorbringen kann, das dann auf kürzestem Wege an die entsprechende Dienststelle weitergeleitet wird. +

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