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Trauerspiel um ein Musiktheater

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Die oberösterreichische Lan-deshauptstadt feierte heuer ausgiebig und feiert noch ihr 500jähriges Jubiläum. Die Veran-staltungen und Aktivitäten aus diesem Anlaß erscheinen als beson-ders erfindungsreich und würden Seiten füllen. Als einer der letzten Gags wurde sogar ein "Linzer Schnitzel" kreiert. Jubiliert wurde also zu jeder Gelegenheit. Hatte aber die Stadt auch Grund zum Jubeln?

Linz als Landeshauptstadt ist 500 Jahre alt geworden. Das Linzer Landestheater an der Promenade aus dem Jahre 1803 hat in nicht mehr ferner Zukunft den Zweihun-derter am Buckel. Es entspricht aber längst nicht mehr der kulturellen Aufgabe einer dynamischen Groß-stadt, als die sich Linz auszugeben beliebt. Sicht und Akustik sind auf vielen Plätzen mehr als schlecht, die Sitze unbequem. Der Theaterbetrieb ist höchst unwirtschaftlich, der Orchestergraben viel zu klein, um alle Musiker des Bruckner-Orchesters aufnehmen zu können. Damit ist die große Oper in der partiturgetreuen Besetzung so gut wie ausgesperrt. Gar nicht zu reden von den unzumutbaren Zuständen hinter den Kulissen, mit denen das Personal, sei es auf der künstlerischen oder technischen Seite, täglich konfrontiert ist.

Seit sieben Jahren macht sich der Verein "Freunde des Linzer Musik-theaters" stark für den Neubau eines Opernhauses und tritt bedauerlicherweise noch immer auf der Stelle. Trotz einer Anhängerschar von über 3.000 Mitgliedern, trotz unzähliger Mitstreiter aus der Künstlerschaft, die von Anfang an in eigenen Konzertreihen unent-geltlich für ein Linzer Musiktheater auftreten. Trotzdem also der Boden aufbereitet ist und das Musiktheater auf keine Gegenstimmen mehr stößt.

Linz braucht ein neues Theater -die Spatzen pfeifen es von den Dächern.

Für das Stadtjubiläum 1990 hatte der Verein einen festen Plan. Der Spatenstich für den Bau auf dem Areal am Brückenkopf Alt-Urfahr-Ost sollte die Feierlichkeiten krönen. Aber gerade dieser Standort, von allen Seiten als der idealste bestätigt, steht jetzt dem Projekt mehr denn je im Wege. Da sich Land und Stadt nicht einigen konnten, das heißt, das Land als Bauherr die längst fällige Willensäußerung zu einem Theaterneubau bei der Stadt nicht deponierte, hat diese den Urfahrer Baugrund nach einem Architektenwettbewerb für einen anderen Zweck umgewidmet. Mehr noch, die Stadt verkaufte Bauplatz und alle Rechte für die Einlösung an ein professionelles Unternehmen, das drauf und dran ist, in Alt-Urfahr-Ost ein neues, anderes City-Projekt zu realisieren. Nun ist es fünf Minuten vor zwölf. Bereits im Dezember werden die Bagger am Donauufer auffahren und die Verbauung beginnt. 1993 gibt es in Linz das "Donau-Tor" anstelle einer Donau-Oper.

Der Musiktheaterverein hat den-noch nicht aufgegeben. Die Gesprä-che mit den Politikern aller Lager werden massiv weitergeführt, nicht ohne Anklage, daß hier verantwor-tungslos die größte Chance zu dem wichtigsten Kulturbau Oberöster-reichs für das nächste Jahrtausend verpaßt wurde. Die Hauptschuld trifft das Land Oberösterreich. Von dieser Seite wurde bisher behördlich so gut wie nichts erledigt. Im Gegenteil: durch eine ungeheuerliche Verschleppungstaktik wird jedweder die Sache beschleunigender Schritt unterbunden.

Freilich, um den Verein zu trösten, kamen andere Standorte in das Trauerspiel. Etwa der Blumau-erplatz, die Landesfrauenklinik oder das Areal des derzeitigen Theatergevierts, auf welches das Land scheinbar fanatisch eingeschworen ist. Aber Klarheit herrscht auch hier weder darüber, ob es einen Umbau oder Neubau des Linzer Landestheaters auf der Promenade geben wird. Einen Umbau will klarerweise der Verein nicht, weil damit seine statutenmäßig festgelegten Ziele unerfüllt blieben. Im Falle eines Neubaues aber, der am alten Standort die mit einer Milliarde veranschlagten Kosten verdoppeln würde, rollt eine ganze Problemlawine auf das Linzer Musiktheater nieder, als sollte das Projekt verschüttet werden. Besteht es überhaupt noch?

Die Möglichkeit einer Errichtung am alten Standort ist geprüft, das Ergebnis triste und unbefriedigend, weil es doch nur eine "Notlösung" darstellt. Erforderlich für die Platz-beschaffung ist zunächst der Abriß der Oberösterreichischen Land-wirtschaftskammer, der zwar vom Bundesdenkmalamt bereits abge-segnet wurde, aber vehement die Denkmalschützer auf den Plan rief. Des weiteren müßten Wohnungen ausgesiedelt, städtebaulich gravie-rend verändert, unter anderem Garagen gebaut wie infrastrukturelle Maßnahmen getroffen werden. Die größte Sünde wäre aber, einen Kulturtempel als städtisches "Aus-hängeschild" im jetzigen Theaterhof zu verstecken, denn auch ein Neubau verlangte die Erhaltung der ebenfalls denkmalgeschützten Vorderfront des jetzigen Hauses. Schließlich lassen alle diese Ein-wände einen Baubeginn auf der Promenade - wenn überhaupt frühestens für 1995 realistisch er-scheinen.

Bis dahin wird es kaum mehr weitere Ersatzgründe für ein Linzer Musiktheater geben. Die unver-zeihliche Unterlassung eines Thea-terneubaues werden sich die Ver-antwortlichen - sprich Politiker - selbst zuschreiben müssen.

Inzwischen droht der nur mühsam zu bewältigende Theaterbetrieb zusammenzubrechen. Der Sängerabgang ist nicht aufzuhalten. Auch nicht, daß profilierte Dirigenten um Linz einen Bogen machen. Die kulturelle auch über-regionale Ausstrahlung des Linzer Landestheaters, heute wichtiger denn je durch die Öffnung der Grenzen zu den Nachbarstaaten, ist stark belastet. Linz ist auf dem besten Weg, seine als Industriestadt ohnehin schwer durchgesetzte Iden-tität in der Kultur zu verlieren.

Aber der letzte Akt in dem Trau-erspiel ist am Ende eines Jubiläums-jahres zum Glück noch nicht ge-spielt. Der Verein "Freunde des Linzer Musiktheaters" wird nicht aufgeben und bei den Politikern weiterbohren, bis der Vorhang des neuen Theaters aufgeht. Schließlich beruht seine Gründung - ein Kuriosum am Rande - auf der aus-drücklichen persönl ichen Anregung von Landeshauptmann Josef Rat-zenböck.

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